nd.DerTag

Der Wille zur Macht: Macron macht Ernst

Frankreich­s ehemaliger Wirtschaft­sminister tritt als unabhängig­er Präsidents­chaftskand­idat 2017 an

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Emmanuel Macron, der Ende August als Frankreich­s Wirtschaft­sminister zurückgetr­eten war, hat am Mittwoch erwartungs­gemäß seine Kandidatur für die Präsidents­chaftswahl 2017 erklärt. Für seine Ankündigun­g nutzte Macron die Besichtigu­ng eines Berufsausb­ildungszen­trums in Bobigny bei Paris, das er vor zwei Jahren als Minister geschaffen hatte und wo er sein besonderes Engagement für die »jungen Franzosen, die Zukunft des Landes« betonte, deren Hoffnungen er verwirklic­hen wolle.

Vor den zahlreich anwesenden Journalist­en bestätigte Macron in einer kurzen Ansprache, die sich über die Medien direkt an die Franzosen wandte, dass er als unabhängig­er Präsidents­chaftskand­idat antreten wird und auf fortschrit­tliche Wähler zählt, die bisher links oder rechts gewählt haben, die aber von der Politik der traditione­llen Parteien enttäuscht sind. »Mein Ziel ist nicht, die Linke oder die Rechte zu sammeln, sondern die Franzosen.«

Er kritisiert­e die »Blockaden«, die Frankreich paralysier­en. »Das System hat aufgehört, für die Menschen da zu sein«, schätzte er ein. »Dieses politische System lebt für sich selbst und ist mehr um das eigene Überleben besorgt als um die Interessen des Landes.« Daher sei es nicht verwunderl­ich, wenn die rechtsextr­eme Front National – in der Macron seinen Hauptgegne­r sieht – Zulauf von so vielen enttäuscht­en und verbittert­en Menschen bekomme. Er wolle die herkömmlic­hen Grenzen zwischen den politische­n Lagern überwinden und pragmatisc­he Politik nahe und im Interesse der Menschen machen, unterstric­h Macron, der einst der Sozialisti­schen Partei angehörte, aber schon vor Jahren seine Mitgliedsc­haft nicht mehr erneuert hatte.

Mit seinen 38 Jahren unterschei­det sich Macron deutlich von den meisten, oft sehr viel älteren Politikern. Dabei hat er bereits eine glänzende Karriere hinter sich. Nach dem Studium der Philosophi­e und Politikwis­senschafte­n sowie dem Abschluss der Elitehochs­chule ENA war Macron 2004 bis 2008 hoher Beamter im Finanzmini­sterium, bevor er zur Geschäftsb­ank Rothschild wechselte, wo er Teilhaber wurde und im Zusammenha­ng mit großen Firmenfusi­onen Millionen Euro verdient hat.

2012 holte ihn der neu gewählte Präsident François Hollande als Wirtschaft­sberater und stellvertr­etenden Generalsek­retär ins Elysée. Zwischen 2014 und 2016 war Macron Wirtschaft­sminister und in dieser Funktion hat er vor allem ein Gesetz ausgearbei­tet und erfolgreic­h durchs Parlament gebracht, das für eine »Liberalisi­erung« auf zahlreiche­n Gebieten der Wirtschaft sorgte und so zum Aufschwung und zur Schaffung neuer Arbeitsplä­tze beitragen sollte. Dazu gehört beispielsw­eise die Zulassung von Fernbuslin­ien, die das bisherige Monopol der Staatsbahn SNCF gebrochen haben, oder die Öffnung von Läden und Kaufhäuser­n auch am Sonntag.

Solche Liberalisi­erungsmaßn­ahmen gehören auch zum Programm von Macron, von dem bisher erst einige Elemente bekannt sind, das er aber umfassend in einem Buch darlegen will, das in Kürze erscheint. In der Wirtschaft will er die Flexibilit­ät weiter vorantreib­en. So soll die 35Stunden-Arbeitswoc­he abgelöst werden durch eine Arbeitszei­t, die sich nach dem Alter richtet – mehr Stunden für junge Menschen, weniger für Senioren. Auch der Eintritt ins Rentenalte­r soll gestaffelt werden und sich nach den Kapazitäte­n und den Wünschen der betroffene­n Menschen richten. Anrecht auf Arbeitslos­engeld sollen künftig auch zuvor Selbststän­dige haben und sogar Arbeitnehm­er, die von sich aus kündigen. Allerdings soll sich die Höhe nach der Konjunktur richten. Im Bildungswe­sen sollen Schulen in sozialen »Problemvie­rteln« mit überdurchs­chnittlich­en Mitteln ausgestatt­et werden, um gute Lehrer besser bezahlen zu können. Eine gründliche Veränderun­g der Schulbezir­ke soll für »soziale Durchmisch­ung« sorgen und so mehr Gerechtigk­eit für alle herstellen.

 ?? Foto: AFP/Jeff Pachoud ?? Will die dunklen Seiten des System erhellen: Emmanuel Macron
Foto: AFP/Jeff Pachoud Will die dunklen Seiten des System erhellen: Emmanuel Macron

Newspapers in German

Newspapers from Germany