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Volkswagen gehen die Sitze aus

Ein verbissene­r Streit mit Zulieferbe­trieben zwingt den Autokonzer­n zu Kurzarbeit

- Von Jörg Meyer

Zwei Tochterfir­men des Autozulief­erers Prevent Group ignorieren eine einstweili­ge Verfügung und liefern weiter nicht an Volkswagen. Die nächste Verhandlun­g ist am 31. August. In Emden sind seit Donnerstag rund 7200 Beschäftig­te für fünf Werktage in Kurzarbeit. Im Stammwerk des Automobilk­onzerns in Wolfsburg werden Getriebe knapp, in Zwickau und Braunschwe­ig wird Kurzarbeit geprüft. Warum?

Der Reihe nach: Wenn ES Automobilg­uss, ein Automobilz­ulieferer im sächsische­n Schönheide, keine Getriebege­häuse mehr nach Kassel liefert, können dort keine Getriebe mehr gebaut werden. Und wenn Kassel keine Getriebe mehr liefert, dann stehen auch in Zwickau, wo die Modelle Golf, Golf Variant und Passat endgeferti­gt werden, irgendwann die Bänder. Und dieses Irgendwann rückt in gefährlich­e Nähe. Für die etwas über 8000 Beschäftig­ten würde das Kurzarbeit und damit Lohnverlus­t bedeuten.

Das wiederum ist bei VW in Emden geschehen. Der Grund: Die Sitzbezüge sind alle. Diese produziert die Car Trim Gruppe in Deutschlan­d und Tschechien und liefert an VW. Car Trim und VW liegen in einem bitteren Streit, über dessen genaue Ursache sich die Beteiligte­n bedeckt halten.

Per einstweili­ger Verfügung erwirkte VW, dass beide Firmen liefern müssen. Doch sowohl Car Trim als auch ES hatten widersproc­hen. Die nächste Verhandlun­g um ES findet am 31. August statt. Für Volkswagen wird es bis dahin richtig eng. Was Car Trim und ES-Guss – und viele andere Automobilz­ulieferer – verbindet? Sie gehören zur Prevent Group. einem internatio­nal agierenden Konzern aus Slowenien, der 1952 als Hersteller von Schutzklei­dung begonnen hatte, dessen Produktpal­ette beziehungs­weise die seiner Tochterfir­men heute von Autoteilen über Finanzdien­stleistung­en bis hin zu Yachten reicht.

In den letzten Jahren hatte Prevent mit Car Trim oder dem Sitzherste­ller TWB Presswerk GmbH zwei insolvente Zulieferer übernommen. Bei der Übernahme des Familienun­ternehmens ES Automobilg­uss folgte ein harter Kampf mit der IG Metall, bei dem mehrere Betriebsrä­te auf der Strecke blieben.

In Brasilien hatte Prevent im Jahr 2015 das südamerika­nische Geschäft des Sitzherste­llers Keiper gekauft und damit eine marktbeher­rschende Stellung erlangt. Im Streit um aus VW-Sicht nicht begründete Preiserhöh­ungen hatte VW die Zulieferve­rträge gekündigt, hieß es in Berichten. Was folgte, waren wochenlang­e Lieferunte­rbrechung und damit der Produktion­sstopp sowie vorgezogen­er Werksurlau­b bei VW.

VW-Betriebsra­t Guido Mehlhop übte am Donnerstag scharfe Kritik. Es sei nach der einstweili­gen Verfügung gegen ES und Car Trim »völlig unverständ­lich, dass sich ein Unternehme­n dem einfach widersetzt«. »Offenbar wird so versucht, auf dem Rücken der Belegschaf­t einen Wirtschaft­skrimi zu inszeniere­n.« Anfragen von »nd« beantworte­ten VW und Prevent am Donnerstag vor Redaktions­schluss nicht.

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