IG Metall will Fairness ins Autohaus bringen
Nur 3000 der 16 400 Angestellten in Schleswig-Holsteins Kfz-Betrieben arbeiten tarifgebunden
Die IG Metall macht im Norden eine Kampagne, mit der sie die Arbeitsbedingungen in Autohäusern fairer machen will. 80 Betriebe wollen schon mitmachen. Fair Trade ist in. Mittlerweile gibt es fast jedes Produkt des alltäglichen Bedarfs auch in einer sozial nachhaltigen Version. Doch gibt es auch faire Autos? Ja. Zumindest hat die IG Metall hat am Donnerstag in Eckernförde eine Kampagne vorgestellt, die den Fairnessgedanken im Kfz-Handwerk stärken soll. Partner der Gewerkschaft sind Autohäuser, die sich zu guten Arbeitsbedingungen für ihre Angestellten verpflichten. Bedeuten diese doch größere Zufriedenheit und münden so in gesteigerter Motivation und Arbeitsbereitschaft.
Die Kampagne trägt den Namen »AutohausFair« und ist vom IG Metall-Bezirk Küste in Hamburg ins Leben gerufen worden, ehe sie nun auch in Schleswig-Holstein verstärkt Auf- merksamkeit wecken soll. Im Zeitalter zunehmend bewussteren Kaufund Verbraucherverhaltens möchte IG-Metall-Bezirksleiter Meinhard Geiken die Öffentlichkeit rund um Deutschlands liebstes Kind, das Auto, dafür sensibilisieren, dass in den Autohäusern und Kfz-Werkstätten faire Arbeitsbedingungen herrschen.
Drei Sachen sind Geiken besonders wichtig: Ein Betrieb soll möglichst ausbilden und damit Nachhaltigkeit unter Arbeitsplatzgesichtspunkten praktizieren, ferner soll ein Betriebsrat als Interessenvertretung der Beschäftigten existieren und schließlich legt der Gewerkschaftsfunktionär Wert auf eine Tarifvereinbarung samt tariflicher Bezahlung.
Die letzte Forderung kommt nicht von ungefähr: Seit 2000 ist die Kfz-Innung als Vertretung der Arbeitgeberseite im Kfz-Handwerk nicht mehr Mitglied der Tarifgemeinschaft. Seitdem bemüht sich die IG Metall im Norden um Haustarif- und Anerkennungstarifverträge. Dabei sieht der Autohaus-Verbund Nord-Ostsee Au- tomobile mit acht Standorten in Schleswig-Holstein und Hamburg den Pakt mit der Gewerkschaft nicht als Übel, sondern als etwas, das Planungssicherheit ermöglicht und auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis beruht. N-O-Automobile-Geschäftsführer Christian Splett-Henning hebt hervor, dass sein Unter- nehmen mit 472 Mitarbeitern auf die Zufriedenheit der Beschäftigten setzt, die mit Leistung zurückgezahlt werde. N-O Automobile gehört zu den 27 Betrieben in Schleswig-Holstein, die eine Tarifpartnerschaft mit der IG Metall pflegen. »Es ist ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe«, bekräftigt Gesamtbetriebsratschef Thorsten Kühl. Auch ihm geht es um vernünftige Standards im Kfz-Handwerk. Zum Glück sei die »Geiz-ist-geil-Mentalität« in Bezug auf Autos rückläufig.
Geiken freut sich, dass N-O Automobile auch für sich die Win-Win-Situation sieht und bei der Kampagne mitmacht. Alle Betriebe, die das gewerkschaftliche Bemühen unterstützen, sollen namentlich hervorgehoben werden. Inklusive Hamburg gibt es laut Geiken bereits 80 solcher Autohäuser. Mittelfristig hofft er, dass es eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag gibt. Und Splett-Henning ergänzt, dass sich Tarifverträge von vor zwei Jahrzehnten und heute unterscheiden, weil sie inzwischen viel flexibler gestaltet werden könnten.
Geiken kündigt an, dass die IG Metall Arbeitgeber anschreiben und um Prüfung bitten werde, ob es nicht vernünftiger sei, Kauf und Reparatur der jeweiligen Fahrzeugflotte in Autohäusern vorzunehmen, die sich dem Fairnesscredo verpflichten. Auch die Landesregierung in Kiel wolle er kon- taktieren. Er räumt ein, dass die IGMetall-Kampagne auch der Mitgliederwerbung dient. »Aber nur wo wir organisiert sind, können wir auch um Beschäftigteninteressen streiten«.
Laut Geiken hat Schleswig-Holstein rund 1000 Kfz-Betriebe. 3000 von 16 400 dort Beschäftigten arbeiten tarifgebunden. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Branche liege im nördlichsten Bundesland bei rund 30 Prozent. Nach Schleswig-Holstein soll die FairnessOffensive nach Mecklenburg-Vorpommern kommen.
Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes sieht die Aktion »gelassen«. Verbandsgeschäftsführer Jan-Nikolas Sonntag sagte dem »nd«, die Kfz-Unternehmer seien »tarifvertraglichen Regelungen gegenüber sehr offen«. Faire Arbeitsbedingungen mache man jedoch nicht am Bestehen eines Betriebsrates fest. In vielen kleineren Unternehmen sei er unnötig, weil es direkten Austausch zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten gebe und die Organisation zu aufwendig sei.
Die Kfz-Innung ist in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2000 nicht mehr Teil der Tarifgemeinschaft.