Afrika kommt nicht vor
Turbulenter Abschluss der UN-Klimakonferenz in Marrakesch
Die Klimakonferenz COP22 in Marrakesch sollte eine afrikanische Klimakonferenz werden. Doch davon war nicht viel zu merken. Sechzig Prozent der am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder liegen in Afrika – gleichzeitig ist der Kontinent nur für vier Prozent des Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Diese Ungerechtigkeit sollte laut den Gastgebern einer der Schwerpunkte der UN-Klimakonferenz von Marrakesch werden, die am Freitag endete. »Wir werden einen afrikanischen Klimagipfel ausrichten«, versprach Marokkos König Mohammed VI. Und die französische Umweltministerin Ségolène Royal erinnerte daran, dass 700 Millionen Menschen in Afrika ohne Elektrizität leben.
In den Verhandlungen beschwerten sich Diplomaten der »Afrikanischen Gruppe« aber, dass sich die Parteien nicht auf Hilfen für Kleinbauern einigen konnten. Malis Vertreter erklärte, der Klimawandel bedrohe die Ernährungssicherheit vieler. Der Sprecher der Verhandlungsgruppe der ärmsten Länder, Tosi Mpanu-Mpanu, beklagte, dass Afrika in der Abschlusserklärung nicht vorkomme.
Bis zum letzten Tag dominierten die Ankündigungen der Industriestaaten. Mit der Vorstellung des Klimaschutzplans landete Bundesumweltministerin Barbara Hendricks einen Coup. Während sie sich im eigenen Land vorwerfen lassen musste, er sei nur »Klimaschutz light«, applaudiert die internationale Gemeinschaft. Selbst NGO-Vertreter zeigen sich angetan: »Deutschland hat einen anspruchsvollen Klimaschutzplan bis zur Mitte des Jahrhunderts vorgelegt«, sagte Liz Gallagher vom britischen UmweltThinktank E3G. Deutschland folgten wenig später die USA mit einem Klimaschutzplan bis 2050 – auch wenn er wohl in den Schreibtischen der Trump-Administration verstauben wird. Dann zogen andere Länder nach.
Wenige Stunden vor Ende der Konferenz gab es den Paukenschlag: Die Allianz der 47 besonders vom Klimawandel betroffenen Länder erklärte, so schnell wie möglich vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen zu wollen. Das trotzt selbst erfahrenen Klimadiplomaten wie Ex-US-Vizepräsident Al Gore Respekt ab. Die Mitglieder der Allianz wollen bis 2020 ihre Klimapläne überarbeiten. Auch wenn viele keine Kohlekraftwerke haben, bedeutet das eine fundamentale Änderung ihrer Energiepolitik etwa für Äthiopien, Bangladesch, Kenia, Marokko, Tansania und Vietnam. Der Neubau von Kohlekraftwerken ist de facto ausgeschlossen. Damit haben die armen Staaten Deutschland klar überholt. Denn eine schnelle Absage an die Kohlekraft konnte Hendricks nicht durchsetzen.
Bei den Klimahilfen für arme Länder ging es turbulent zu. Im vergangenen Jahr in Paris versprachen die Industriestaaten offiziell, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu »mo- bilisieren«. Nun haben sie einen Fahrplan vorgelegt, wie sie das erreichen wollen. Die Entwicklungsländer kritisieren die Berechnungsmethoden der Summe – etwa die Einbeziehung von Krediten. Zudem kämpfen gerade ärmere Länder für ein faires Gleichgewicht aus Geldern für Anpassung an den Klimawandel und der Minderung von Treibhausgasen. Der Konflikt zwischen Industriestaaten und ärmeren Ländern ist mit dem Paris-Vertrag noch nicht vom Tisch – auch wenn die strikte Trennung aufgehoben wurde.
Deutschland gab sich großzügig – es kündigte 50 Millionen Euro für arme Länder an. Hendricks will die Einmalzahlung an den Anpassungsfonds geben. Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care kommentierte: »Die Zusage Deutschlands, zusätzliches Geld in dieses Instrument zu geben, ist zu begrüßen, sollte aber verstetigt werden. Das Geld muss jetzt schnell in gute Projekte umgesetzt werden.« Eine Reform des Fonds und langfristige Finanzierung sind Themen für die nächste Klimakonferenz.
Als Gastgeber wäre Asien an der Reihe. Doch es fand sich kein Land, das die Diplomaten empfangen will – bis auf die Fidschi-Inseln. Die haben weder Platz noch Geld, eine Konferenz mit 20 000 Teilnehmern zu stemmen. Deshalb wird COP23 wohl in Bonn ausgerichtet. Dass Deutschland mit einem der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten die Konferenz ausrichtet, ist ein starkes Zeichen, dass alte Konflikte vielleicht doch noch überwunden werden.