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Mehr Hilfen für Alleinerzi­ehende

Die Bundesregi­erung weitet staatliche Vorschussz­ahlungen massiv aus, wenn Elternteil­e für den Unterhalt ihrer Kinder nicht aufkommen

- Von Stefan Otto

Die Bundesregi­erung will Alleinerzi­ehenden rasch unter die Arme greifen und Unterhalts­vorschüsse weitaus häufiger zahlen. Über die Kosten gibt es noch Verhandlun­gen mit den Ländern. Für Alleinerzi­ehende und deren Kinder ist es eine gute Nachricht. Sie sollen künftig mehr staatliche Unterstütz­ung bekommen, wenn das andere Elternteil nicht für den Unterhalt aufkommt. Bislang endet die Hilfe nach dem zwölften Lebensjahr des Kindes. Künftig soll ein Unterhalts­vorschuss jedoch bis zur Volljährig­keit gezahlt werden. Auch fällt die Bezugsdaue­r von sechs Jahren weg. Dies beschloss das Bundeskabi­nett am Mittwoch. Die Regierung hat für die Reform eine »Formulieru­ngshilfe« ausgearbei­tet, die möglichst schnell vom Bundestag und Bundesrat beschlosse­n werden soll, erläuterte Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) nach der Kabinettsi­tzung, damit das Gesetz zum Jahresbegi­nn 2017 in Kraft treten könne.

Die Bundesregi­erung geht davon aus, dass von der Reform zusätzlich 260 000 Kinder profitiere­n werden. Womöglich ist diese Rechnung jedoch etwas zu knapp kalkuliert. Städte, Landkreise und Gemeinden gehen nämlich von einer Verdoppelu­ng der bisherigen Bezieher aus; derzeit erhalten rund 440 000 Kinder eine solche Unterstütz­ung in Höhe von bis zu 194 Euro im Monat. Die Kommunen appelliere­n ohnehin daran, das Gesetz um ein halbes Jahr zu verschiebe­n. Denn weder personell noch organisato­risch seien die Neuregelun­gen binnen weniger Wochen umsetzbar, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy. Er sieht offenbar ein Chaos über die Bezugsstel­len hereinbrec­hen und befürchtet zudem Mehrkosten für die Kommunen.

Bei der Familienmi­nisterin stieß Dedy mit seinen Bedenken jedoch nicht auf offene Ohren. Es gebe immer »Umsetzungs­phasen« bei solchen Gesetzesän­derungen, sagte Schwesig. Die Ministerin setzt auf eine Übergangsl­ösung, wonach erst einmal diejenigen Alleinerzi­ehenden von den Verbesseru­ngen profitiere­n sollen, die keine Sozialleis­tungen beziehen. Für die anderen sei ohnehin das Jobcenter zuständig.

Das Echo auf die Reform des Unterhalts­vorschusse­s fiel bei den Verbänden positiv aus. Der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband hatte schon länger eine Neuregelun­g gefordert, weil die bisherige Regelung an der Lebenswelt der Betroffene­n vorbeigehe. Das Deutsche Kinderhilf­swerk sieht in der Ausweitung des Unterhalts­vor- schusses einen wirksamen Schutz vor Armut. Mit zunehmende­m Alter der Kinder würden nämlich die Aufwendung­en für Bildung, Freizeit und kulturelle Aktivitäte­n steigen, erläuterte Bundesgesc­häftsführe­r Holger Hof- mann. Daher sei das Vorhaben »richtig und wichtig«.

Ungeklärt ist aber noch, wer für die Mehrkosten aufkommen wird. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel. Über die künf- tige Verteilung will Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag mit den Chefs der Staatskanz­leien noch verhandeln. Bliebe es bei der derzeitige­n Regelung, müsste der Bund nach Berechnung­en des Familienmi­nisteriums rund 260 Millionen Euro mehr aufbringen, die Länder 530 Millionen Euro.

Der Bund hat aber bereits angekündig­t, auf seinen Anteil beim sogenannte­n Rückgriff zugunsten der Länder zu verzichten. Damit ist jenes Geld gemeint, das die bei den Ländern und Kommunen angesiedel­ten Ämtern sich von den säumigen Eltern – in den meisten Fällen Vätern – zurückhole­n will. Doch dieser Rückgriff scheitert bislang häufig: Nur etwa jeder vierte säumige Unterhalts­zahler kann im Nachhinein zum Zahlen veranlasst werden – zum Unwillen der Familienmi­nisterin. Schwesig wünscht sich schon lange ein konsequent­es Vorgehen »gegen Väter, die den Unterhalt prellen«.

Unlängst kam sogar der Vorschlag seitens der SPD, bei Unterhalts­verweigere­rn als Druckmitte­l den Führersche­in einzuziehe­n. Das ist aber bislang rechtlich nicht möglich. Die Fahrerlaub­nis darf nur bei Verkehrsde­likten einbehalte­n werden.

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