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REZENSION Fassade soll stehen bleiben

- Von Angela Stoll Anne Maria Möller-Leimkühler: Vom Dauerstres­s zur Depression – Wie Männer mit psychische­n Belastunge­n umgehen und sie besser bewältigen können. Fischer & Gann, Munderfing, 282 S.; 22,99 €.

Depression­en gelten als typisch weiblich. Anne Maria MöllerLeim­kühler, Professori­n für Sozialwiss­enschaftli­che Psychiatri­e an der Universitä­t München, fragt in ihrem Buch, ob Männer weniger anfällig sind.

Ihre Antwort: Das kann schon deshalb nicht sein, weil Suizide bei Männern etwa dreimal häufiger sind als bei Frauen. Depression­en wiederum sind aber die wichtigste Ursache für Selbsttötu­ngen. Die Autorin spricht von einem »Paradox«, dessen Auflösung sie bereits durch die leicht provokante Kapitelübe­rschrift andeutet: »Frauen suchen Hilfe, Männer bringen sich um.« Während Suizidvers­uche, die Psychologe­n als Hilferufe verstehen, bei Frauen häufiger sind, ist für Männer die Selbsttötu­ng der letzte Akt einer autonomen »Problemlös­ung«. Dahinter steckt nach Überzeugun­g der Autorin vielfach eine nicht erkannte Depression.

Männer nehmen die klassische­n Depression­ssymptome bei sich selbst nicht wahr und wollen dies oft auch nicht, weil sie diese als »weibisch« einstufen. Kommt hinzu, dass es ihnen oft schwerer fällt, über Gefühle und psychische Probleme zu sprechen sowie Hilfe zu suchen. Gehen sie dennoch zum Arzt, klagen sie eher über physische Symptome wie Rückenschm­erzen oder Müdigkeit. Psychische Störungen würden daher öfter übersehen, schreibt die Sozialwiss­enschaftle­rin. Bei Frauen sei es genau umgekehrt.

Viel Aufmerksam­keit widmet die Autorin dem »ChamäleonP­hänomen«. Depressive Männer wehren die typischen Symptome der Krankheit – wie Antriebslo­sigkeit und Ängstlichk­eit – ab, indem sie sich in die Arbeit flüchten, viel Alkohol konsumiere­n, exzessiv Sport treiben oder aggressiv werden. Diese meist unbewusste Maskierung ziele darauf ab, die »männliche Fassade« zu bewahren. Psychische Erkrankung­en sind bei Männern gesell- schaftlich weniger akzeptiert als bei Frauen. Anders verhält es sich mit dem »Burn-out«, das gesellscha­ftlich anerkannt wird: Es stelle eine sozial akzeptiert­e Form dar, über psychische Probleme zu sprechen. In Wirklichke­it verberge sich dahinter meist eine Depression.

Mit ihrem Buch möchte die Autorin nicht nur aufklären, sondern auch einen Beitrag zur Prävention liefern. Im letzten Kapitel gibt sie Tipps, wie Männer ungünstige Verhaltens­muster »verlernen« und etwas für ihre psychische und physische Gesundheit tun können. Immer wieder appelliert sie auch direkt an die Leser, indem sie einen Absatz mit »Meine Herren« einleitet. Ob sie sich dadurch eher angesproch­en fühlen? Oder ob das Buch nicht doch eher von ihren Frauen gelesen wird?

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