Türkische Juristin scheitert in Straßburg
Europäisches Gericht weist Menschenrechtsklage nach Putschversuch in der Türkei ab
Enttäuschung in Straßburg: Die Klage einer türkischen Richterin, die nach dem 15. Juli verhaftet worden war, wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen. Die Hoffnungen Tausender vom Staat wegen angeblicher Putschistenunterstützung verfolgter türkischer Bürger auf Rückhalt durch europäische juristische Gremien sind am Donnerstag enttäuscht worden. Sie hatten auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehofft, vor dem eine türkische Juristin geklagt hatte.
Die Richterin war zwei Tage nach dem Putschversuch einiger Militärs vom 15. Juli nicht nur entlassen, sondern sogar verhaftet worden, ohne dass ihr eine Beteiligung an dem Putschversuch nachgewiesen werden konnte. Der EGMR in Straßburg ging aber darauf gar nicht ein und verwies die Richterin an das türkische Verfassungsgericht, vor dem die Juristin zunächst hätte klagen müssen. Vergeblich hatte sie zuvor auf die Fragwürdigkeit dieses Weges hingewiesen, seien doch selbst zwei Mitglieder des Verfassungsgerichts und Anwälte, die dort arbeiteten, festgenommen und in Untersuchungshaft genommen worden. Das Gericht könne deshalb, so argumentierte auch ihr Anwalt Ayhan Erdogan, nicht mehr unvoreingenommen entscheiden. Vergeblich erinnerten die Richterin und Anwalt Erdogan daran, dass bei seit Ende Juli insgesamt etwa 3000 aus ihren Ämtern entfernten Richtern und Staatsanwälten in der Türkei von einer unabhängigen Justiz keine Rede sein könne.
Anzukreiden ist dem Gerichtshof wenn schon nicht sein Urteil, so doch zumindest eine kaum nachvollziehbare Gleichgültigkeit gegenüber offensichtlichen Men- schenrechtsverletzungen seitens des türkischen Staates. Wenn man sich schon unter Verweis auf formale Gründe vor einem Urteil in der Sache drückt, hätte es, dies zu verkünden keiner zwei Monate Zeit bedurft. Fragwürdig ist ebenso, dass die EGMR-Richter nicht einmal eine Beschwerde gegen ihren Spruch zuließen, so dass es gegen ihre Entscheidung keine Rechtsmittel gibt. Der Gerichtshof befasste sich zum ersten Mal mit den türkischen Putschfolgen. Insgesamt liegen dem Gremium seit dem 15. Juli aus der Türkei laut dpa rund 3000 weitere Klagen gegen staatliche Willkür vor.
Diese geht indessen unvermindert weiter. Im kurdischen Südosten der Türkei wurden am Donnerstag erneut vier Kommunalpolitiker wegen angeblicher Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans ihrer Ämter enthoben. Die Bürgermeister der Städte Van, Mardin, Siirt und Tunceli mussten ihre Schreibtische räumen. An ihre Stelle setzte die Zentralregierung von ihr ernannte Zwangsverwalter.
Wie dpa aus einer von der Demokratischen Partei der Völker am selben Tag verbreiteten Erklärung zitierte, stünden nun acht von elf kurdischen Provinzhauptstädten unter Zwangsverwaltung, darunter die Großstädte Diyarbakir, Mardin und Van. 39 Bürgermeister säßen im Gefängnis.