Die Vision vom »Bürgerspital« verblasst
Niedersachsen: Scheitert das einmalige Einbecker Modell?
Es war eine zu schöne Geschichte, die sich im beschaulichen Städtchen Einbeck im Süden Niedersachsens zutrug: 2013 retteten der Chefarzt und wohlhabende Familien das örtliche Krankenhaus aus der Insolvenz und führten es als »Bürgerspital« weiter. Ihre Einlagen bildeten den Grundstock für das Eigenkapital einer gemeinnützigen Trägergesellschaft. Die meisten der rund 300 Arbeitsplätze konnten gerettet werden, wenn auch bei erheblichem Lohnverzicht der Beschäftigten. 2015 schrieb man erstmals wieder schwarze Zahlen.
Doch jetzt könnten die guten Zeiten vorbei sein. Im Einbecker »Bürgerspital« zoffen sich die Gesellschafter, wegen der personellen Querelen brodelt es in den Reihen der Belegschaft.
Angeblich habe es »eine kalte Entmachtung der Gesellschafter, das heißt mehrerer Einbecker Familien und Unternehmer«, gegeben, sagt die bei der Gewerkschaft ver.di für Krankenhäuser in Südniedersachsen zuständige Sekretärin Julia Niekamp. Der Chefarzt und medizinische Geschäftsführer sowie der Vorsitzende des Beirates sollen den Gesellschaftervertrag geändert haben, um »alleine durchregieren« zu können. »Wir wurden entmachtet und haben keinen Einfluss mehr«, bestätigt der Unternehmer Walter Schmalzried – er ist einer der neun Gesellschafter und hatte mitgeholfen, das Krankenhaus zu retten.
Die kürzlich erfolgte Freistellung des kaufmännischen Geschäftsführers sei bereits der dritte Wechsel in diesem Amt innerhalb von drei Jahren, so Niekamp weiter. »Ich frage mich, wie ein solcher Schritt ankommt genau in einer Phase, wo man beim Land um Geldmittel für einen Neubau wirbt und dort zeigen muss, dass das Haus in guten Händen ist.«
Auch Uwe Schwarz, der örtliche SPD-Landtagsabgeordnete, sieht die Beurlaubung des Geschäftsführers kritisch. Sie sei erfolgt, während das »Bürgerspital« Mittel aus einem neu aufgelegten Topf des Landes Niedersachsen für den Krankenhausbau beantragt habe. Ende Oktober tagte der Krankenhausplanungsausschuss des Bundeslandes, um über die Anträge zu beraten. »Man konnte sich zum ersten Mal seit Jahren vorstellen, in Einbeck zu investieren«, so Schwarz. »Dann kam die Information, dass der verhandlungsführende Geschäftsführer aus unbekanntem Grund beurlaubt wurde.« Da sei der Einbecker Antrag zurückgestellt worden.
»Wir haben die große Sorge«, bilanziert Niekamp, »dass niemand den jetzt durchregierenden Herren in den Arm fällt und wir demnächst mit dem Krankenhaus dort stehen, wo wir schon einmal waren. So etwas ist nicht länger tragbar.« Die Beschäftigten seien »massiv verunsichert, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze«. Dass bisher nach außen Ruhe geherrscht habe, liege nur daran, dass alle Kritiker negative Auswirkungen auf die Belegung befürchteten.
Der medizinische Geschäftsführer äußerte sich bislang nur vage zu den Vorwürfen. Gründe für den Unmut bei einigen Gesellschaftern und die Entlassung des Co-Geschäftsführers seien unterschiedliche Auffassungen über Geschäftspolitik und Strategie der Klinik gewesen. Unter anderem habe es Meinungsverschiedenheiten gegeben, wie die Mitarbeiter an der wirtschaftlichen Konsolidierung beteiligt werden sollten. Aktuell seien ihnen 20 Prozent des Weihnachtsgeldes und eine 2,4prozentigen Gehaltssteigerung angeboten worden, ver.di habe darauf zunächst nicht reagiert.
Im Übrigen halte jeder der neun Gesellschafter weiterhin seine Anteile. Es sei lediglich die »Führungsstruktur gestrafft« worden.