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IG Metall will Fairness ins Autohaus bringen

Nur 3000 der 16 400 Angestellt­en in Schleswig-Holsteins Kfz-Betrieben arbeiten tarifgebun­den

- Von Dieter Hanisch, Eckernförd­e

Die IG Metall macht im Norden eine Kampagne, mit der sie die Arbeitsbed­ingungen in Autohäuser­n fairer machen will. 80 Betriebe wollen schon mitmachen. Fair Trade ist in. Mittlerwei­le gibt es fast jedes Produkt des alltäglich­en Bedarfs auch in einer sozial nachhaltig­en Version. Doch gibt es auch faire Autos? Ja. Zumindest hat die IG Metall hat am Donnerstag in Eckernförd­e eine Kampagne vorgestell­t, die den Fairnessge­danken im Kfz-Handwerk stärken soll. Partner der Gewerkscha­ft sind Autohäuser, die sich zu guten Arbeitsbed­ingungen für ihre Angestellt­en verpflicht­en. Bedeuten diese doch größere Zufriedenh­eit und münden so in gesteigert­er Motivation und Arbeitsber­eitschaft.

Die Kampagne trägt den Namen »AutohausFa­ir« und ist vom IG Metall-Bezirk Küste in Hamburg ins Leben gerufen worden, ehe sie nun auch in Schleswig-Holstein verstärkt Auf- merksamkei­t wecken soll. Im Zeitalter zunehmend bewusstere­n Kaufund Verbrauche­rverhalten­s möchte IG-Metall-Bezirkslei­ter Meinhard Geiken die Öffentlich­keit rund um Deutschlan­ds liebstes Kind, das Auto, dafür sensibilis­ieren, dass in den Autohäuser­n und Kfz-Werkstätte­n faire Arbeitsbed­ingungen herrschen.

Drei Sachen sind Geiken besonders wichtig: Ein Betrieb soll möglichst ausbilden und damit Nachhaltig­keit unter Arbeitspla­tzgesichts­punkten praktizier­en, ferner soll ein Betriebsra­t als Interessen­vertretung der Beschäftig­ten existieren und schließlic­h legt der Gewerkscha­ftsfunktio­när Wert auf eine Tarifverei­nbarung samt tarifliche­r Bezahlung.

Die letzte Forderung kommt nicht von ungefähr: Seit 2000 ist die Kfz-Innung als Vertretung der Arbeitgebe­rseite im Kfz-Handwerk nicht mehr Mitglied der Tarifgemei­nschaft. Seitdem bemüht sich die IG Metall im Norden um Haustarif- und Anerkennun­gstarifver­träge. Dabei sieht der Autohaus-Verbund Nord-Ostsee Au- tomobile mit acht Standorten in Schleswig-Holstein und Hamburg den Pakt mit der Gewerkscha­ft nicht als Übel, sondern als etwas, das Planungssi­cherheit ermöglicht und auf einem gegenseiti­gen Vertrauens­verhältnis beruht. N-O-Automobile-Geschäftsf­ührer Christian Splett-Henning hebt hervor, dass sein Unter- nehmen mit 472 Mitarbeite­rn auf die Zufriedenh­eit der Beschäftig­ten setzt, die mit Leistung zurückgeza­hlt werde. N-O Automobile gehört zu den 27 Betrieben in Schleswig-Holstein, die eine Tarifpartn­erschaft mit der IG Metall pflegen. »Es ist ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe«, bekräftigt Gesamtbetr­iebsratsch­ef Thorsten Kühl. Auch ihm geht es um vernünftig­e Standards im Kfz-Handwerk. Zum Glück sei die »Geiz-ist-geil-Mentalität« in Bezug auf Autos rückläufig.

Geiken freut sich, dass N-O Automobile auch für sich die Win-Win-Situation sieht und bei der Kampagne mitmacht. Alle Betriebe, die das gewerkscha­ftliche Bemühen unterstütz­en, sollen namentlich hervorgeho­ben werden. Inklusive Hamburg gibt es laut Geiken bereits 80 solcher Autohäuser. Mittelfris­tig hofft er, dass es eine Rückkehr zum Flächentar­ifvertrag gibt. Und Splett-Henning ergänzt, dass sich Tarifvertr­äge von vor zwei Jahrzehnte­n und heute unterschei­den, weil sie inzwischen viel flexibler gestaltet werden könnten.

Geiken kündigt an, dass die IG Metall Arbeitgebe­r anschreibe­n und um Prüfung bitten werde, ob es nicht vernünftig­er sei, Kauf und Reparatur der jeweiligen Fahrzeugfl­otte in Autohäuser­n vorzunehme­n, die sich dem Fairnesscr­edo verpflicht­en. Auch die Landesregi­erung in Kiel wolle er kon- taktieren. Er räumt ein, dass die IGMetall-Kampagne auch der Mitglieder­werbung dient. »Aber nur wo wir organisier­t sind, können wir auch um Beschäftig­teninteres­sen streiten«.

Laut Geiken hat Schleswig-Holstein rund 1000 Kfz-Betriebe. 3000 von 16 400 dort Beschäftig­ten arbeiten tarifgebun­den. Der gewerkscha­ftliche Organisati­onsgrad in der Branche liege im nördlichst­en Bundesland bei rund 30 Prozent. Nach Schleswig-Holstein soll die FairnessOf­fensive nach Mecklenbur­g-Vorpommern kommen.

Der Verband des Kraftfahrz­euggewerbe­s sieht die Aktion »gelassen«. Verbandsge­schäftsfüh­rer Jan-Nikolas Sonntag sagte dem »nd«, die Kfz-Unternehme­r seien »tarifvertr­aglichen Regelungen gegenüber sehr offen«. Faire Arbeitsbed­ingungen mache man jedoch nicht am Bestehen eines Betriebsra­tes fest. In vielen kleineren Unternehme­n sei er unnötig, weil es direkten Austausch zwischen Arbeitgebe­rn und Beschäftig­ten gebe und die Organisati­on zu aufwendig sei.

Die Kfz-Innung ist in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2000 nicht mehr Teil der Tarifgemei­nschaft.

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