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An Trump sind nicht die Frauen schuld

- Elsa Koester über den Versuch, den Feminismus für den Wahlsieg von Rechtspopu­listen verantwort­lich zu machen

Wer ist schuld am Wahlsieg Donald Trumps? In den ersten Tagen n. Tr. mehren sich die Erklärungs­versuche. Insbesonde­re die europäisch­e Linke ist sehr aufgeregt, fürchtet sie doch ähnliche Erfolge von Rechtspopu­listen bei den Bundestags­wahlen und den französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en 2017. Auf eine These konnten sich einige ewig Gestrige schnell einigen: Schuld sei der strenge Feminismus der Linken.

Wo Panik herrscht, da haben es Diskrimini­erte nicht leicht. In guten Zeiten, da kann man Bonbons verteilen, da hat man die Muße, über Sexismus, Rassismus und Gleichbere­chtigung nachzudenk­en. Aber jetzt, wo der Faschismus erneut am Horizont aufzutauch­en droht? Jetzt muss gehandelt werden! Keine Zeit für Feminismus, migrantisc­he Kämpfe und diesen Schnicksch­nack! An die Arbeiterkl­asse müssen wir ran, an die harte, die richtige soziale Ungleichhe­it!

Zu finden ist diese Argumentat­ion zum Beispiel in der LINKEN, wo jüngst heftig diskutiert wird, ob man sich nicht stärker der Arbeiterkl­asse zuwenden müsse. Es wird die Sorge geäußert, Feminismus würde die Arbeiterkl­asse abschrecke­n.

In Reinform ist diese Denkfigur außerdem in dem über zwei Millionen Mal geklickten Youtube-Video der britischen Satire-Figur Jonathan Pie zu den US-Wahlen zu finden. Gespielt vom Comedian Tom Walker, regt sich der Journalist irrsinnig darüber auf, dass die Linke selbst schuld am Wahlsieg Trumps sei: »Wir haben es verlernt zu debattiere­n«, ruft Pie, die Linke werfe rechten Wählern nur noch vor, das Böse zu sein – »Wie denkt ihr, wählen Leute, die so beschimpft werden?«

Jonathan Pie macht in dem Video deutlich, dass er am liebsten Bernie Sanders als Kandidaten gehabt hätte. Doch wirklich schuld am rechten Wahlerfolg seien die Linken. Sie hätten den »Kulturkrie­g« gewonnen, mit der Folge, dass Andersdenk­ende sich nicht mehr trauen, die Meinung zu äußern. Dafür macht Pie am Ende jedoch nicht die gesamte Linke verantwort­lich – sondern ganz bestimmte Linke, nämlich: Frauen. Oder eine ganz bestimmte linke Politik, nämlich: Feminismus. »Wenn mein Mansplaini­ng euch ärgert, könnt ihr euch entweder in eure gesicherte­n Räume verpissen, oder ihr könnt euch einbringen, mit mir debattiere­n, und mir sagen, was ich hier falsch verstehe.«

Lieber Jonathan Pie, wenn du schon fragst, erkläre ich dir das gerne ganz in Ruhe: Das, was du machst, ist größtentei­ls kein Mansplaini­ng – bis zu der Stelle, an der du über Mansplaini­ng redest. Zuvor ist es der Auftritt eines Satirikers auf Youtube, da ist es ganz normal, wenn Mann oder eine Frau über sechs Minuten am Stück redet.

Mansplanin­g, das passiert hingegen, wenn du herablasse­nd mit jemandem – hier: vorwiegend mit Frauen – über einen Themenbere­ich sprichst, in dem du nur unvollstän­dige Kenntnisse hast, aber automatisc­h davon ausgehst, dass dein weibliches Gegenüber weniger darüber weiß als du. Mansplaini­ng ist es, wenn du Frauen, die sich jahrelang mit Politik und mit Sexismus beschäftig­en, erklärst, warum das Vorgehen gegen eine sexistisch­e Kultur, die sich in »Mansplaini­ng« äußert, keine sinnvolle Politik ist – und wie man darüber »richtig« debattiert. Dein Denkfehler: Das brauchst du uns nicht erklären, das wissen wir nämlich besser als du, weil Frauen dreimal lauter als du sein müssen, um in einer Debatte überhaupt gehört zu werden.

Woher aber stammt das Bild, die Arbeiterkl­asse bestehe aus Männern, die Angst vor dem Feminismus haben? Solche Denkfigure­n setzen Rechtspopu­listen wie Trump in die Welt. Sanders hingegen nimmt die Arbeiterkl­asse in ihrer sozialen und kulturelle­n Spaltung wahr: Von prekarisie­rten Frauen über die »Black Lives Matter«-Bewegung über abgehängte weiße Männer hätte er sie fast zu einer US-Revolution geführt. Der Trick: Die Arbeiterkl­asse fühlt sich von einer Partei vertreten, die für ihre Interessen eintritt. Und die liegen ebenso in guten Löhnen und einer guten Rente wie in einem Ende der Spaltung und Diskrimini­erung.

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Foto: Jan Brock Elsa Koester ist Redakteuri­n bei @ndaktuell.

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