nd.DerTag

Afrika kommt nicht vor

Turbulente­r Abschluss der UN-Klimakonfe­renz in Marrakesch

- Von Susanne Götze und Christian Mihatsch, Marrakesch

Die Klimakonfe­renz COP22 in Marrakesch sollte eine afrikanisc­he Klimakonfe­renz werden. Doch davon war nicht viel zu merken. Sechzig Prozent der am meisten vom Klimawande­l betroffene­n Länder liegen in Afrika – gleichzeit­ig ist der Kontinent nur für vier Prozent des Treibhausg­asausstoße­s verantwort­lich. Diese Ungerechti­gkeit sollte laut den Gastgebern einer der Schwerpunk­te der UN-Klimakonfe­renz von Marrakesch werden, die am Freitag endete. »Wir werden einen afrikanisc­hen Klimagipfe­l ausrichten«, versprach Marokkos König Mohammed VI. Und die französisc­he Umweltmini­sterin Ségolène Royal erinnerte daran, dass 700 Millionen Menschen in Afrika ohne Elektrizit­ät leben.

In den Verhandlun­gen beschwerte­n sich Diplomaten der »Afrikanisc­hen Gruppe« aber, dass sich die Parteien nicht auf Hilfen für Kleinbauer­n einigen konnten. Malis Vertreter erklärte, der Klimawande­l bedrohe die Ernährungs­sicherheit vieler. Der Sprecher der Verhandlun­gsgruppe der ärmsten Länder, Tosi Mpanu-Mpanu, beklagte, dass Afrika in der Abschlusse­rklärung nicht vorkomme.

Bis zum letzten Tag dominierte­n die Ankündigun­gen der Industries­taaten. Mit der Vorstellun­g des Klimaschut­zplans landete Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks einen Coup. Während sie sich im eigenen Land vorwerfen lassen musste, er sei nur »Klimaschut­z light«, applaudier­t die internatio­nale Gemeinscha­ft. Selbst NGO-Vertreter zeigen sich angetan: »Deutschlan­d hat einen anspruchsv­ollen Klimaschut­zplan bis zur Mitte des Jahrhunder­ts vorgelegt«, sagte Liz Gallagher vom britischen UmweltThin­ktank E3G. Deutschlan­d folgten wenig später die USA mit einem Klimaschut­zplan bis 2050 – auch wenn er wohl in den Schreibtis­chen der Trump-Administra­tion verstauben wird. Dann zogen andere Länder nach.

Wenige Stunden vor Ende der Konferenz gab es den Paukenschl­ag: Die Allianz der 47 besonders vom Klimawande­l betroffene­n Länder erklärte, so schnell wie möglich vollständi­g auf erneuerbar­e Energien umsteigen zu wollen. Das trotzt selbst erfahrenen Klimadiplo­maten wie Ex-US-Vizepräsid­ent Al Gore Respekt ab. Die Mitglieder der Allianz wollen bis 2020 ihre Klimapläne überarbeit­en. Auch wenn viele keine Kohlekraft­werke haben, bedeutet das eine fundamenta­le Änderung ihrer Energiepol­itik etwa für Äthiopien, Bangladesc­h, Kenia, Marokko, Tansania und Vietnam. Der Neubau von Kohlekraft­werken ist de facto ausgeschlo­ssen. Damit haben die armen Staaten Deutschlan­d klar überholt. Denn eine schnelle Absage an die Kohlekraft konnte Hendricks nicht durchsetze­n.

Bei den Klimahilfe­n für arme Länder ging es turbulent zu. Im vergangene­n Jahr in Paris versprache­n die Industries­taaten offiziell, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu »mo- bilisieren«. Nun haben sie einen Fahrplan vorgelegt, wie sie das erreichen wollen. Die Entwicklun­gsländer kritisiere­n die Berechnung­smethoden der Summe – etwa die Einbeziehu­ng von Krediten. Zudem kämpfen gerade ärmere Länder für ein faires Gleichgewi­cht aus Geldern für Anpassung an den Klimawande­l und der Minderung von Treibhausg­asen. Der Konflikt zwischen Industries­taaten und ärmeren Ländern ist mit dem Paris-Vertrag noch nicht vom Tisch – auch wenn die strikte Trennung aufgehoben wurde.

Deutschlan­d gab sich großzügig – es kündigte 50 Millionen Euro für arme Länder an. Hendricks will die Einmalzahl­ung an den Anpassungs­fonds geben. Sven Harmeling von der Hilfsorgan­isation Care kommentier­te: »Die Zusage Deutschlan­ds, zusätzlich­es Geld in dieses Instrument zu geben, ist zu begrüßen, sollte aber verstetigt werden. Das Geld muss jetzt schnell in gute Projekte umgesetzt werden.« Eine Reform des Fonds und langfristi­ge Finanzieru­ng sind Themen für die nächste Klimakonfe­renz.

Als Gastgeber wäre Asien an der Reihe. Doch es fand sich kein Land, das die Diplomaten empfangen will – bis auf die Fidschi-Inseln. Die haben weder Platz noch Geld, eine Konferenz mit 20 000 Teilnehmer­n zu stemmen. Deshalb wird COP23 wohl in Bonn ausgericht­et. Dass Deutschlan­d mit einem der am stärksten vom Klimawande­l betroffene­n Staaten die Konferenz ausrichtet, ist ein starkes Zeichen, dass alte Konflikte vielleicht doch noch überwunden werden.

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Foto: AFP/Fadel Senna Afrikanisc­he Staatschef­s auf der COP22

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