Einsam in Rio
Die Russin Darja Klischina hält dem Druck bei Olympia nicht stand.
Der Fall der Russin Darja Klischina schlug hohe Wellen. Eine Differenzierung im Bezug zum russischen Staatsdoping fiel westlichen Medien schwer. Den russischen ein objektiver Blick aber auch. Darja Klischina ist die Ausnahme. Vor Olympia schloss der Leichtathletikweltverband IAAF die Athleten Russlands aus. Jedenfalls all jene, die nicht hatten nachweisen können, sich außerhalb des manipulierten Dopingkontrollsystems des Landes aufgehalten zu haben und international getestet worden zu sein. Weitspringerin Klischina lebt seit 2013 in den USA, unterlag somit dem dortigen Antidopingsystem und durfte als Einzige unter russischer Flagge starten. Leicht war das nicht. Die zweimalige Halleneuropameisterin schied nach überstandener Qualifikation am Mittwochabend im Vorkampf des Finals als Neunte aus. Ihre 6,63 Meter lagen mehr als 40 Zentimeter unter ihrer Bestleistung.
Lange Zeit galt Klischina im Westen als potenziell sauber, da sie sich dem vom russischen Staat reglementierten System von Vertuschungen positiver Dopingproben entzogen hatte. In ihrer Heimat kam das gar nicht gut an. User des Sportportals »Sports.ru« empfahlen ihr, doch gleich unter der Flagge der USA zu starten. Klischina selbst sprach davon, als Vaterlandsverräterin beschimpft worden zu sein, weil sie nicht aus Solidarität mit ihren gesperrten Kolleginnen auf ihren eigenen Start verzichtet hatte.
Zwei Tage vor der Weitsprungqualifikation am Dienstag kam die Wende. Die IAAF gab doch noch Klischinas Ausschluss aufgrund »neuer Beweise« bekannt. Zwei manipulierte Urinproben seien der Grund, bei deren Analyse verschiedene DNASpuren festgestellt worden sein. So berichtete ARD-Journalist und Dopingexperte Hajo Seppelt mit Hinweis aus »sicherer Quelle«. Russi- schen Medien zufolge stamme die Dopingprobe aus dem Jahr 2013 – von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau.
Klischina klagte vor dem Internationalen Sportgerichtshof und durfte doch starten. Laut CAS könne sie
»Das hat mich sehr belastet.« Darja Klischina über den Medienstreit und das Gerichtsverfahren vor dem olympischen Wettkampf
nachweisen »im relevanten Zeitraum sauber« gewesen zu sein. Soll heißen, die manipulierte Probe muss wirklich älter als zwei Jahre sein, denn die IAAF hatte diesen Zeitraum für eine zu beweisende Sauberkeit vorgegeben.
In den vergangenen Tagen schossen sich also die Medien in und au- ßerhalb Russlands auf den Fall ein – mit äußerst unterschiedlichen Wertungen. Für die meisten westlichen Medien war schnell klar: Klischina war ins Staatsdopingsystem verwickelt. Nach dem Urteil des CAS twitterte die ARD-Sportschau: »Wer kann das noch nachvollziehen?« Seppelt stellte fest, dass Klischina durch die Beweise eindeutig zum russischen System gehöre.
Plötzlich wurde die Athletin jedoch von russischen Journalisten verteidigt. Die »Gaseta« zweifelte an Seppelts Aussagen: »Hat denn ein deutscher Journalist Zugang zu den Laboren?« Außerdem wurde kritisiert, dass Richard McLaren, in dessen von der Welt-Antidoping-Agentur in Auftrag gegebenem Report die manipulierte Probe erwähnt sein soll, nicht zu einer Stellungnahme bereit sei. Der Radiosender bfm unterstellte der IAAF gar bewusste »Schikane«. In ihrer Reportage werden Sportminister Witali Mutko, der Präsident des Russischen Olympischen Komitees Alexander Schukow und Klischinas Anwalt Paul Green zitiert. Green stellt dabei in den Vordergrund, dass »87 Prozent« ihrer Proben nicht in Russland genommen worden seien. Mutko sieht in den Anschuldigungen eine »Provokation« des Westems und Schukow spricht von »Prügel durch die IAAF«.
Die Meinungen gehen also weit auseinander, nur in einem können sich wohl alle einig sein. Für die Athletin kamen Medienstreit und Gerichtsverfahren zur Unzeit. »Das hat mich sehr belastet«, bekannte eine unglückliche Klischina nach dem Wettkampf. »Bevor ich nach Rio kam, habe ich gut trainiert und gute Sprünge gehabt. Die vergangene Woche war keine gute. Ich habe vier Stunden im Gericht verbracht und bin froh, dass ich genug Beweise hatte, um den Fall zu gewinnen«, sagte die 25-Jährige. Trainieren konnte sie kaum. Doch eine Hoffnung blieb: »Ich bin noch jung und ich habe eine Chance auch in Tokio 2020 noch mal dabei zu sein.«