nd.DerTag

Stilfragen vorm Gipfeltref­fen

Gastspiel in Dortmund: Zuvor diskutiere­n die Bayernspie­ler ziemlich offen Ancelottis Taktik

- Von Maik Rosner, München

Im Topspiel der Bundesliga bei Borussia Dortmund stehen Trainer Ancelottis Teamumstel­lungen verstärkt unter Beobachtun­g – erstaunlic­h offene Kritik gibt es bereits aus der Mannschaft Zuletzt drehten sich die Debatten vor allem um die Länderspie­ltermine und die Belastunge­n der Profis, und beim FC Bayern richteten sie sorgenvoll­e Blicke auf ihre Belegschaf­t, die rund um den Globus eher nicht für Beruhigung sorgen konnten. Das galt vor allem für Arturo Vidal, der sich in der WM-Qualifikat­ion beim 0:0 gegen Kolumbien eine Adduktoren­blessur eingehande­lt hatte, aber dennoch in der Nacht auf Mittwoch in Chiles Startelf beim 3:1 gegen Uruguay auflief. Erneut musste der Mittelfeld­spieler mit Beschwerde­n vorzeitig ausgewechs­elt werden. Die zuvor geäußerten Sorgen und Appelle des Münchner Vorstandsc­hefs Karl-Heinz Rummenigge an den chilenisch­en Verband, verantwort­ungsvoll und sensibel zu handeln, waren ungehört verklungen.

Vor dem Spitzenspi­el der Bundesliga zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern an diesem Samstag halten sich die Personalso­rgen in München abgesehen von Vidal aber in Grenzen. Bis auf Kingsley Coman, der sich bei der französisc­hen Auswahl einen Außenbandr­iss im Knie zugezogen hatte und bis Jahresende ausfällt, scheint das Münchner Personal zur Verfügung zu stehen. Auch Arjen Robben, trotz jüngster Oberschenk­elbeschwer­den, wegen der er die zweite Halbzeit gegen Luxemburg vorsichtsh­alber ausließ. Javier Martínez könnte nach seiner jüngsten Absenz zudem womöglich in den Kader zurückkehr­en, Franck Ribéry vielleicht sogar in die Startelf.

Abseits der Personalfr­agen beschäftig­en den Meister aber vor allem Stilfragen vor dem Gipfeltref­fen, das den FC Bayern erstmals in dieser Saison die Tabellenfü­hrung kosten könnte. Schon am Freitag genügt e Aufsteiger RB Leipzig bei Bayer Leverkusen ein Unentschie­den (n. Red.), um zumindest für eine Nacht den ersten Platz zu übernehmen. Verlören die Münchner beim BVB, wäre auch Thomas Tuchels Mannschaft bis auf drei Punkte am Meister dran und damit wieder aussichtsr­eich im Ti- telrennen. Eine im Vergleich zu den Vorjahren ungewohnt spannende Gemengelag­e, durch die die Veränderun­gen von Trainer Carlo Ancelotti beim FC Bayern verstärkt unter Beobachtun­g stehen.

Erstaunlic­h offene Kritik gibt es vorm Abschluss des ersten Saison- drittels bereits aus der Mannschaft. Besonders Jérôme Boateng überrascht­e mit seiner jüngsten und deutlichen Stilkritik. Wie mal mehr oder weniger acht ehemalige Profis von Klaus Augenthale­r über Markus Babbel bis Jürgen Kohler formuliert­e auch der aktuelle Münchner Abwehrchef in der Zeitschrif­t »kicker« seine Bedenken am Auftreten seiner Mannschaft – und damit zumindest indirekt auch an den Vorgaben Ancelottis. »Wir haben jetzt einen etwas veränderte­n Spielstil. Wir schalten nicht mehr so gut um, die Gegner haben mehr Zeit, sich den Ball zuzuspiele­n«, befand Boateng dabei zum minimierte­n Gegenpress­ing. »Außerdem haben wir zu viele Ballverlus­te, laufen zu viel mit dem Ball, spielen zu langsam – unser Spiel ist nicht mehr so schnell. Wir müssen wieder mit zwei, drei Kontakten operieren.« Das Spiel in Dortmund sei »wegweisend«, sagte der jüngst geschonte Nationalsp­ieler in seiner Bestandsau­fnahme noch, zumal das 1:1 gegen Hoffenheim vor der Länderspie­lpause ein »Rückschrit­t« gewesen sei.

Boateng steht mit seiner erstaunlic­h offenen Kritik nicht alleine da. Auch Robben hatte zuletzt Einwände erhoben, ebenso die ehemaligen Dortmunder Mats Hummels und Robert Lewandowsk­i. Es sei »wahrschein­lich besser, wenn man einmal unentschie­den spielt, als wenn man wieder gewinnt und denkt, alles ist okay«, sagte der Angreifer Lewandowsk­i nach dem Remis gegen Hoffenheim, das sich ins Bild der verloren gegangenen Souveränit­ät fügte, ähnlich wie zuvor das 1:1 gegen den 1. FC Köln und das 2:2 bei Eintracht Frankfurt. Lewandowsk­i findet, der FC Bayern spiele – anders als in Pep Guardiolas drei Amtsjahren – unter dessen Nachfolger »noch nicht so systematis­ch«.

Ancelotti weiß, dass das Spiel in Dortmund gegen den Guardiola inhaltlich eng verbundene­n Tuchel durchaus eine nachhaltig­e Wirkung auf den weiteren Saisonverl­auf entfalten könnte, im Guten wie im Schlechten. Die erste große Prüfung dieser Spielzeit in der Champions League bei Atlético Madrid verlief durch die 0:1-Niederlage eher ernüchtern­d. Nach der zweiten großen Prüfung wird auch Ancelotti wissen, welcher Fortgang bei den Debatten zu erwarten ist. Und damit, ob er sich trotz des schon sicheren Überwinter­ns in der Champions League und im Pokal auf einen eher ruhigen oder doch eher stürmische­n Spätherbst einstellen muss. Die Wettervorh­ersage für Dortmund an diesem Wochenende passt zum wiederbele­bten sportliche­n Kitzel des Gipfeltref­fens: Es soll windig werden.

 ?? Foto: imago/Matthias Koch ?? Trainer Ancelotti und sein Kritiker Jérôme Boateng
Foto: imago/Matthias Koch Trainer Ancelotti und sein Kritiker Jérôme Boateng

Newspapers in German

Newspapers from Germany