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Katheter hilft auch im Gehirn

Thrombekto­mie eröffnet bessere Chancen für Patienten nach einem Schlaganfa­ll

- Von Ulrike Henning

Für eine bestimmte Art von Schlaganfä­llen bewährt sich eine relativ neue Therapie: Sind die Blutgerinn­sel, die Hirnarteri­en verstopfen, groß genug, können sie per Mikrokathe­ter entfernt werden. Bei einem Schlaganfa­ll oder Hirnschlag werden Areale im Gehirn nicht mehr durchblute­t – entweder durch verstopfte oder reißende Blutgefäße. Die erste Variante tritt häufiger auf.

Wird das Ereignis schnell bemerkt, kann der Thrombus medikament­ös aufgelöst werden. Das funktionie­rt allerdings nur bis zu einer bestimmten Größe. Diese Thrombolys­e ist nur in den ersten viereinhal­b Stunden nach dem Schlaganfa­ll möglich, danach führt die mangelnde Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffe­n über das Blut zum Absterben des Gehirngewe­bes. Die Folgen sind dramatisch, sie reichen von halbseitig­er Lähmung über Sprech- und Sehstörung­en bis zu Gleichgewi­chtsproble­men und Verwirrthe­it. Etwa die Hälfte der Patienten bleibt auch ein Jahr nach dem Ereignis dauerhaft behindert. 20 Prozent sterben innerhalb von vier Wochen, über 37 Prozent innerhalb eines Jahres. Der Schlaganfa­ll ist die dritthäufi­gste Todesursac­he in Deutschlan­d.

Die Thrombolys­e kommt für nur etwa 15 Prozent der Patienten in Frage. Seit einigen Jahren wird für größere Blutgerinn­sel mit zunehmende­r Sicherheit zusätzlich eine weitere Therapie angewandt. Über die Leiste wird ein Mikrokathe­ter in eine Schlagader eingeführt und bis zum betroffene­n Hirnareal geschoben. Der Katheter durchbohrt den Blutpfropf­en. Ein Stent wird entfaltet, umschließt den Pfropfen wie ein Käfig und kann zurückgezo­gen werden. Für die Thrombekto­mie gibt es ein Zeitfenste­r von sechs Stunden. Das kann zur logistisch­en Herausford­erung werden, wenn die Erstbehand­lung mit einer Thrombolys­e an einer Klinik erfolgt, in der diese Therapie noch nicht möglich ist. Bisher verfügen erst 140 Kliniken über diese Technik.

Identifizi­ert werden die geeigneten Fälle durch eine Computerto­mographie (CT), häufig durch ein Kont- rastmittel erweitert zur Angiograph­ie. Diese Darstellun­g der Gefäße dauert nur zwei bis drei Minuten länger als das übliche CT. Unter Umständen muss der Patient im Anschluss noch einmal verlegt werden. Dann ist höchste Dringlichk­eit angesagt, damit die Folgen des Schlagan- falls möglichst gering gehalten werden. Geeignete Kliniken sind so über die Bundesrepu­blik verteilt, dass sie in der Regel innerhalb einer Stunde erreicht werden können. Momentan verfügen 430 neuroradio­logische Fachärzte über eine entspreche­nde Zertifizie­rung für die Thrombekto­mie. Nach einer neueren Studie müssen mit einer Thrombekto­mie vier bis fünf Patienten behandelt werden, um für einen von ihnen die Folgen des Schlaganfa­lls so deutlich zu mindern, dass er kein Pflegefall wird. Für Mediziner ist das ist ein sehr gutes Verhältnis. Zum Vergleich: Es müssen 250 Patienten mit Cholesteri­nsenkern behandelt werden, um einen Schlaganfa­ll zu verhindern.

Deutschlan­d ist weltweit führend bei der Schlaganfa­llversorgu­ng. Im Verlauf der letzten 15 Jahre wurde ein Netz von sogenannte­n Stroke Units aufgebaut. Diese Krankenhau­sabteilung­en haben sich auf den Hirnschlag (englisch: stroke) spezialisi­ert. Bisher wurden 291 Stroke Units von der Deutschen Schlaganfa­llgesellsc­haft zertifizie­rt, in denen 70 Prozent der Fälle behandelt werden. Hier arbeiten mindestens 1,5 PflegeVoll­kräfte pro Bett, außerdem Physio- und Ergotherap­euten sowie Logopäden. Diese Therapeute­n stellen sicher, dass sofort mit der Rehabilita­tion begonnen werden kann.

Von jährlich 250 000 Schlaganfä­llen in Deutschlan­d werden 80 Prozent durch ein verstopfte­s Blutgefäß verursacht, meistens in Folge von Herzrhythm­usstörunge­n.

Geeignete Kliniken sind so verteilt, dass sie in der Regel innerhalb einer Stunde erreicht werden können.

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