Büffeln für die Unternehmen
Der INSM-Bildungsmonitor bewertet Schulen nach Kriterien der Wirtschaft
Alljährlich veröffentlicht die Initiative Neues Soziale Marktwirtschaft ihre Studie zum deutschen Bildungssystem. Die Lehrergewerkschaft GEW kritisiert die Untersuchung als unseriös. Es gibt Studien, die sollte man mit Vorsicht genießen. Wenn etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ihren alljährlichen Bildungsmonitor vorstellt. Schließlich ist die Initiative ein Lobbyverein des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Zumal mit der Vergleichsstudie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beauftragt wurde.
Auf den ersten Blick wirkt der Monitor wie ein 237-seitiger Appell an die Politik, mehr ins Bildungssystem zu investieren. Zumal man in diesem Jahr schlechte Nachrichten hat: »Zum ersten Mal in 13 Jahren Bildungsmonitor haben die Länder im Durchschnitt keine Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr erreicht«, warnte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr am Donnerstag bei der Vorstellung des Monitors in Berlin. Vor allem bei der Integration ausländischer Schüler gebe es Rückschritte. »So ist die Schulabbrecherquote unter Ausländern innerhalb eines Jahres von 10,7 auf 11,9 Prozent gestiegen«, konstatierte Pellengahr. Dies sei Anlass zur Sorge, »denn mit der Bildungsintegration der Flüchtlinge steht die Bildungspolitik vor einer neuen, riesengroßen Herausforderung«, so der Chef-Lobbyist.
Studienleiter Axel Plünnecke vom IW sekundierte: »Die Länder müssen der Bildung in den öffentlichen Haushalten einen höheren Stellenwert einräumen. Im Jahr 2017 werden allein rund 98 500 zusätzliche Kita-Plätze für die Flüchtlingskinder benötigt. Dazu braucht es Lehrkräfte für rund 200 000 zusätzliche Schulkinder und einen Ausbau der Berufsvorbereitung.« Allein für das Jahr 2017 bedeute dies zusätzliche Bildungsausgaben des Staates in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, so Plünnecke. »Aus humanitärer Sicht sind diese Ausgaben für eine bessere Bildungsintegration dringend geboten. Und auch fiskalisch können sie sich langfristig über eine bessere Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge rechnen.«
Die besten Bildungssysteme haben demnach Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg. Doch bei den fünf Gewinnerländern zeige sich weiterhin deutlicher Handlungsbedarf, meinen die IW-Autoren. So erreiche Sachsen Spitzenplätze bei der Forschungsorientierung, der Förderinfrastruktur und der Schulqualität, habe aber einen Zuwachs an ausländischen Schulabbrechern. In Thüringen seien die Bildungsausgaben je Schüler hoch so- wie die Betreuungsbedingungen sehr gut. Gleichwohl habe Thüringen einen sehr hohen Anteil älterer Lehrer, die in den kommenden Jahren nur schwer ersetzt werden könnten. Bayern sei Spitze bei der beruflichen Bildung, bei der Vermeidung von Bildungsarmut und dem effizienten Mitteleinsatz im Bildungssystem. Hier lassen die Autoren deutlich erkennen, worum es eigentlich geht.
Die Lehrergewerkschaft GEW bemängelt deshalb auch den »Verwertungsaspekt« des Monitors, der viele Aus der INSM-Studie wichtige Faktoren überlagere, wie etwa die Persönlichkeitsbildung. »Die Studie hält keinen wissenschaftlichen Kriterien stand«, sagte GEW-Sprecher Ulf Rödde dem »neuen deutschland« am Donnerstag.
Man muss sich schon durch die Studie arbeiten, um auf Seite 177 nachzulesen, dass die Autoren die Kritik der Gewerkschaft bestätigen: »Der Bildungsmonitor nimmt explizit eine ökonomische Perspektive von Bil- dung ein.« Gemäß dieser Perspektive sei es Ziel des Bildungssystems, »Teilhabechancen zu erhöhen, zur Fachkräftesicherung beizutragen und damit die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum zu verbessern.«
Die INSM betrachtet für ihr Länder-Ranking insgesamt zwölf Handlungsfelder. Dazu gehört etwa das Handlungsfeld »Zeiteffizienz«. Hier untersucht man, »in welchem Umfang Zeit als wichtige Ressource durch ineffiziente und ineffektive Prozesse im Bildungssystem verloren geht«. Geschichte, Kunst oder Musik gelten da wohl als Zeitverschwendung. Exemplarisch auch das Handlungsfeld »Hochschule und MINT«: Hier schaut man, welchen Beitrag das Bildungswesen »durch die Förderung in Mathematik, Informatik, den Naturwissenschaften und den technischen Wissenschaften zum Erhalt und zur Steigerung der technologischen Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft leistet«. Die Armut der Eltern ist kein Handlungsfeld. Stattdessen betrachtet man die »Bildungsarmut«.
Angesichts dieser einseitigen Betrachtungsweise kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Ansgar Klinger gegenüber »nd«, dass der Monitor »Zusammenhänge verzerrt und wichtige Fragen etwa der Qualität von Bildung ausblendet«.
»Der Bildungsmonitor nimmt explizit eine ökonomische Perspektive von Bildung ein.«