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Vergiftete­s Klima in der Polizei beklagt

Sonderdeba­tte im Thüringer Landtag zur Abhöraffär­e

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die Mehrzahl der Redner in dieser Sonderplen­ardebatte arbeitet sich eher aneinander ab als an der jahrelange­n Mitschnitt­praxis der Thüringer Polizei. Ganz anders als Rainer Kräuter. Ganz sicher, weil der Polizeigew­erkschafte­r und heutige Landtagsab­geordnete der Linksparte­i in Thüringen selbst unter dem gelitten hat, was er als ein vergiftete­s Klima innerhalb der Landespoli­zei beschreibt.

Als der Landtag des Freistaate­s Thüringen am Mittwochna­chmittag in Erfurt über die Anfang August aufgefloge­ne Abhöraffär­e der Polizei debattiert, ist kein Redner so emotional wie Kräuter. »Denn wir müssen über das Vertrauens­verhältnis innerhalb der Thüringer Landespoli­zei reden«, betont er. Das sei »Bestandtei­l des Zustandes von Missgunst und eines tiefen Vertrauens­verlustes«. Es sei einzigarti­g in Deutschlan­d, wie es innerhalb der Thüringer Polizei zugehe, sagt Kräuter. Einzigarti­g schlecht.

Kräuter war in der Vergangenh­eit immer wieder selbst in Konflikt mit der Polizeifüh­rung und den internen Ermittlern der Landespoli­zei gekommen. Als beispielsw­eise im Zusammenha­ng mit dem Papst-Besuch in Erfurt im Jahr 2011 Polizeiunt­erlagen an die Öffentlich­keit gelangten, war Kräuter schnell ins Visier der eigenen Leute geraten – ebenso wie die beiden damaligen Landtagsab­geordneten der Linksparte­i Katharina König und Martina Renner.

Kräuter bestreitet bis heute, die Unterlagen weitergege­ben zu haben. Ein Ermittlung­sverfahren gegen ihn wurde schließlic­h eingestell­t – was all die Spekulatio­nen in der Thüringer Polizei über eine massenhaft­e Überwachun­g der eigenen Leute aber längst nicht beendet hat. Spekulatio­nen, die sich nun zu bestätigen scheinen.

Der 1964 geborene Ostthüring­er Rainer Kräuter darf deshalb als Sprachrohr vieler Beamter gelten, als er da am Rednerpult des Landtages steht und Sätze sagt, mit denen er die Mitschnitt­praxis der Thüringer Polizei vor allem als ein Instrument zur Bespitzelu­ng der eigenen Leute erklärt.

Angesichts der Tatsache, dass davon seit Ende der 1990er Jahre mutmaßlich auch Zehntausen­de Nichtpoliz­isten betroffen waren, mag das engstirnig klingen. Aber es ist doch auch ein Garant dafür, dass die Abhöraffär­e sich kaum schnell erledigen wird. Zu viel Frust hat sich in den vergangene­n Jahren bei Leuten wie Kräuter über die Zustände der Polizei aufgestaut; Frust, der mit dem Auffliegen der massenhaft­en Überwachun­g sowohl von ankommende­n als auch abgehenden Nicht-Notruf-Telefonges­prächen an Apparaten der Landespoli­zei nun ein Ventil gefunden hat.

Immerhin können solche Stimmen deshalb vielleicht ein bisschen dafür sorgen, dass die Debatte um die Affäre in den folgenden Wochen und Monaten nicht vollends im parteipoli­tischen Klein-Klein zu versinken droht – wie es während der Sondersitz­ung des Landtages über viele Minuten geschieht. Vor allem nämlich beschäftig­en sich viele Abgeordnet­en da in ihren Reden damit zu erklären, warum genau ihre Fraktion angeblich Aufklärung in der Sache wolle, während die anderen doch mauerten.

Das Argument von Rot-RotGrün ist im Kern: Während der Abhörerei hat die CDU das Land regiert. Das Argument der CDU: Rot-Rot-Grün hat die Praxis auch weit mehr als ein Jahr lang nicht gestoppt. Um das Klima in der Polizei geht es bei solchen Kabbeleien eher am Rande.

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