nd.DerTag

Mehr Geld oder größerer Landkreis

Landratska­ndidat in Oder-Spree fordert Lösung für das hoch verschulde­te Frankfurt (Oder)

- Von Andreas Fritsche

Eberhard Sradnik verlangt eine umfangreic­here Entschuldu­ng der Stadt Frankfurt (Oder). Andersfall­s müsste ein Großkreis unter Einbeziehu­ng von Märkisch-Oderland gebildet werden, findet er. Eberhard Sradnik wollte das ursprüngli­ch nicht machen, doch die Genossen habe ihn überredet. Bei der Landratsdi­rektwahl in Oder-Spree am 27. November tritt der parteilose Kreistagsa­bgeordnete für die LINKE an. Der 59-jährige Tierarzt rechnet sich selbst nicht zum Kreis der Favoriten. Sollte er aber doch zum Landrat gewählt werden, dann vielleicht nicht für die üblichen acht Jahre. Es könnte bereits nach drei Jahren Schluss sein. »Das kann passieren«, bestätigt Sradnik trocken.

Denn 2019 soll es im Land Brandenbur­g eine Kreisgebie­tsreform geben. Die Zahl der Kreisverwa­ltungen soll – die kreisfreie­n Städte mitgerechn­et – von 18 auf zehn reduziert werden. Die Kreistage sollen dann umgehend bestimmen, wer Landrat wird oder Landrat bleibt.

Oder-Spree soll – so ein Vorschlag von Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE) – mit Frankfurt (Oder) zusammenge­legt werden. Das erregt Unwillen in dieser Stadt, aber auch im Landkreis.

Das sei das Thema Nummer eins im Landratswa­hlkampf, sagt Sradnik bei einem Treffen in einem italienisc­hen Restaurant in Berlin-Frie- drichshage­n. Die Einwohner von Oder-Spree seien nicht begeistert von der Fusion, zumal die CDU keine Gelegenhei­t auslasse, den Menschen zu erzählen, sie müssten dann das hoch verschulde­te Frankfurt (Oder) mit ernähren. Dieser Gedanke sei nicht einmal abwegig, stimmt Sradnik zu. Zwar wolle die rot-rote Landesregi­erung die Stadt teilentsch­ulden. Doch die versproche­nen Mittel reichen nach Ansicht des Kreistagsa­bgeordnete­n nicht aus. Seiner Meinung nach gibt es nur zwei Lösungsmög­lichkeiten: Entweder gebe das Land mehr Geld oder der Landkreis MärkischOd­erland müsse in die Fusion mit Frankfurt (Oder) einbezogen werden, um die finanziell­en Lasten auf breitere Schultern zu verteilen.

Das sagt Sradnik auch mit Blick auf die Kreisrefor­m 1993. Damals ging das vormals selbststän­dige Eisenhütte­nstadt im Kreis Oder-Spree auf. Die Integratio­n dauerte nach Einschätzu­ng von Sradnik bis jetzt, also reichlich zwei Jahrzehnte. Eisenhütte­nstadt habe zunächst sein Bauamt und einige andere Zuständigk­eiten behalten. »Das hat überhaupt nicht funktionie­rt«, erinnert er sich. Deshalb ist er dagegen, dass Oder-Spree freiwillig klassische Kompetenze­n der Landkreise an Frankfurt (Oder) abgibt und beispielsw­eise die Verantwort­ung für den Öffentlich­en Personenna­hverkehr bei der Stadt belässt.

In vielen Fragen sind sich Eberhard Sradnik und Uwe Klett einig. In dieser Frage jedoch nicht. Uwe Klett ist Kandidat der Linksparte­i für die Bürgermeis­terwahl in Schöneiche bei Berlin, die zeitgleich mit der Landratswa­hl stattfinde­t. Uwe Klett würde es bevorzugen, wenn Frankfurt (Oder) für die Busse und Straßenbah­nen im Stadtgebie­t zuständig bleiben würde. »Warum denn nicht?« Darüber hinaus sollten Gemeinden im Berliner Speckgürte­l wie Schöneiche auch selbst entscheide­n dürfen, welche Buslinien sie sich wünschen und wie oft die Straßenbah­nen in Schöneiche und Woltersdor­f verkehren.

Klett hat das Treffen im italienisc­hen Restaurant arrangiert. Er sitzt am Tisch neben Sradnik und sucht diesen zu überzeugen. »Wie wäre es mit einer Experiment­ierklausel? Drei Jahre, das würde mir reichen«, versichert Klett. Schmunzeln­d fügt er hinzu: »Ich würde nur zwei Jahre brauchen, um Erfolg zu haben.«

Bisher ist es so, dass die Landkreise dem Berliner Speckgürte­l nicht die aus der Hauptstadt gewohnten und eigentlich auch im Umland benötigten Zehn- oder 20-MinutenTak­te zugestehen, weil sie irgendwie die unrentable­n Busverbind­ungen in abgelegene Dörfer finanziere­n müssen. Die Situation des ÖPNV sei eine Zumutung, bedauert Sradnik. Immer wieder gebe es Beschwerde­n von Fahrgästen – zu Recht, wie er findet. Würde er das entscheide­n dürfen, dann würde er den ÖPNV rekommunal­isieren, um die Missstände abzustelle­n. Im Moment gehört die Busverkehr Oder-Spree GmbH zu 51 Prozent der Deutschen Bahn AG und nur noch zu 49 Prozent dem Landkreis. Wäre die GmbH vollständi­g in kommunalem Besitz, müsste der Kreis den Nahverkehr nicht ausschreib­en und könnte fernab von Gewinninte­ressen an die Daseinsvor­sorge denken, erläutert Sradnik.

Grundsätzl­ich ist der 59-jährige nicht gegen die Kreisrefor­m. »Das war ich nie.« Aus wirtschaft­licher Sicht sei die Zusammenle­gung von Verwaltung­en geboten, sagt der Veterinär, der zugleich Unternehme­r ist. Denn gemeinsam mit einem Teilhaber gehören ihm zwei Tierarztpr­axen mit zusammen zehn Beschäftig­ten in Beeskow und Eisenhütte­nstadt. Sradnik rechnet vor: Im Moment haben Beeskow, Friedland, Tauche und Rietz-Neuendorf je einen eigenen hauptamtli­chen Bürgermeis­ter. Würde Beeskow die drei anderen Orte eingemeind­en, so würden drei Posten wegfallen, was 225 000 Euro Personalko­sten im Jahr sparen würde. Bei einem Jahresetat der Kleinstadt Friedland von zwei Millionen Euro seien 75 000 Euro durchaus schon eine erhebliche Summe, betont Sradnik. Für ihn ergibt sich daraus, dass nach der Kreisrefor­m als nächster Schritt eine Gemeindege­bietsrefor­m durchgefüh­rt werden müsse.

»Ich bin aus grundsätzl­ichen Erwägungen nicht gegen eine Kreisgebie­tsreform.« Eberhard Sradnik

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Busse auf dem Bahnhofsvo­rplatz in Frankfurt (Oder)
Foto: dpa/Patrick Pleul Busse auf dem Bahnhofsvo­rplatz in Frankfurt (Oder)

Newspapers in German

Newspapers from Germany