Neu im Block
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst gewinnen Gold im Beachvolleyball – als erste Olympiasiegerinnen aus Europa
Brasilianerinnen und US-Amerikanerinnen hatten bis 2016 die Medaillen im Beachvolleyball untereinander verteilt. Nun sind Laura Ludwig und Kira Walkenhorst die ersten Olympiasieger aus Europa. Was war das doch für eine Kulisse für einen Olympiasieg: Steil schwang sich die Stahlgerüstkonstruktion des olympische Beachvolleyballstadions in kühne Höhen am Strand von Copacabana. 12 000 Menschen fasst die provisorische Arena, in der am Mittwochabend um kurz vor Mitternacht kein einziger freier Platz mehr zu erkennen war. Ein Tempel des Beachvolleyballs, errichtet in der Heimat des Beachvolleyballs, an einem Strand, dessen Dichte an Sandspielfeldern wohl nirgendwo in der Welt übertroffen wird.
An der schwarz-weiß gepflasterten Promenade hatten es sich Tausende Feierwillige vor den Großbildleinwänden bequem gemacht, als Laura Ludwig und Kira Walkenhorst gegen Agatha und Barbara antraten. Das olympische Finale im Beachvolleyball und zugleich das Duell Deutschland gegen Brasilien ist seit dem 1:7 bei der Fußball-WM 2014 ja eine Ansetzung von ganz besonderer Rivalität. »Lasst uns beweisen, dass Fußball und Beachvolleyball Brasilien gehören«, hatte Brasiliens Fußball-Legende Pelé vor den bevorstehenden Endspielen in den beiden Sportarten gefordert.
Beim Showdown um Mitternacht, hatten sich 12 000 Menschen auf den Traversen verteilt, eine Wand aus gelben Brasil-Trikots. Sie brüllten sich die Kehle aus dem Leib, schon bevor es losging. »Brasil, Brasil!« ertönte es, und der Stadion-DJ mühte sich, allerlei Hits mit dem Wort »Block« anzuspielen, vom Monster-MonsterMonsterblock bis zum Gangster-Rap aus dem märkischen Viertel, als Sidos »Mein Block« gesampelt wurde.
Als die beiden Deutschen schließlich einliefen, waren sie allerdings weniger davon geschockt, als vielmehr vom Wind. Vom Atlantik war eine steife Brise aufgekommen und die beiden Frauen hatten plötzlich die falsche Seite erwischt. Die Spielrichtung, bei der Windstille zuvor als unbedenklich angenommen, wurde plötzlich zum Standortnachteil. Doch die beiden Profispielerinnen wollten sich zu diesem Zeitpunkt von nichts mehr aufhalten lassen auf dem Weg zu Gold: »Als der Sturm kam, dachte ich: Fuck it, jetzt machen wir unseren eigenen Sturm!« so beschrieb es Laura Ludwig später.
Die 30-jährige Berlinerin wuchs an diesem Abend über sich hinaus: Immer wieder pritschte und schaufelte sie den Ball selbst aus schwierigster Lage übers Netz oder zu ihrer schlagstarken Kollegin Walkenhorst. Wenn nötig spielte sie schlaue Bälle in den freien Raum, ihr Aufschlagspiel blieb ebenso unberechenbar wie konstant, während Kira Walkenhorst die Brasilianerinnen mit ihren Blockaktionen zur Verzweiflung trieb: Sieben Blöcke sollten der Hamburgerin an diesem Abend gelingen.
Der Stadionsprecher gab sich Mühe, die Fans anzupeitschen, die Brasilianer pfiffen die Deutschen bei den Aufschlägen aus, am Ende half es alles nicht: Dieses Mitternachtsmatch fand viel schneller ein Ende, als es sich die Zuschauer erhofft hatten. Nach nur 22 Minuten hatten die Deutschen schon den ersten Satz gewonnen, 21:18, die erste Ernüchterung. 20 Minuten später schließlich war die Sache gelaufen: 20:13, sieben Matchbälle für die Weltranglistenersten aus Deutschland. Und schon der zweite führt zu Gold, als die Brasilianerin Barbara ihren Aufschlag ins Seitenaus befördert. Laura Ludwig und Kira Walkenhorst lagen sich in den Armen. Glückstränen im Sand.
Vier Jahre nachdem Julius Brink und Jonas Reckermann in London Gold gewannen, hatte sich ein deutsches Frauenteam den Olympiasieg gesichert. »Umso größer der Druck wurde, desto besser haben wir gespielt«, befand die 25-jährige Walkenhorst, deren Verhältnis zu ihrer Mitspielerin eher professionell ist. »Es waren einfach vier Jahre, in denen ha- ben wir super hart gearbeitet. Wir haben auch Tiefs gehabt. Aber wir sind als Team immer wieder zusammengewachsen. Dass wir nun wirklich zum Schluss ganz oben stehen, ist unglaublich und noch unwirklich«, freute sich ihre Kollegin Ludwig.
Zur Siegerehrung schließlich hatte sich der Beachvolleyballtempel um mehr als die Hälfte der Fans geleert. Die Brasilianerinnen schafften es zumindest auf dem Podest, die Tränen der Enttäuschung zu stoppen, als Agatha lachend ihre Silbermedaille küsste und die schluchzende Barbara umarmte. »Wir haben Silber, sie waren besser, also was soll’s?« sagte sie später.