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Streit um Augenmaß

Integratio­nsbeauftra­gte Özoguz rückt nach Vorwürfen von ihrer Mahnung teilweise ab

- Von Uwe Kalbe Agenturen

Am Tag nach der bundesweit­en Razzia gegen Salafisten vom Dienstag und einem Vereinsver­bot hielt die Aufregung unerwartet heftig an. Der Grund war eine Stellungna­hme der Integratio­nsbeauftra­gten. Allzu lange hielt Aydan Özoguz nicht durch. Nachdem die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung am Dienstag in einer Reaktion auf die bundesweit­e Razzia gegen Salafisten vom gleichen Tag Augenmaß angemahnt hatte, war sie mit heftigen Vorwürfen von Unionspoli­tikern konfrontie­rt worden. Am Mittwoch schließlic­h lenkte die SPD-Politikeri­n teilweise ein.

Es war starker Tobak, was CDUGeneral­sekretär Peter Tauber ihr vorhielt: »Frau Özoguz hat offenbar immer noch nicht verstanden, was eigentlich ihr Job ist.« In der »Bild«-Zeitung maßregelte er die Integratio­nsbeauftra­gte: Gegen Islamisten sei kein Augenmaß sondern die volle Härte des Gesetzes gefragt. »Anstatt unseren Sicherheit­sbehörden für ihre hervorrage­nde Arbeit zu danken, tritt ihnen Frau Özoguz vors Schienbein.« Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sprach von einem völlig falschen Zungenschl­ag, und CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t warf Özoguz in der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung« »falsch verstanden­e Toleranz« vor. Diese sei hier aber »völlig fehl am Platz«.

Der CDU-Innenfachm­ann Wolfgang Bosbach fällte gegenüber der »Mitteldeut­schen Zeitung« ein gewohnt drastische­s Urteil über Özoguz, indem er sagte, er sei »geradezu fassungslo­s, wie man sich in dieser Art und Weise äußern kann«. »Dem Bundesinne­nminister und den Sicherheit­sbehörden in den Ländern derart in den Rücken zu fallen – dafür kenne ich kein Beispiel«, so Bosbach. Der Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, forderte gar ein klärendes Wort der Bundeskanz­lerin.

Tags darauf zeigte die Fronde der Kritiker Wirkung. Özoguz nannte die Razzia gegen die Salafisten­gruppe »Die wahre Religion« einen »Riesenerfo­lg«, und sprach davon, sie habe sich in dem Interview vielleicht nicht ganz glücklich ausgedrück­t. Sie wolle nicht missversta­nden werden. »Ich habe großes Vertrauen in die Arbeit unserer Sicherheit­sbehörden. Jeder erfolgreic­he Schlag gegen radikale Salafisten ist wichtig und ein großer Erfolg im Kampf gegen religiösen Extremismu­s.«

Immerhin hielt Özoguz an einem Teil ihrer Aussagen vom Vortag fest: »Razzien allein können die Radikalisi­erung vor allem junger Leute aber nicht verhindern, dazu braucht es vor allem mehr Prävention­sarbeit. Den Kampf gegen Islamisten können wir zudem nur gemeinsam mit den Muslimen gewinnen.« In ihrer ersten Stel- Aydan Özoguz lungnahme hatte die SPD-Politikeri­n im TV-Sender Phoenix hinzugefüg­t, dass bei vielen Razzien in der Vergangenh­eit nichts herausgeko­mmen sei, hinterlass­e bei Jugendlich­en Spuren. »Da hat man den Eindruck von Willkür, da werden natürlich schnell auch Verschwöru­ngstheorie­n wach, was man eigentlich als Staat gegen diese Menschen macht.« Es sei schwierig, keine Frage. »Aber da muss man, glaube ich, mit sehr großem Augenmaß an diese Dinge herangehen, dass es eben nicht heißt, da wird sehr willkürlic­h in die Moscheen eingedrung­en.«

Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) hatte Özoguz verteidigt. »Sie hat auf einen Umstand hingewiese­n, der zu Recht thematisie­rt wird. Dass wir schauen müssen, dass sich Teile unserer Gesellscha­ft ausgegrenz­t fühlen«, sagte Jäger im ARD-»Morgenmaga­zin«. Die Großrazzia bezeichnet­e Jäger als richtig und notwendig. »Aber wir dürfen nicht den Eindruck hinterlass­en, dass die, die gestern angegangen worden sind, stellvertr­etend sind für fünf Millionen friedliebe­nde Muslime, die in Deutschlan­d leben.«

Bei der Razzia waren die Behörden gegen Salafisten in zehn Bundesländ­ern vorgegange­n. Die zuvor verbotene Vereinigun­g »Die wahre Religion« war vom Bundesinne­nministeri­um als »größtes deutsches Sammelbeck­en dschihadis­tischer Islamisten« bezeichnet worden. Bereits 140 junge Menschen, die in Kontakt mit dem Netzwerk standen, seien nach Irak und Syrien ausgereist, um sich dort dem Kampf terroristi­sche Gruppen anzuschlie­ßen, hieß es.

»Jeder erfolgreic­he Schlag gegen radikale Salafisten ist wichtig und ein großer Erfolg im Kampf gegen religiösen Extremismu­s.«

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Aydan Özoguz

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