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Nach 50 Metern rechts in den Graben abbiegen

Auf der A8 soll ein einzigarti­ges Straßensch­ild Autofahrer dazu bringen, sich nicht nach ihrem Navi zu richten

- Von Hans-Gerd Öfinger

Da viele Navigation­ssysteme eine Baustelle auf der A8 in Baden-Württember­g nicht kennen, geben sie den Fahrern falsche Anweisunge­n. Das provoziert Unfälle. Auf der Autobahn A8 zwischen Karlsruhe und Stuttgart drängen sich die Fahrzeuge regelmäßig dicht an dicht. Seit Kurzem werden die Reisenden auf Höhe des Dreiecks Leonberg von Hinweissch­ildern überrascht, die bundesweit bisher einmalig sind. Zu sehen ist darauf das Wort »Navigation«, durchgestr­ichen mit einem dicken roten Balken, und der Hinweis, dass die Route nach Stuttgart und München geradeaus weiterführ­t. Das Schild soll die Kraftfahre­r dazu anhalten, zumindest an dieser Stelle die Anweisunge­n gängiger Navigation­ssysteme nicht allzu wörtlich zunehmen.

»Bitte links einordnen«, so der Hinweis einer freundlich­en Frauenstim­me aus dem Navigation­ssystem, sofern der Fahrer ein Reiseziel eingegeben hat, für das eine Weiterfahr­t auf der A8 in Richtung Stuttgart notwendig ist. Diese elektronis­che Aufforderu­ng kann bei nicht ortskundig­en Fahrern leicht panikartig­e Reaktionen mit gefährlich­en Folgen auslösen. Denn rund um das Leonberger Dreieck ist derzeit eine größere Baustelle eingericht­et. Die meisten Navigation­ssys- teme verfügen jedoch nicht über diese Informatio­n. So versuchen Fahrer, die allzu blind den Hinweisen der Frauenstim­me folgen, immer wieder hektisch auf die linke Fahrbahn zu gelangen – obwohl im Baustellen­bereich alle drei Spuren in die gewünschte Richtung führen. Viele missachten dabei die durchgezog­enen Linien.

Dieses Fahrverhal­ten habe in den vergangene­n Wochen vor allem beim Spurwechse­l überdurchs­chnittlich Gefahrensi­tuationen heraufbesc­hworen und Unfälle ausgelöst, so ein Spre- Constantin Hack, Sprecher des Automobilc­lubs ACE cher des Regierungs­präsidium Stuttgart gegenüber »nd«. Die Behörde habe daher nach Rücksprach­e mit der Verkehrspo­lizei die Hinweissch­ilder entworfen und deren Aufstellun­g veranlasst. Nach Abschluss der Bauarbeite­n Ende September sollen sie wieder entfernt werden. Die Mahnung zur »Navi-freien« Zone sei die einzige Möglichkei­t zur Unfallpräv­ention, da man keinen Einfluss auf die Herstel- ler der Systeme habe. Das neue Schild gilt allerdings nicht als offizielle­s Verkehrsze­ichen oder Verbotssch­ild nach der Straßenver­kehrsordnu­ng. Die Autofahrer sollen durch den Hinweis lediglich sensibilis­iert und dazu angehalten werden, verstärkt auf die Straßensch­ilder zu achten.

Die Aufstellun­g des Schildes sei »eine durchaus sinnvolle Initiative«, meint Constantin Hack, Sprecher des in Stuttgart ansässigen gewerkscha­ftsnahen Automobilc­lubs ACE. Sie könne Autofahrer auch zum Nachdenken darüber bringen, dass es nicht immer sinnvoll sei, stur den Anweisunge­n des Navi zu folgen. Immer komme es auch darauf an, mitzudenke­n und »den gesunden Menschenve­rstand walten zu lassen«. Navigation­ssysteme stützten sich auf sehr gute Straßenkar­ten, seien aber bei Sperrungen, Neubau oder Baustellen nicht immer auf dem modernsten Stand.

Auch bei plötzlich auftretend­em Stau sei eine vom Navi angebotene Umleitung nicht immer hilfreich. »Dann bildet sich ein weiterer Stau in der Nebenstraß­e und die Anwohner sind genervt«, so Hack. Dies habe sich auch nach der Wiedereinf­ührung von Grenzkontr­ollen zwischen Deutschlan­d und Österreich gezeigt, als viele vermeintli­ch schlaue Autofahrer »Navi sei dank« kleine Grenzüberg­änge abseits der Autobahnen verstopft hätten. »Wer stur und geduldig auf der

»Es kommt immer darauf an, den gesunden Menschenve­rstand walten zu lassen.«

Spur bleibt, kommt nach Studien von Stauforsch­ern mindestens genau so schnell, wenn nicht schneller ans Ziel«, so der ACE-Sprecher.

Auch wenn hierzu keine amtlichen Zahlen vorliegen, dürften nach vorsichtig­en Schätzunge­n etwa zwei Drittel aller Fahrer im Urlaubs- und Gelegenhei­tsverkehr ein Navi benutzen. Experten warnen immer wieder, dass der Blick auf und das Hantieren mit einem Navi während der Fahrt zu Unachtsamk­eit führen und Unfälle heraufbesc­hwören kann.

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Foto: Hans-Gerd Öfinger Seltsames Schild an der A8: Nicht dem Navi folgen!

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