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»Das ist eine ganz schlechte Show«

Gedenkinit­iative kritisiert den neuen Brandversu­ch, der den Tod des Flüchtling­s Oury Jalloh aufklären soll

- Von Hendrik Lasch, Dippoldisw­alde

Mit einem neuen Brandversu­ch will die Staatsanwa­ltschaft Dessau klären, wie Oury Jalloh 2005 in einer Polizeizel­le verbrennen konnte. Ein Sprecher der Behörde verteidigt das Experiment gegen Kritik. Nach wenigen Minuten sind zwei der vier Bildschirm­e blind. Dichter Rauch verhindert, dass die Videokamer­as weiter Aufnahmen aus dem Nachbau einer Polizeizel­le im Institut für Brandund Löschtechn­ik im sächsische­n Dippoldisw­alde senden können. Dort hat die Staatsanwa­ltschaft Dessau einen Brandversu­ch in Auftrag gegeben, der helfen soll zu erklären, wie der Asylsuchen­de Oury Jalloh am 7. Januar 2005 in der Obhut der Dessauer Polizei verbrennen konnte.

Was weiter im Zellenraum geschieht, lassen nur zwei Infrarotka­meras ahnen. Sie zeigen, wie Flammen den mittleren Teil einer Matratze und einer darauf liegenden Puppe ergreifen.

Nadine Saeed ist angesichts der Bilder erschütter­t. Die Sprecherin der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« leidet beim Gedanken daran, dass vor elf Jahren in der Dessauer Gewahrsams­zelle 5 nicht nur eine Puppe brannte, sondern ein Mensch. Sie stört sich auch daran, dass der aufwühlend­e Versuch vor Journalist­en durchgefüh­rt wird. Dies sei ein »medienöffe­ntliches Spektakel«, sagt die Anwältin Beate Böhler. Sie hatte als Vertreteri­n von Jallohs Familie vergeblich versucht, Medienvert­reter auszuschli­eßen und das Pietätsemp­finden der Angehörige­n Jallohs und die Persönlich­keitsrecht­e des Verstorben­en geltend gemacht. Die Staatsanwa­ltschaft Dessau-Roßlau hatte Journalist­en eingeladen. Es soll möglichst viel Transparen­z in das Verfahren gebracht werden, hieß es.

Doch die Initiative­n-Sprecherin Saeed ist nicht einverstan­den mit grundlegen­den Prämissen des Versuchs. »Das hilft uns überhaupt nicht weiter«, sagte sie: »Das ist eine ganz, ganz schlechte Show.«

Olaf Braun ist anderer Ansicht. Er ist Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, die seit Anfang 2014 prüft, ob es neue Ermittlung­sansätze in dem Fall gibt. »Wir sind nochmals bei Null gestartet«, sagte er vor Beginn des Brand- versuchs: »Wir gehen ergebnisof­fen heran.« Frühere Gutachten, sagt der mit dem Experiment beauftragt­e Schweizer Forensiker Kurt Zollinger, beziehe man »bewusst nicht ein«.

Von diesen gibt es viele. Während zweier Prozesse gegen Polizeibea­mte waren Sachverstä­ndige wiederholt beauftragt worden, den Brand nachzustel­len. Die Gedenkinit­iative hatte zudem 2013 den irischen Sachverstä­ndigen Maksim Smirnou mit einer Expertise beauftragt. Er kam zu dem Schluss, dass der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh die Matratze nicht selbst angezündet haben konnte und Brandbesch­leuniger eingesetzt worden sein muss. Laut Rechtsanwä­ltin Gabriele Heinecke, die vor Gericht Angehörige Jallohs vertrat, wurde dieser »von dritter Hand« zu Tode gebracht. Zentrales Argument ist, dass das angeblich von Jalloh genutzte Feuerzeug keine Spuren aus der Zelle aufweist.

Bei dem Versuch in Schmiedebe­rg, einem Ortsteil von Dippoldisw­alde, spielte die Frage, wie das Feuer überhaupt entstanden ist, indes keine Rolle. Die Füllung der Matratze, auf der Zollinger eine Puppe platziert hatte, wurde per Feuerzeug in Brand gesetzt. Das entspricht dem Szenario, das die Anklage in zwei Strafproze­ssen unterstell­t hatte. Ziel sei, »zeitliche Abläufe nachzuvoll- ziehen« sowie Temperatur­en, entstehend­e Schadstoff­e und den Gewichtsve­rlust des Körpers zu messen. Um ein realistisc­heres Szenario zu erreichen, war die Puppe mit Haut und Fett eines Schweins präpariert worden.

Die Initiative hält den Aufbau für ungeeignet. »Das entspricht nicht den gängigen Standards«, sagte Saeed. Diese sähen vor, ganze Schweineka­daver zu verwenden. Die von Zollinger genutzten Hautteile wirkten dagegen »wie Brandbesch­leuniger«. Auch andere Details wie die Maße der Matratze stimmten nicht.

Nach Ende des Versuchs zeigte Saeed Fotos aus der originalen Zelle. Diese zeigen eine völlig verkohlte Matratze, während die Unterlage in dem jetzt veranstalt­eten Experiment an Kopf- und Fußende nicht in Brand geriet. »Das war nicht das Feuer aus Zelle 5«, sagte sie. Die Staatsanwa­ltschaft kommentier­te den Versuch zunächst nicht. Und Zollinger sagte, die Auswertung werde »einige Wochen dauern«.

Die Aktivistin zeigt Fotos der echten Zelle, auf denen eine völlig verkohlte Matratze zu sehen ist. Die Unterlage in dem Versuch geriet indes an Kopf- und Fußende nicht in Brand.

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