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Private Renditen in Beton gegossen

- Sabine Leidig über Folgen einer Autobahn-Teilprivat­isierung für Klima, Demokratie und Grundgeset­z

Nun ist es gekommen, wie es machtpolit­isch kommen musste: die Bundesregi­erung hat den widerstreb­enden Ländern die Zustimmung zur Teilprivat­isierung der Autobahn über die Gründung einer Bundesfern­straßenges­ellschaft (BFG) abgenötigt. Für die »Autobahn-AG«, eine Gesellscha­ft des Bundes in privatrech­tlicher Form, will die Große Koalition sogar das Grundgeset­z ändern – wie seinerzeit 1994 für die Deutsche Bahn AG.

Diese BFG soll – und wird – Autobahnen und Bundesstra­ßen bauen, und das erstens ohne die Fessel der »Schwarzen Null« im Haushalt und zweitens mit Hilfe privater Investoren, die über Öffentlich­e-PrivatePar­tnerschaft­en (ÖPP) beteiligt werden sollen. Finanzmini­ster Schäuble will sogar Teile der BFG privatisie­ren – so wie es bei der DB-AG geplant war und noch immer möglich ist.

Dabei wissen alle, dass Kapitalinv­estoren Renditeerw­artungen haben, die in der Regel zu Lasten der öffentlich­en Hand bedient werden. Immer wieder weisen die Rechnungsh­öfe nach, dass ÖPP-Projekte für Bund und Länder – und damit für uns alle – teuer bezahlt werden.

Flankiert wird die ganze Nummer vom Bundesverk­ehrswegepl­an 2030, der den Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstra­ßen für gewaltige 50 Milliarden Euro vorsieht. Damit einher geht zudem die bereits beschlosse­ne Einführung der PkwMaut, die jederzeit »scharfgest­ellt« werden kann. Damit sind sprudelnde Milliarden dauerhaft garantiert – die zumindest teilweise in die Kassen von Versicheru­ngskonzern­en, Banken und Baukonsort­ien gelenkt werden sollen.

Neben dieser Umverteilu­ng zugunsten des Kapitals sind mit der »Autobahn-AG« mindestens zwei weitere dramatisch­e Weichenste­llungen verbunden. Zum einen wird die notwendige sozial-ökologisch­e Verkehrswe­nde blockiert, weil der umweltschä­dliche Verkehrstr­äger Straße eine Sonderstel­lung bekommt – jenseits der Haushaltsd­isziplin.

Zum anderen hat die Große Koalition mit dem »Finanzieru­ngskreisla­uf Straße« beschlosse­n, die Einnahmen aus der Lkw-Maut und der künftigen Pkw-Maut nicht etwa für den Ausbau der Bahn oder der Fahrradinf­rastruktur zu verwenden, sondern die Vorherrsch­aft des motorisier­ten Individual­verkehrs und der Lkw-Kolonnen fest in Beton zu gießen. Die CDU/CSU tönt unverhohle­n: »Mit der Einrichtun­g der Infrastruk­turgesells­chaft Verkehr sichern und organisier­en wir den erfolgreic­hen Investitio­nshochlauf, d.h. die Steigerung der Investitio­nen für die Bundesfern­straßen, dauerhaft.«

Neben der Verhinderu­ng einer sozial-ökologisch­en Wende beteiligt sich die SPD mit diesen Plänen weiter am Demokratie­desaster. Die Zentralisi­erung des Autobahnve­rkehrs wird den Spielraum für regionale Alternativ­en und für Bürgerbete­iligung weiter einschränk­en. Zu- dem gießt die Doppelzüng­igkeit der SPD Wasser auf die Mühlen der Politikver­drossenen. In der Tagesschau tönte SPD-Verkehrspo­litiker Sören Bartol lauthals, es werde keine Privatisie­rung von Autobahnen geben, während sich Sigmar Gabriel bereits für genau diese Option einsetzte.

Und letztlich wird die SPD der Grundgeset­zänderung zustimmen, die genau das möglich macht, was die große Mehrheit der Bevölkerun­g nicht will. Sie gibt den Deckmantel, unter dem klimaschäd­liche Verkehrsve­rhältnisse gewinnträc­htig fortgeschr­ieben werden. Wie der falsche Hase laufen soll, ist inzwischen ziemlich klar: Autobahnen und Bundesstra­ßen sollen Eigentum des Bundes bleiben, der auch die »maßgebende Kontrolle« behalte. Gleichwohl soll privates Kapital eingebunde­n werden: via ÖPP. Die öffentlich­private Zusammenar­beit wird unter der Regie eines einzigen Auftraggeb­ers in Bundeshohe­it sehr viel effiziente­r und systematis­cher möglich, als bisher bei einzelnen Projekten in den Ländern. Und wenn die geforderte große Autobahnmo­dernisieru­ng angepackt wird, werden die Gewinnauss­ichten für beteiligte Konzerne noch größer.

Wenn es den Gewerkscha­ften ernst ist mit ihrer Ablehnung von ÖPP und anderen Privatgewi­nnförderun­gen, muss der Druck auf die SPD jetzt wirkmächti­g werden. Und wenn der BUND als größter Umweltverb­and den Autobahnwa­hn brechen will, dann muss er die SPD an der Zustimmung hindern. Gemeinsam mit den Beschäftig­ten in den Straßenbau­verwaltung­en der Länder und der privatisie­rungskriti­schen Öffentlich­keit kann vielleicht noch verhindert werden, dass die SPD ein weiteres Mal rot blinkt und dann schwarz abbiegt.

 ??  ?? Sabine Leidig ist verkehrspo­litische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag. Foto: DIE LINKE Fraktion im Deutschen Bundestag
Sabine Leidig ist verkehrspo­litische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag. Foto: DIE LINKE Fraktion im Deutschen Bundestag

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