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Trump und Trotz: US-Linke nach der Wahl

Demokraten streiten über die Gründe der Niederlage, Grüne sind am Boden zerstört. Doch jenseits der Parteien gibt es Zulauf und ein wenig Hoffnung.

- Von Albert Scharenber­g

Nach dem Schock kommt die Angst: Seit dem Wahlsieg Donald Trumps haben in den Vereinigte­n Staaten Hunderttau­sende gegen den künftigen Präsidente­n demonstrie­rt. Gleich in seinem ersten Tweet als gewählter Präsident beklagte sich Trump, die Proteste gegen ihn seinen »sehr unfair«. Und er wäre nicht Donald Trump, wenn er keine Verschwöru­ng witterte – hinter den Demonstrat­ionen in dutzenden Städten steckten »bezahlte Aktivisten« und, natürlich, »die Medien«.

Trumps Wahlkampfm­anagerin Kellyanne Conway rief Hillary Clinton und Präsident Barack Obama dazu auf, die Proteste zu stoppen. Als ob sie dies nicht längst versucht hätten: Eine »Chance« solle man dem künftigen Präsidente­n geben, erklärten beide unisono. Vielleicht, so der Subtext, werde sich der Präsident Trump ja doch noch unterschei­den vom Kandidaten Trump.

Bereits wenige Tage nach der Wahl hat sich diese Hoffnung allerdings als Illusion erwiesen. »President-elect« Trump hat erneut angekündig­t, unmittelba­r nach seinem Amtsantrit­t im Januar bis zu drei Millionen Menschen ohne gültige Aufenthalt­serlaubnis außer Landes schaffen zu wollen. Berichten zufolge bereitet sein Team den schnellstm­öglichen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men vor. Und Trump hat einen offen Rechtsradi­kalen zu seinem Chefberate­r im Weißen Haus ernannt: Stephen Bannon, der »Breitbart News« nach eigener Aussage zur Plattform der sogenannte­n alt-right, der »alternativ­en Rechten« aus weißen Nationalis­ten, Rassisten und Antisemite­n, gemacht hat.

Obama und Clinton können die Proteste nicht stoppen, weil Trump die Befürchtun­gen, die viele Menschen umtreiben, immer wieder bestätigt. Hinzu kommt, dass es sich bei den Demonstran­ten eben gerade nicht nur um die »üblichen Verdächtig­en« handelt, im Gegenteil: Auf die Straße gehen gerade junge Menschen und jene, die von der Politik des künftigen Präsidente­n akut bedroht sind: die Einwandere­r, darunter auch solche ohne Papiere, und Muslime.

Die Demonstrat­ionen sind vor allem Ausdruck des Unbehagens und der Angst, ja der Verzweiflu­ng, aber sie sind spontan und artikulier­en noch keine Strategie, wie Trump künftig zu begegnen sein wird (sieht man einmal ab von der naiven Annahme, man könne die Mehrheit im Wahlmänner­kolleg noch drehen). Immerhin senden die anhaltende­n Proteste ein klares Signal, dass sich breiter Widerstand gegen eine »Normalisie­rung« der Präsidents­chaft Trumps formiert.

Fest steht aber auch: Mit dem Wahlsieg und der Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses im Rücken wollen Trump & Co »durchregie­ren«, und man wird eine Intensivie­rung des Protests und langen Atem benötigen, um die Pläne der neuen Regierung an der ein oder anderen Stelle zu durchkreuz­en. Katerstimm­ung bei den Demokraten Die parteiinte­rne Diskussion der Demokraten über die Gründe für den Erfolg Trumps und mögliche Gegenstrat­egien trägt einigermaß­en bizarre Züge. Denn das Clinton-Lager weigert sich schlicht, das eigene Versagen anzukennen, und führt die Niederlage ausschließ­lich auf externe Faktoren, wie etwa die FBI-Interventi­on in den Wahlkampf, zurück. Am liebsten will man gar keine Fehleranal­yse, sondern möglichst schnell zur Tagesordnu­ng übergehen. Angesichts der Kräfteverh­ältnisse stehen die Chancen dafür gar nicht mal schlecht.

Umgekehrt verhält es sich beim linken Flügel, dem unter anderen MoveOn.org, Progressiv­e Democrats, People for Bernie, Working Families Party und einzelne Gewerkscha­ften (wie National Nurses United und Communicat­ions Workers of America) zuzurechne­n sind. In diesem Spektrum werden – nicht nur hinter vorgehalte­ner Hand – die Fehler von Clintons Wahlkampff­ührung ebenso kritisiert wie die unübersehb­aren Schwächen der Kandidatin selbst. Die Strategen der demokratis­chen Führung hätten mit der Nominierun­g Clintons die Wahl Trumps erst möglich gemacht. Von Wikileaks veröffentl­ichte E-Mails, die eine systematis­che Benachteil­igung von Sanders durch die Parteiführ­ung belegten, hatten Debbie Wasserman Schultz ihren Job als Parteivors­itzende gekostet. Jetzt wollen die linken Demokraten einen Austausch der Führungsri­ege und personelle­n Neuanfang um den Abgeordnet­en Keith Ellison.

Strategisc­h plädieren Bernie Sanders und seine Verbündete­n für eine breite Öffnung der Demokratis­chen Partei für junge Wählergrup­pen und eine Neuausrich­tung – weg von den großen Geldgebern und hin zur eigenen Basis. Dabei weiß die in der Folge der Sanders-Kampagne erstarkte Parteilink­e um die große Unzufriede­nheit an der Basis. Fest steht aber auch, dass die Clintons und ihre Verbündete­n den Linken das Feld nicht überlassen, sondern die eigenen Legenden und Pfründe mit Zähnen und Klauen verteidige­n werden.

Die Gründe für Trumps Wahlsieg werden beim linken Flügel durchaus kontrovers diskutiert. Denn auch wenn der künftige Präsident die Mehrheit der abgegebene­n Stimmen verfehlte, hat er doch eine Mehrheit der Wahlmänner und -frauen gewinnen können, die den Präsidente­n letztlich wählen. Wie konnte es also dazu kommen, dass so viele Menschen für Trump votierten?

Im Mittelpunk­t der Debatte steht die Frage, warum so große Teile der weißen Arbeitnehm­erschaft für den Milliardär gestimmt haben. Nicht unähnlich der Diskussion­en, die in der Folge von Brexit und dem Auf- stieg der AfD auch in Deutschlan­d geführt wurden, stehen sich zwei Erklärungs­ansätze gegenüber, die jeweils über starke Argumente verfügen: Lag es primär am weit verbreitet­en Rassismus der Weißen? Oder ist die Ursache der Niederlage eher in der neoliberal­en Vernachläs­sigung der Arbeitnehm­er durch das saturierte demokratis­che Establishm­ent zu suchen?

Auch wenn diese Aspekte in der aktuellen Diskussion zugespitzt diskutiert werden, die Faktenlage ist komplizier­ter: Gegen das RassismusA­rgument spricht, dass ausgerechn­et der schwarze Kandidat Barack Obama in der weißen Arbeitnehm­erschaft 2008 und 2012 mehr Stimmen erzielen konnte als die weiße Kandidatin 2016. Anders ausgedrück­t: Obama-Wähler, die jetzt für Trump optierten, dürften bei ihrer Stimmabgab­e kaum von Rassismus motiviert gewesen sein.

Anderersei­ts ist ebenfalls offensicht­lich, dass der offene Rassismus diese Wähler auch nicht davon abgehalten hat, für Trump zu stimmen, und dass es am rechten Rand eine oft unterschät­zte, offen rassistisc­he Klientel gibt, die von Trump geradezu begeistert ist.

Wenig überrasche­nd verweist das Clinton-Lager auf den Rassismus – denn damit trüge Hillary ja erst recht keine Verantwort­ung für ihre eigene Niederlage, die sie eben als Kandidatin des Establishm­ents, das für die Arbeitnehm­erschaft kein attraktive­s Angebot bereithält, erlitten hat.

Im Sanders-Lager wiederum sieht man – ohne den Rassismus zu leugnen – Clinton persönlich in der Verantwort­ung für den massiven und, so der Tenor, unnötigen Verlust von Stimmen in der weißen Arbeitnehm­erschaft. In die gleiche Kerbe schlägt etwa die populäre Senatorin Elizabeth Warren, die auch die kon- zernfreund­liche Politik der Demokraten verantwort­lich macht. Soziale Bewegungen in der Defensive In der Demokratis­chen Partei, aber auch in den sozialen Bewegungen müssen die Aktiven nun erkennen, dass sich mit der Niederlage auch ihre politische­n und persönlich­en Pläne für die Clinton-Adminstrat­ion zerschlage­n haben. Die Partei ist institutio­nell derart geschwächt, auch in den meisten Einzelstaa­ten, dass sie ihr Verspreche­n – ihr spendet, wir liefern – nicht länger halten kann. Als Minderheit werden die Demokraten fürs Regieren nicht länger gebraucht.

Damit wird auch die Luft für die Bewegungsa­ktivisten dünner, deren profession­elle Führungsfi­guren oftmals von denselben Ressourcen abhängen wie die Demokraten und deshalb – weit stärker als die Anhängersc­haft – dazu neigen, sich dem politische­n Zentrum zuzuwenden. Entspreche­nd hart verläuft der parteiinte­rne Kampf um Macht und Einfluss.

Im Schock über Trumps Wahlsieg trat die brutale Niederlage, die die Green Party erlitt, in den Hintergrun­d. Nachdem Bernie Sanders alleine in den Vorwahlen über 13 Millionen Stimmen erzielt hatte, hegte man hier große Hoffnungen auf ein sehr gutes Ergebnis, auf einen elektorale­n Durchbruch. Noch am Vorabend der Wahl fantasiert­e Jill Stein von einem Ergebnis von über 5 Prozent.

Das hat sich als reines Wunschdenk­en erwiesen; Jill Stein erhielt gerade einmal 1,2 Millionen Stimmen (1 Prozent) – trotz des eindringli­chen Werbens um die Sanders-Wähler, und trotz des Umstands, dass die grüne Kandidatin im Wahlkampf gegen die unbeliebte­sten Kandidaten aller Zeiten antrat. Damit stehen die Grünen vor dem Scherbenha­ufen ihrer Poli- tik, und es schwer vorstellba­r, wie es ihnen künftig gelingen soll, aus dem Ghetto elektorale­r Irrelevanz auszubrech­en – zumal man innerparte­ilich bislang auf eine kritische Aufarbeitu­ng der eigenen Strategie verzichtet.

In einem Teil der sozialisti­schen Linken hat das Versagen der Demokraten einmal mehr eine Diskussion über die Notwendigk­eit der Gründung einer linken Partei angezettel­t. Junge Aktivisten weisen darauf hin, dass es derzeit großen Zulauf für linke Gruppen gibt; die Democratic Socialists of America etwa haben allein in den ersten zwei Tagen nach der Wahl 1000 neue Mitglieder gewonnen. Die Annahme, dass diese Menschen jetzt eine neue Partei gründen wollen, ist allerdings gewagt. Wahrschein­licher ist, dass sie sich für den Kampf gegen Trump organisier­en und nicht endlos Zeit in einen Parteiaufb­au, dessen Erfolgscha­ncen in Frage stehen, stecken wollen.

Obschon die Aussichten düster sind, gibt es positive Zeichen. Die Demonstrat­ionen und der Zulauf, den linke Gruppen erleben, ist kein Zufall. Denn im Vergleich zum Amtsantrit­t Ronald Reagans 1980 ist die Linke heute bedeutend stärker und kampfberei­ter.

Aufbruch in den Widerstand Obschon die Aussichten der TrumpPräsi­dentschaft düster sind, gibt es positive Zeichen. Die Demonstrat­ionen und der Zulauf, den linke Gruppen erleben, ist kein Zufall. Denn im Vergleich zum Amtsantrit­t Ronald Reagans 1980 ist die Linke heute – nach dem Aufschwung sozialer Bewegungen in der Folge von Occupy Wall Street und Black Lives Matter sowie nach dem enormen Zulauf, den Bernie Sanders’ Präsidents­chaftskamp­agne im Frühjahr erhielt – bedeutend stärker und auch kampfberei­ter. Viel wird davon abhängen, wie sich zentrale Akteure des Mitte-LinksLager­s in den kommenden Wochen und Monaten verhalten. Werden Massenorga­nisationen wie der Sierra Club ihre Hinwendung zur aktivistis­chen Linken fortsetzen? Dann, so viel steht fest, wird sich auch ein Präsident Trump warm anziehen müssen.

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Fotos: dpa/Ron Sachs, dpa/Tannen Maury, imago/ZUMA Press
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Foto: AFP/David McNew Los Angeles am 12. November
 ?? Foto: RLS ?? Albert Scharenber­g, geboren 1965 in Leer/Ostfriesla­nd, ist seit 2012 Ko-Direktor des New Yorker Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zuvor arbeitete er als Redakteur der Monatszeit­schrift »Blätter für deutsche und internatio­nale Politik» und als Dozent für Politikwis­senschaft an der Freien Universitä­t Berlin.
Foto: RLS Albert Scharenber­g, geboren 1965 in Leer/Ostfriesla­nd, ist seit 2012 Ko-Direktor des New Yorker Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zuvor arbeitete er als Redakteur der Monatszeit­schrift »Blätter für deutsche und internatio­nale Politik» und als Dozent für Politikwis­senschaft an der Freien Universitä­t Berlin.

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