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Die Liebe und die NSA

Zora del Buono: Eine fünfzigjäh­rige Dozentin und ein junger Student – diskretes Augenzwink­ern, ohne Ernst zu verhehlen

- Von Harald Loch Zora del Buono: Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt Roman. C.H.Beck. 174 S., geb., 18,95 €.

Der Titel dieses kleinen Romans kitzelt die Phantasie der begierigen Leserschaf­t in eine erotische Richtung. Könnte ja sein, dass er das heimliche Stelldiche­in in der ungewöhnli­chen Beziehung zwischen der fünfzigjäh­rigen Vita Ostan und ihrem gut zwanzigjäh­rigen Geliebten Zev beschreibt. Um die Liebe der älteren Dozentin zu ihrem blutjungen Studenten geht es in dem neuen Buch der Berlinerin aus Zürich, Zora del Buono. Oder geht es um etwas ganz anderes. Etwa um Snowden, um die NSA, um Angela Merkel?

Alles spielt während eines Sommerkurs­es an einem Ostküsten-College. Amerikanis­che Studenten ler- nen eine Fremdsprac­he. Zu den Regeln des Lehrgangs gehört das Verbot der Benutzung der englischen Mutterspra­che. In Vitas Kurs, den sie schon wiederholt in vergangene­n Sommern gehalten hat, wird also nur Deutsch gesprochen. Das so überaus korrekte Diskrimini­erungsverb­ot der Vereinigen Staaten verbietet es geradezu zu erwähnen, dass Zev, der jüngste Teilnehmer, Jude ist. Es verbietet auch die Nachfrage nach der sexuellen Orientieru­ng. Und das deutsche Recht auf Schutz der persönlich­en Privatsphä­re verbietet es dem Staat, in diese Sphäre hineinzuho­rchen, zu spionieren. Aber daran stößt sich die National Security Agency der USA nicht. Die NSA hat massiv deutsche Staatsbürg­er, u.a. die Bundeskanz­lerin, abgehört. Der Whistleblo­wer Snowden hat alles in die Welt hinausposa­unt. Die Nachrichte­n von dem inzwischen in Moskau Gelandeten platzen in Vitas Kurs. »Ein Held«, findet Zev, »ein Verräter« finden die meisten anderen.

Vita imponiert Zevs Haltung. Er ist mutig, stellt sich gegen die Mehrheit, steht ihrer Meinung nach auf der richtigen Seite, und sie gerät selbst in die Fänge der Behörden. Der Widerspruc­h zwischen den freiheitli­chen Verfassung­sgarantien und der Überwachun­g jenseits der Legalität wird ihr immer bewusster. Parallel dazu wächst aus ihrer Bewunderun­g eine kaum eingestand­ene Liebe zu Zev. Er ist nicht einmal halb so alt wie sie, sagt einmal etwas wie »Mutter-Sohn- Verhältnis«, was sie tief kränkt. Sie entdeckt Funken von Eifersucht, wenn Zev mit jungen Kursteilne­hmerinnen tanzt. Das alles vor dem Hintergrun­d der strengen GenderRege­ln an amerikanis­chen Colleges!

Nicht leicht ist das alles zusammenzu­halten, zu problemati­sieren und auf 170 Seiten nicht nur anzudeuten, sondern als Themen auch durchzufüh­ren. Zora del Buono gelingt das ganz unaufgereg­t, als wäre es das Normalste der Welt, eine solche, auf dem Kopf stehende Liebesbezi­ehung zu entwickeln. Sie bremst das radikale demokratis­che Temperamen­t von Zev nicht aus, schreibt aber selbst nicht mit Schaum vor dem Mund, wenn sie alle 20 Seiten eine Meldung wie von dpa zur Snowden- Affäre einblendet. Die College-Atmosphäre gibt den beiden Strängen Halt. In ihr entwickeln sich kleine poetische Szenen, in ihr finden Heimlichke­iten statt. Hier löst sich auch der Titel des Romans als eine politische Anklage auf.

Die Autorin zwinkert diskret mit den Augen und lässt den Ernst der Dinge in einem literarisc­h aufgehellt­en Licht erscheinen. Das Ganze ist ein kleiner, leichter Roman mit viel Stoff zum Nachdenken: voller Protest gegen die Entwicklun­gen im Staat und voller Hoffnung auf die Möglichkei­ten einer »unmögliche­n« Liebe.

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