Streik und Übernahme bei Vonovia
Immobilienfirma ohne Tarifvertrag
Die Vonovia SE ist mit 400 000 Wohnungen Deutschlands größtes Immobilienunternehmen. Aktuell plant sie die milliardenschwere Übernahme eines österreichischen Konkurrenten. Auch die Beschäftigten hätten aber gerne mehr Geld. Im zentralen Kundenservice wurde am Donnerstag gestreikt.
Bis zu 500 Euro beträgt der Lohnunterschied im Unternehmen, obwohl teilweise der gleichen Tätigkeit nachgegangen wird. Nur rund 20 Prozent der Beschäftigten werden an den Tarifvertrag angelehnt bezahlt – jene, die schon bei den Vonovia-Vorgängern Deutsche Annington oder Gagfah gearbeitet haben. Einen Tarifvertrag haben sie aber auch nicht. Für Andrea Becker von ver.di ist das ein Unding: Es könne nicht sein, dass »Deutschlands größter Wohnungskonzern zur tariffreien Zone erklärt« werde, dies lade die Konkurrenz zur Nachahmung ein. Die Wohnungswirtschaft drohe zum Niedriglohnsektor zu verkommen.
Im zentralen Kundenservice von Vonovia in Duisburg arbeiten 650 Menschen. Ein Drittel von ihnen hat nach Angaben Beckers befristete Verträge. Sie wurden nicht zum Streik aufgerufen. 70 Menschen gingen am Donnerstag in den Ausstand. Becker ist zufrieden. »Ein guter Auftakt« sei das.
Bei einer Versammlung am Mittag waren sich die Streikenden sicher, dass man bei künftigen Ausständen mehr Zulauf haben werde. Vonovia weigert sich laut Becker, in Tarifverhandlungen einzusteigen. Firmensprecherin Nina Henckel erklärte, dass der Betriebsrat der erste Ansprechpartner des Unternehmens sei. Mit dem habe man »auch in der Vergangenheit konstruktive Gespräche geführt«. Zu den Forderungen nach einem Tarifvertrag erklärt Henckel: »Bei Vonovia werden marktübliche Gehälter gezahlt, im Gegensatz zu anderen Unternehmen in der Branche haben wir unseren Kundenservice auch nicht ausgelagert. In dem, was wir bezahlen, müssen wir uns allerdings an der Kundenservicebranche orientieren.«
Das Unternehmen scheint sich aber vor allem um sein Image zu sorgen: So betonte Henckel mehrfach, dass die Arbeit im Kundenservice trotz des Streiks aufrecht erhalten bleibe. Die Belange der Mitarbeiter nehme man ernst, da sie »erster Ansprechpartner für unsere Kunden und Neuinteressenten« und damit »sozusagen unser Gesicht nach draußen« seien.
Becker warnt davor, in Einzelgesprächen und mit der Androhung von Outsourcing Druck auf Beschäftigte auszuüben. Daran denkt Vonovia nach Angaben der Sprecherin nicht: »Unsere Mitarbeiter können natürlich von ihrem Streikrecht Gebrauch machen.«
Vonovia hatte am Donnerstag auch selbst etwas zu verkünden: Das Unternehmen will sich weiter vergrößern. In einer Mitteilung gab es bekannt, das österreichische Unternehmen Conwert übernehmen zu wollen. Conwert verfügt über 27 500 Wohnungen. Drei Viertel davon befinden sich in Deutschland – viele in lukrativen Städten wie Hamburg oder Berlin. Bei der Übernahme bietet Vonovia den Conwert-Aktionären eine Barauszahlung oder einen Aktientausch an. Ein ähnlicher, allerdings viel größerer, Übernahmeversuch war 2015 gescheitert. Damals wollte Vonovia die Deutsche Wohnen AG mit fast 150 000 Wohnungen übernehmen. Die Mehrheit der Aktionäre schlug die Offerte von Vonovia allerdings aus.
Conwert ist bei den Wachstumsplänen von Vonovia nur ein verhältnismäßig kleiner Fisch: Das Unternehmen betont, die Übernahme mit einem Volumen von 2,9 Milliarden Euro aus eigenen Aktien und dem eigenen Vermögen stemmen zu können.