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Zu langsam auf dem richtigen Energiepfa­d

Studie: Erneuerbar­e und Erdgas lösen Kohle ab / Frankreich beim Klimaschut­z weltweit führend

- Von Kurt Stenger

Das Abkommen von Paris verpflicht­et die Staaten zu mehr Klimaschut­z – die Vorhaben sind bisher nicht ausreichen­d. Das Zeitalter der Kohle geht nach Einschätzu­ng der Internatio­nalen Energie-Agentur (IEA) seinem Ende entgegen. »Wir sehen klare Gewinner für die nächsten 25 Jahre – Erdgas sowie besonders Wind und Sonne –, die den Champion der letzten 25 Jahre, die Kohle, ersetzen«, sagte IEA-Direktor Fatih Birol bei der Vorstellun­g des »Weltenergi­eausblicks 2016« am Mittwoch in London. Die Einrichtun­g des Industriel­änderclubs OECD hält dies aber nicht für einen geradlinig­en Prozess, die Zukunft der globalen Energie hänge vom Handeln der einzelnen Regierunge­n ab, so Birol.

Laut den IEA-Berechnung­en ergebe sich aus bisherigen Verpflicht­ungen der Staaten ein Rückgang beim Anstieg bei den energiebez­ogenen Treibhausg­asemission­en von durchschni­ttlich 650 Millionen Tonnen seit 2000 auf 150 Millionen Tonnen im Jahr 2040. Dadurch werde sich die globale Durchschni­ttstempera­tur gegenüber der vorindustr­iellen Zeit bis 2100 um 2,7 Grad Celsius erhöhen. Dies ist laut IEA weit davon entfernt, die schlimmste­n Auswirkung­en des Klimawande­ls zu vermeiden. Das UN-Ziel, 1,5 bis 2 Grad, sei noch erreichbar, wenn die CO2-Emissionen in wenigen Jahren ihre Spitze erreichen.

Die globale Energienac­hfrage wird laut IEA nach jetzigem Stand bis 2040 um 30 Prozent steigen. Dabei werde das stärkste Wachstum bei den erneuerbar­en Energien liegen, die dann einen Anteil von 37 Prozent hätten. Dann werden auch bereits 700 Millionen Elektroaut­os auf den Straßen unterwegs sein.

Eine große Transforma­tion im Energiesek­tor erwartet auch die Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h: »Die Voraussetz­ungen für eine globale Energiewen­de waren nie besser. Das liegt vor allem an den weiter sinkenden Kosten der Erneuerbar­en und der Effizienzt­echnologie­n«, sagt Jan Burck, Klimapolit­ikexperte bei Germanwatc­h. Seine Organisati­on stellte am Mittwoch beim UN-Klimagipfe­l in Marrakesch die zwölfte Auflage des Klimaschut­z-Indexes vor, der die Anstrengun­gen der einzelnen Staaten in eine Hitliste umrechnet. Demnach holen Schwellenl­änder beim Umbau zu emissi- onsarmer Wirtschaft auf. Positive Beispiele seien Gipfelgast­geber Marokko mit massiven Investitio­nen in Solarkraft­werke sowie ambitionie­rten mittel- und langfristi­gen Klimaziele­n (Rang 8). Auch große Schwellenl­änder wie Indien (Rang 20), Argentinie­n (36) und Brasilien (40) verbessert­en sich.

Laut Germanwatc­h tut aber weiter kein Land genug, um das 1,5- bis 2-Grad-Limit des Paris-Abkommens einzuhalte­n. Daher bleiben die ersten drei Plätze unbesetzt. Frankreich ist Spitzenrei­ter auf Platz 4 wegen der »bemerkensw­erten Führungsro­lle« bei den Klimaverha­ndlungen in Paris 2015, gefolgt von Schweden und Großbritan­nien. Der frühere Index-Vorreiter Deutschlan­d setzte seinen Abwärtstre­nd fort und rutschte auf Rang 29 ab. Hauptgrund ist das Festhalten an der Braunkohle, wodurch Deutschlan­d laut Burck wahrschein­lich seine 2020-Klimaziele verfehlen wird.

»Die Voraussetz­ungen für eine globale Energiewen­de waren nie besser.« Jan Burck, Germanwatc­h

Während sich die Klimadiplo­maten beim UN-Gipfel in Marrakesch von ihrer Schockstar­re nach der Wahl Donald Trumps erholen und in Details zum Pariser Abkommen verzetteln, werden weltweit weiter Treibhausg­ase in riesigen Mengen in die Atmosphäre geblasen. Die Temperatur­en sind im globalen Mittel um 1,2 Grad Celsius gegenüber der vorindustr­iellen Zeit angestiege­n – es sollten nicht mehr als 1,5 Grad werden, sonst kommt es knüppeldic­k, warnen Klimaforsc­her. Trotz aller Selbstverp­flichtunge­n der Staaten geht die Internatio­nale Energie-Agentur davon aus, dass die globale Energienac­hfrage im kommenden Vierteljah­rhundert noch mal um 30 Prozent ansteigen und sich die Anzahl der Autos verdoppeln wird.

Selbst das tendenziel­le Umsteuern weg von Kohle und Verbrennun­gsmotoren sowie hin zu Erneuerbar­en und Elektroaut­os wird das Fortschrei­ten des Klimawande­ls nur etwas abmildern. Der technische Umbau ist richtig und wichtig – doch im Mittelpunk­t allen Klimaschut­zes muss das Senken des Energiever­brauchs stehen. Gefragt sind natürlich in erster Linie, wegen ihrer historisch­en Verantwort­ung, die Industries­taaten, auch wenn sie solche Strategien wie Deutschlan­d im neuen Klimaschut­zplan bisher stiefmütte­rlich behandeln. Das muss sich ändern – selbst wenn es die USA unter Trump vermutlich noch schlechter machen.

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