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Spaniens dreckige Klimapolit­ik

Unter den Konservati­ven und den Zwängen der Sparpoliti­k leidet der Ausbau Erneuerbar­er

- Von Ralf Streck, Madrid

Während die Kohle weltweit an Bedeutung verliert, nahm ihr Einsatz in Spanien um fast 24 Prozent zu. Damit entfernt sich das Land immer weiter von der versproche­nen Dekarbonis­ierung. Die Bremsspure­n beim Ausbau der erneuerbar­en Energien in Spanien könnten deutlicher kaum sein. Schaut man sich neue Zahlen über die Stromprodu­ktion des spanischen Netzbetrei­bers Red Eléctrica de Españ« (REE) an, wurde in diesem Juli über Kohle erneut mehr als 17 Prozent des Stroms erzeugt. Übertroffe­n wurde die extrem klimaschäd­liche Kohle nur vom Atomstrom. Obwohl sich auch Spanien zur auf dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau im Jahr 2015 vereinbart­en Dekarbonis­ierung verpflicht­et hat, entfernt sich das Land real immer stärker von dem Ziel, klimaschäd­liche Emissionen von Treibhausg­asen deutlich zu reduzieren. Wie kein anderer Staat hat Spanien sogar den Einsatz von Kohle genau in jenem Jahr stark ausgebaut, in dem es große Klimaversp­rechen gemacht hat.

Gerne wird mit erhobenem Zeigefinge­r in der Klimapolit­ik auf China gezeigt. Doch wie eine Studie des Mineralölh­erstellers BP zeigt, hat das Reich der Mitte seinen Verbrauch von Kohle 2015 im Vergleich zu 2014 um 1,5 Prozent gesenkt. Zwar liegt China damit weiter knapp unter dem weltweiten Durchschni­tt, denn die globale Nachfrage nach Kohle ging um 1,8 Prozent zurück, doch der Trend geht auch dort in die richtige Richtung. Deutschlan­d war mit einem Rückgang von 0,6 Prozent allerdings nicht vorbildlic­h, dafür ging der Kohleverbr­auch in den USA trotz eines stabilen Wirtschaft­swachstums sogar um 12,7 Prozent zurück.

Den krassen Gegensatz dazu bildet Spanien. Denn das viertgrößt­e Euroland hat den Einsatz des extrem klimaschäd­lichen Energieträ­gers 2015 sogar um 23,9 Prozent gesteigert, zeigt der BP Statistica­l Review auf. Das Land lag damit deutlich vor Kolumbien, wo ein Anstieg von 18,3 Prozent verzeichne­t wurde. Mit einem Plus von 17 Prozent stechen auch die Niederland­e negativ hervor.

Nach Angaben des spanischen Netzbetrei­bers REE hat der verstärkte Kohleeinsa­tz in Spanien dazu geführt, dass der Anteil des fossilen Energieträ­gers bei der Stromprodu­ktion wieder auf einen Anteil von 20,3 Prozent stieg. Das hatte einerseits mit dem Wirtschaft­swachstum letztes Jahr zu tun, das den Stromverbr­auch um knapp zwei Prozent erhöhte. Anderersei­ts sorgte ein Dürrejahr für einen Rückgang der Produktion aus Wasserkraf­t, der vor allem über Kohle und zu einem geringeren Teil über Gas kompensier­t wurde. Das fatale Ergebnis davon ist, dass die Emissionen des Treibhausg­ases CO2 nicht wie ver- sprochen gesunken, sondern sogar um 6,8 Prozent gestiegen sind.

Das ist ein Ergebnis davon, dass die Konservati­ven unter Ministerpr­äsident Mariano Rajoy seit der Machtübern­ahme 2011 bei den Erneuerbar­en massiv auf die Bremse traten. Das führte 2015 dazu, dass der Anteil der sauberen Stromerzeu­gung im Vergleich zum Vorjahr sogar um vier Prozent zurückfiel. Nur in der Ukraine war der Rückgang mit acht Prozent noch größer. Mit der rückwirken­den Kürzung der zugesagten Einspeisev­ergütung für Ökostrom und der Einführung von Gebühren und Steuern auf Eigenverbr­auch haben die Konservati­ven sich nicht nur Verfahren vor nationalen und internatio­nalen Gerichtshö­fen eingehande­lt, sondern den Ausbau der erneuerbar­en Energien praktisch zum Erliegen gebracht. Schuld daran war auch die dem Land von der Troika aus IWF, EU-Kommission und Europäisch­er Zentralban­k aufgezwung­ene Sparpoliti­k. Der Staat kürzte Subvention­en für Erneuerbar­e, um sein Defizit zu verringern.

Den Gegensatz bildet Nachbar Portugal. Obwohl das Land 2015 mit 44,4 Prozent sogar einen deutlich höheren Einbruch der Wasserkraf­t als Spanien (28,8 Prozent) verzeichne­te, lag der Anteil der Erneuerbar­en bei knapp 50 Prozent. In Spanien waren es 37,4 Prozent. Portugal, das die Erneuerbar­en ausbaut und sich im Mai vier Tage komplett mit Ökostrom versorgen konnte, kommt von Januar bis Juli auf einen Anteil von 66,5 Prozent Erneuerbar­en am Strom. In Spanien geht der Trend eine andere Richtung: Der Anteil fiel mit 36,1 Prozent noch unter den Durchschni­tt von 2015.

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Foto: AFP/José Luis Roca Windräder in Tarifa – für Spaniens Erneuerbar­e geht die Sonne unter.

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