Die Falle des unbegrenzten Wachstums
Alberto Acosta meint, dass uns ein Grüner Kapitalismus im Kampf gegen den Klimawandel kaum helfen wird
Die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter warf zum Auftakt unseres gemeinsamen Blogs »Klima und Wandel« in der vergangenen Woche eine bedeutsame Frage auf: Wie können die scheinbaren Widersprüche zwischen Sozialem und Ökologischem überwunden werden? Um die Diskussion im Nachgang der UN-Klimakonferenz von Paris im Dezember 2015 (COP21) voranzutreiben, schlägt sie vor, wir sollten uns von der Logik der Zapatisten inspirieren lassen und »fragend voranschreiten«.
Nehmen wir sie beim Wort: Was wurde auf der Klimakonferenz erreicht? Ist der Enthusiasmus gerechtfertigt, mit dem die Ergebnisse aufgenommen wurden? Auf den ersten Blick ist zu sagen: Es gibt Fortschritte. Aber reichen diese aus?
Zunächst müssen wir uns vor Augen führen, dass die Anstrengungen seit der Annahme des Kyoto-Protokolls 1997 die Umweltprobleme, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht, nicht haben lösen können. Stattdessen stellte das Scheitern der COP15 2009 in Kopenhagen einen Präzedenzfall dar. Unbehagen und Hoffnungslosigkeit dominierten bei den Vereinten Nationen. Aus dieser Sicht stellt das Pariser Abkommen natürlich einen Erfolg dar. 195 Staaten und die EU einigten sich als Mitglieder der UN-Klimarahmenkonvention auf ein Abkommen gegen die globale Erderwärmung.
Nicht, dass ich ein Spielverderber sein möchte, aber bevor ich das Pariser Abkommen als großen Fortschritt für die Menschheit bezeichnen mag, schlage ich vor, einige Details des Weltklimavertrages genauer anzuschauen. Zweifel sind angebracht, wenn man sieht, wer das Pariser Abkommen alles beklatscht hat. Die größten Erdöl-Exporteure und viele multinationale Firmen feierten mit, da ihnen keine Grenzen gesetzt wurden. Auch China und die Vereinigten Staaten, die größten Verursacher von Treibhausgasen, stimmten in den Jubelchor ein. Immerhin gilt es aber anzuerkennen, dass sich diese zwei Länder endlich in einigen Klimafragen einig geworden sind.
Was sind die anderen Mängel des Abkommens? Der Vertrag hat viele Unzulänglichkeiten und Schwächen, dazu gibt es unverzeihliche Ausgrenzungen. Es wurden Bezüge auf die Menschenrechte und indigene Völker unterdrückt, diese in die Präambel abgeschoben. Anderen sensiblen Fragen sind die Verhandler aus dem Weg gegangen und haben die echten Probleme außen vor gelassen. Noch viel weniger wollten sie echte Lösungen finden.
Überhaupt nicht in Frage gestellt wurde die Perversität des unbegrenzten Wachstums in einem Moment, in dem die sozio-ökologischen Folgen für die Natur spürbar und schrecklich sind und das Wachstum nicht einmal in der Lage ist, soziale Gerechtigkeit einzulösen. Auch die historische Klimaschuld der Indust- rieländer bei der unterentwickelten Welt wurde nicht anerkannt, die eigentlich eine ökologische Schuld ist.
An keiner Stelle des Abkommens wird das Welthandelssystem in Frage gestellt, das die Vielzahl der schweren sozio-ökologischen Probleme, an denen wir leiden, nicht nur versteckt, sondern sogar befördert. Um es mit dem Franzosen Maxime Combes zu sagen: »Der internationale Handel wird ohne Hindernisse voranschreiten, selbst auf einem toten Planeten.«
Mit dem so gefeierten Abkommen werden auch neuen falschen Lösungen im Rahmen der »grünen Wirtschaft« Tür und Tor geöffnet, mit der die Kommerzialisierung der Natur weitergeht und sogar ausgeweitet wird. Mit dem Ziel, ein Gleichgewicht zwischen menschengemachten Treibhausgasen herzustellen, können Länder ihren Ausstoß über Marktmechanismen ausgleichen, die Wälder und Ozeane einbeziehen. Angeregt wird auch Geo-Engineering, CO2-Abscheidung sowie -Speicherung und vieles mehr.
Schließlich wird noch viel Zeit vergehen, bis das Abkommen wirksam wird. Erst 2020 soll es nach erfolgreicher Ratifizierung in Kraft treten. Eine erste Überprüfung soll dann 2023 erfolgen. Wie sehen also jetzt die Herausforderungen für die fortschrittlichen Kräfte auf dem Planeten aus? Diese Frage bedarf neuer und tiefgreifender Überlegungen. Es muss allerdings absolut klar bleiben, dass es zwischen dem Sozialen und Ökologischen keinen echten Widerspruch gibt: Ohne ökologische Gerechtigkeit kann es keine soziale Gerechtigkeit geben – und umgekehrt.