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Schützt ein Verkauf vor Privatisie­rung?

Die LINKE im Bundestag entfacht die Debatte um die Zukunft der Bahn mit der Einladung zu einem Workshop neu

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die LINKE will Anfang September im Bundestag diskutiere­n, ob eine Teilprivat­isierung von Bahn-Auslandstö­chtern nicht doch sinnvoll wäre – und ist überrascht über die Reaktionen, die sie damit auslöst. Ein Workshop der LINKEN sorgt derzeit für ordentlich Wirbel in der linken Bahn-Gewerkscha­fter-Szene. »Wie schützen wir die Bahninfras­truktur vor Privatisie­rung?«, lautet sein Titel, mit dem die Fraktion am 9. September in den Bundestag lädt. Was sich auf den ersten Blick als Privatisie­rungskriti­k darstellt, löst bei linken Gewerkscha­ftern jedoch Ängste vor einem neuen Privatisie­rungsschub im zunehmend fragmentie­rten und prekarisie­rten Eisenbahns­ektor aus.

»DIE LINKE vertritt bisher die Position, dass nur eine integriert­e Bahn, die Infrastruk­tur und Betrieb unter einem Dach vereint, gut funktionie­ren könne«, heißt es im Einladungs­schreiben. Da jedoch der Vorstand der bundeseige­nen Deutschen Bahn AG (DB) nun eine Teilprivat­isierung der Auslandstö­chter DB Arriva und DB Schenker Logistics anstrebe, sei eine »neue Situation« entstanden und komme eine »Abtrennung der Infrastruk­tursparten aus der renditeori­entierten DB AG« sowie deren Überführun­g in eine Anstalt öffentlich­en Rechts (AöR) in Frage.

Damit ist erneut eine alte Debatte um die Zukunft der Eisenbahn aufgeflamm­t. Um die Jahrtausen­dwende setzte Ex-DB-Chef Hartmut Mehdorn mit Unterstütz­ung von Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) auf einen Börsengang des kompletten Konzerns. Starken Zuspruch fand er bei Norbert Hansen, damals Chef der DGB-Bahngewerk­schaft Transnet, der 2008 kurzzeitig in den DBVorstand wechselte. Transnet ging später in der Bahngewerk­schaft EVG auf. Die Finanzkris­e 2007/08 ließ Mehdorns Vorhaben platzen.

Schon damals lehnten der Industriel­lenverband BDI und die Parteien CDU/CSU, FDP und Grüne Mehdorns Konzept ab. Ihnen schwebte eine völlige Liberalisi­erung und Zerschlagu­ng der Bahn durch Trennung von Infrastruk­tur und Transportg­esellschaf­ten etwa nach britischem Modell vor. Dabei sollte die teure Infrastruk­tur vom Staat unterhalte­n werden, während alle Transport- und Dienstleis­tungsberei­che rund um den Schienenve­rkehr in private Hände gelangen und Rendite abwerfen sollten. Indes forderte auch die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL bereits vor Jahren, »dass das Netz bei einem Börsengang aus dem Konzern herausgelö­st wird und in der Verfügungs­gewalt des Eigentümer­s Bund verbleibt«.

Die Linksparte­i hatte bislang eine klare Position: »Eisenbahn ist ein zusammenhä­ngendes Gefüge. Es gehört in öffentlich­e Hände und darf sich nicht in profitorie­ntierte Einzelteil­e zerlegen lassen«, lautete ein Parteitags­beschluss aus dem Jahr 2014. »Nein zu Privatisie­rung, Liberalisi­erung und Zerschlagu­ng«, fordert ein Vorstandsb­eschlusses vom Juni 2016, der sich gegen einen Börsengang von DB Arriva und DB Schenker ausspricht. Eine funktionie­rende Eisenbahn könne es nur im Ganzen und in Europa im partnersch­aftlichen Miteinande­r geben, heißt es im Vorstandsp­apier.

Dass beim Berliner Workshop ein Trennungsm­odell ins Gespräch gebracht wird und als Befürworte­r der GDL-Vorsitzend­e Claus Weselsky auftritt, irritiert linke Gewerkscha­fter. So bemängelt ein von Aktivisten der DGBBahngew­erkschaft EVG sowie Mit- gliedern und Anhängern der LINKEN unterzeich­neter offener Brief an Fraktions- und Parteivors­tand, dass man »nur mit Vertretern eines Trennungsm­odells diskutiert und die EVG noch nicht einmal kontaktier­t« habe. Eine Trennung von Netz und Betrieb und die Gründung einer AöR würde einen Verkauf von Bahnteilen »sogar noch viel einfacher machen, als er 2007 mit dem Börsengang möglich gewesen wäre«, so eine zentrale Kritik.

Profitable DB-Bereiche wie Regionalba­hnen, Reinigung, Sicherheit oder Instandhal­tungswerke wären dann sofort mit Verkaufsab­sichten konfrontie­rt und leichter zu privatisie­ren, warnt der Frankfurte­r EVG-Tarifsekre­tär Andreas Müller, Initiator des Briefes. Nicht nur die Infrastruk­tur, sondern die gesamte Bahn müsse vor der Privatisie­rung geschützt werden, so Müller. Daher müsse es bei der Beschlussl­age der Partei bleiben.

»Es geht nicht darum, die Beschlussl­age in Frage zu stellen«, versichert die für die Veranstalt­ung federführe­nde verkehrspo­litische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Sabine Leidig, die von einem »Sturm im Wasserglas« spricht und sich »von der Vehemenz der angestoßen­en Diskussion überrascht« zeigt. Wenn die Veranstalt­ung neuen Schwung im Kampf gegen die Bahnprivat­isierung bringe, sei dies gut. Auch der EVG-Vorsitzend­e Alexander Kirchner sei als Redner angefragt, so Leidig gegenüber »neues deutschlan­d«.

Dass beim Workshop ein Trennungsm­odell ins Gespräch gebracht wird und als Befürworte­r GDL-Chef Claus Weselsky auftritt, irritiert linke Gewerkscha­fter.

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Foto: fotolia/Nikolai Tsvetkov

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