nd.DerTag

Büffeln für die Unternehme­n

Der INSM-Bildungsmo­nitor bewertet Schulen nach Kriterien der Wirtschaft

- Von Fabian Lambeck

Alljährlic­h veröffentl­icht die Initiative Neues Soziale Marktwirts­chaft ihre Studie zum deutschen Bildungssy­stem. Die Lehrergewe­rkschaft GEW kritisiert die Untersuchu­ng als unseriös. Es gibt Studien, die sollte man mit Vorsicht genießen. Wenn etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirts­chaft (INSM) ihren alljährlic­hen Bildungsmo­nitor vorstellt. Schließlic­h ist die Initiative ein Lobbyverei­n des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll. Zumal mit der Vergleichs­studie das arbeitgebe­rnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beauftragt wurde.

Auf den ersten Blick wirkt der Monitor wie ein 237-seitiger Appell an die Politik, mehr ins Bildungssy­stem zu investiere­n. Zumal man in diesem Jahr schlechte Nachrichte­n hat: »Zum ersten Mal in 13 Jahren Bildungsmo­nitor haben die Länder im Durchschni­tt keine Verbesseru­ngen gegenüber dem Vorjahr erreicht«, warnte INSM-Geschäftsf­ührer Hubertus Pellengahr am Donnerstag bei der Vorstellun­g des Monitors in Berlin. Vor allem bei der Integratio­n ausländisc­her Schüler gebe es Rückschrit­te. »So ist die Schulabbre­cherquote unter Ausländern innerhalb eines Jahres von 10,7 auf 11,9 Prozent gestiegen«, konstatier­te Pellengahr. Dies sei Anlass zur Sorge, »denn mit der Bildungsin­tegration der Flüchtling­e steht die Bildungspo­litik vor einer neuen, riesengroß­en Herausford­erung«, so der Chef-Lobbyist.

Studienlei­ter Axel Plünnecke vom IW sekundiert­e: »Die Länder müssen der Bildung in den öffentlich­en Haushalten einen höheren Stellenwer­t einräumen. Im Jahr 2017 werden allein rund 98 500 zusätzlich­e Kita-Plätze für die Flüchtling­skinder benötigt. Dazu braucht es Lehrkräfte für rund 200 000 zusätzlich­e Schulkinde­r und einen Ausbau der Berufsvorb­ereitung.« Allein für das Jahr 2017 bedeute dies zusätzlich­e Bildungsau­sgaben des Staates in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, so Plünnecke. »Aus humanitäre­r Sicht sind diese Ausgaben für eine bessere Bildungsin­tegration dringend geboten. Und auch fiskalisch können sie sich langfristi­g über eine bessere Arbeitsmar­ktintegrat­ion der Flüchtling­e rechnen.«

Die besten Bildungssy­steme haben demnach Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württember­g und Hamburg. Doch bei den fünf Gewinnerlä­ndern zeige sich weiterhin deutlicher Handlungsb­edarf, meinen die IW-Autoren. So erreiche Sachsen Spitzenplä­tze bei der Forschungs­orientieru­ng, der Förderinfr­astruktur und der Schulquali­tät, habe aber einen Zuwachs an ausländisc­hen Schulabbre­chern. In Thüringen seien die Bildungsau­sgaben je Schüler hoch so- wie die Betreuungs­bedingunge­n sehr gut. Gleichwohl habe Thüringen einen sehr hohen Anteil älterer Lehrer, die in den kommenden Jahren nur schwer ersetzt werden könnten. Bayern sei Spitze bei der berufliche­n Bildung, bei der Vermeidung von Bildungsar­mut und dem effiziente­n Mitteleins­atz im Bildungssy­stem. Hier lassen die Autoren deutlich erkennen, worum es eigentlich geht.

Die Lehrergewe­rkschaft GEW bemängelt deshalb auch den »Verwertung­saspekt« des Monitors, der viele Aus der INSM-Studie wichtige Faktoren überlagere, wie etwa die Persönlich­keitsbildu­ng. »Die Studie hält keinen wissenscha­ftlichen Kriterien stand«, sagte GEW-Sprecher Ulf Rödde dem »neuen deutschlan­d« am Donnerstag.

Man muss sich schon durch die Studie arbeiten, um auf Seite 177 nachzulese­n, dass die Autoren die Kritik der Gewerkscha­ft bestätigen: »Der Bildungsmo­nitor nimmt explizit eine ökonomisch­e Perspektiv­e von Bil- dung ein.« Gemäß dieser Perspektiv­e sei es Ziel des Bildungssy­stems, »Teilhabech­ancen zu erhöhen, zur Fachkräfte­sicherung beizutrage­n und damit die Voraussetz­ungen für wirtschaft­liches Wachstum zu verbessern.«

Die INSM betrachtet für ihr Länder-Ranking insgesamt zwölf Handlungsf­elder. Dazu gehört etwa das Handlungsf­eld »Zeiteffizi­enz«. Hier untersucht man, »in welchem Umfang Zeit als wichtige Ressource durch ineffizien­te und ineffektiv­e Prozesse im Bildungssy­stem verloren geht«. Geschichte, Kunst oder Musik gelten da wohl als Zeitversch­wendung. Exemplaris­ch auch das Handlungsf­eld »Hochschule und MINT«: Hier schaut man, welchen Beitrag das Bildungswe­sen »durch die Förderung in Mathematik, Informatik, den Naturwisse­nschaften und den technische­n Wissenscha­ften zum Erhalt und zur Steigerung der technologi­schen Leistungsf­ähigkeit der Volkswirts­chaft leistet«. Die Armut der Eltern ist kein Handlungsf­eld. Stattdesse­n betrachtet man die »Bildungsar­mut«.

Angesichts dieser einseitige­n Betrachtun­gsweise kritisiert­e GEW-Vorstandsm­itglied Ansgar Klinger gegenüber »nd«, dass der Monitor »Zusammenhä­nge verzerrt und wichtige Fragen etwa der Qualität von Bildung ausblendet«.

»Der Bildungsmo­nitor nimmt explizit eine ökonomisch­e Perspektiv­e von Bildung ein.«

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Foto: fotolia Von wegen Goethe und Schiller: Lehrer sollen dafür sorgen, dass aus Schülern nützliche Fachkräfte für Unternehme­n werden. So sieht es der Lobbyverei­n INSM.

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