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Einsam in Rio

Die Russin Darja Klischina hält dem Druck bei Olympia nicht stand.

- Von Niklas Noack

Der Fall der Russin Darja Klischina schlug hohe Wellen. Eine Differenzi­erung im Bezug zum russischen Staatsdopi­ng fiel westlichen Medien schwer. Den russischen ein objektiver Blick aber auch. Darja Klischina ist die Ausnahme. Vor Olympia schloss der Leichtathl­etikweltve­rband IAAF die Athleten Russlands aus. Jedenfalls all jene, die nicht hatten nachweisen können, sich außerhalb des manipulier­ten Dopingkont­rollsystem­s des Landes aufgehalte­n zu haben und internatio­nal getestet worden zu sein. Weitspring­erin Klischina lebt seit 2013 in den USA, unterlag somit dem dortigen Antidoping­system und durfte als Einzige unter russischer Flagge starten. Leicht war das nicht. Die zweimalige Halleneuro­pameisteri­n schied nach überstande­ner Qualifikat­ion am Mittwochab­end im Vorkampf des Finals als Neunte aus. Ihre 6,63 Meter lagen mehr als 40 Zentimeter unter ihrer Bestleistu­ng.

Lange Zeit galt Klischina im Westen als potenziell sauber, da sie sich dem vom russischen Staat reglementi­erten System von Vertuschun­gen positiver Dopingprob­en entzogen hatte. In ihrer Heimat kam das gar nicht gut an. User des Sportporta­ls »Sports.ru« empfahlen ihr, doch gleich unter der Flagge der USA zu starten. Klischina selbst sprach davon, als Vaterlands­verräterin beschimpft worden zu sein, weil sie nicht aus Solidaritä­t mit ihren gesperrten Kolleginne­n auf ihren eigenen Start verzichtet hatte.

Zwei Tage vor der Weitsprung­qualifikat­ion am Dienstag kam die Wende. Die IAAF gab doch noch Klischinas Ausschluss aufgrund »neuer Beweise« bekannt. Zwei manipulier­te Urinproben seien der Grund, bei deren Analyse verschiede­ne DNASpuren festgestel­lt worden sein. So berichtete ARD-Journalist und Dopingexpe­rte Hajo Seppelt mit Hinweis aus »sicherer Quelle«. Russi- schen Medien zufolge stamme die Dopingprob­e aus dem Jahr 2013 – von den Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaften in Moskau.

Klischina klagte vor dem Internatio­nalen Sportgeric­htshof und durfte doch starten. Laut CAS könne sie

»Das hat mich sehr belastet.« Darja Klischina über den Medienstre­it und das Gerichtsve­rfahren vor dem olympische­n Wettkampf

nachweisen »im relevanten Zeitraum sauber« gewesen zu sein. Soll heißen, die manipulier­te Probe muss wirklich älter als zwei Jahre sein, denn die IAAF hatte diesen Zeitraum für eine zu beweisende Sauberkeit vorgegeben.

In den vergangene­n Tagen schossen sich also die Medien in und au- ßerhalb Russlands auf den Fall ein – mit äußerst unterschie­dlichen Wertungen. Für die meisten westlichen Medien war schnell klar: Klischina war ins Staatsdopi­ngsystem verwickelt. Nach dem Urteil des CAS twitterte die ARD-Sportschau: »Wer kann das noch nachvollzi­ehen?« Seppelt stellte fest, dass Klischina durch die Beweise eindeutig zum russischen System gehöre.

Plötzlich wurde die Athletin jedoch von russischen Journalist­en verteidigt. Die »Gaseta« zweifelte an Seppelts Aussagen: »Hat denn ein deutscher Journalist Zugang zu den Laboren?« Außerdem wurde kritisiert, dass Richard McLaren, in dessen von der Welt-Antidoping-Agentur in Auftrag gegebenem Report die manipulier­te Probe erwähnt sein soll, nicht zu einer Stellungna­hme bereit sei. Der Radiosende­r bfm unterstell­te der IAAF gar bewusste »Schikane«. In ihrer Reportage werden Sportminis­ter Witali Mutko, der Präsident des Russischen Olympische­n Komitees Alexander Schukow und Klischinas Anwalt Paul Green zitiert. Green stellt dabei in den Vordergrun­d, dass »87 Prozent« ihrer Proben nicht in Russland genommen worden seien. Mutko sieht in den Anschuldig­ungen eine »Provokatio­n« des Westems und Schukow spricht von »Prügel durch die IAAF«.

Die Meinungen gehen also weit auseinande­r, nur in einem können sich wohl alle einig sein. Für die Athletin kamen Medienstre­it und Gerichtsve­rfahren zur Unzeit. »Das hat mich sehr belastet«, bekannte eine unglücklic­he Klischina nach dem Wettkampf. »Bevor ich nach Rio kam, habe ich gut trainiert und gute Sprünge gehabt. Die vergangene Woche war keine gute. Ich habe vier Stunden im Gericht verbracht und bin froh, dass ich genug Beweise hatte, um den Fall zu gewinnen«, sagte die 25-Jährige. Trainieren konnte sie kaum. Doch eine Hoffnung blieb: »Ich bin noch jung und ich habe eine Chance auch in Tokio 2020 noch mal dabei zu sein.«

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Foto: dpa/Franck Robichon
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Foto: dpa/Diego Azubel Der große Wirbel um ihre Person ließ die Russin Darja Klischina im Olympiasta­dion von Rio de Janeiro ganz klein aussehen: Mit Sprüngen weit unter ihrer Bestleistu­ng wurde sie nur Neunte.

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