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Der Teufel trägt Hosenanzug

Nach dem Parteiauss­chluss ihres Vaters ist FN-Chefin Le Pen auf dem Gipfel ihrer Macht.

- Von Uwe Sattler

Als das Gericht in Nanterre am Donnerstag das Urteil in der Causa ihres Vaters sprach, ließ sich Marine Le Pen den Triumph nicht anmerken. Jean-Marie Le Pen darf nicht länger Mitglied der von ihm gegründete­n rechtsextr­emen Front National (FN) sein, befand die Jury zur Klage des Alt-Rechten. Die jetzige Parteichef­in, seine Tochter Marine, hatte den Ausschluss des Ehrenvorsi­tzenden durch das Exekutivbü­ro der Partei im Sommer vergangene­n Jahres betrieben. Zuvor hatte dieser abermals die Gaskammern der Nazis verharmlos­t.

Mit dem Richterspr­uch dürfte die 48-jährige Marine Le Pen im Zenit ihrer Macht in der FN angekommen sein. Allerdings ging es bei Le Pen versus Le Pen keineswegs, wie auch in Frankreich mitunter behauptet, um einen Familienzw­ist. Vielmehr stand die strategisc­he Ausrichtun­g der Front National im Mittelpunk­t des Konflikts: weiter auf dem Weg des plumpen Neofaschis­mus mit Rassismus und Leugnung des Holocaust oder hin zu gelifteten, aber keinesfall­s liberalere­n Positionen?

Auf diesen Kurs hatte Marine Le Pen seit ihrer Wahl 2011 zur FN-Vorsitzend­en die Partei gebracht und Widersache­r, einschließ­lich ihres Vaters, konsequent aus dem Weg geräumt. Stattdesse­n umgab sich die Rechtswiss­enschaftle­rin mit gutsituier­ten, politisch zumeist in der Kommunalpo­litik gestählten Akademiker­n. So gilt Vizepräsid­ent Florian Philippot als ausgewiese­ner Wirtschaft­sexperte, Generalsek­retär Nicolas Bay als gewiefter Wahlkampfm­anager und Le Pens Lebensgefä­hrte und ebenfalls Parteivize Louis Aliot als Kommunikat­ionsspezia­list. Über die Hälfte der Mitglieder des Exekutivbü­ros – in dem Le Pen die einzige Frau ist – sitzt mit Abgeordnet­enmandat im Europaparl­ament. Frankreich­s Medien haben die FN-Chefin schon längst aus der Schmuddele­cke geholt und selbst die großen TV-Sender bieten ihr reichlich Möglichkei- ten zur Verbreitun­g ihrer Ansichten. Was sie denn auch tut, in geschliffe­ner Sprache, eloquent, nett anzusehen in ihren bevorzugte­n Hosenanzüg­en.

Zumindest auf den ersten Blick sind ihre Rechtsauße­n-Positionen heute schwer erkennbar. Dabei stand Marine Le Pen selbst schon wegen »Aufrufs zum Rassenhass« vor Gericht – sie hatte Straßengeb­ete von Muslimen mit der deutschen Besatzung Frankreich­s während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Obgleich sie bei ihrem Prozess Ende 2015 erneut gegen eine »muslimisch­e Vereinnahm­ung« des Landes wetterte und der Regierung von Präsident Hollande vorwarf, sie würde sich nur der Probleme von Migranten und nicht der von Franzosen annehmen, geht die FN-Chefin heute zumeist filigraner vor. Und findet dabei sogar Unterstütz­ung bei Einwandere­rn – selbstvers­tändlich nur bei den »guten«, »assimilier­ten«, die sie gegen die »Illegalen« aufwiegelt. Und sie wildert mit ihren Themen bei anderen Parteien; selbst Positionen sind dabei, die auch die Linke in ihre Portfolio hat: gegen die Bevormundu­ng aus Brüssel, Berlin, Washington und Ablehnung von Freihandel­sabkommen, für den Austritt aus Euro und NATO, gegen die Türkei, für mehr Polizei auf der Straße – und für ein besseres Verhältnis zu Russland. Nahezu folgericht­ig gehörte sie zu den ersten Gratulante­n des künftigen USPräsiden­ten Donald Trump. Hausbesuch: Marine Le Pen vor dem Elysee-Palast

Mit ihrer Strategie hat es Marine Le Pen geschafft, die Wählerzahl­en für die FN stetig steigen zu lassen. Bei den Europawahl­en 2014 hatte sie mit einem Viertel der Stimmen vor allen anderen französisc­hen Parteien gelegen; bei der Regionalwa­hl 2015 siegte sie in der ersten Runde in sechs der 13 Regionen. Die Präsidents­chaftswahl 2017 stellte die FN erst kürzlich unter das Motto »Im Namen des Volkes« – womit nur das französisc­he gemeint ist und davon auch nicht alle BürgerInne­n. Zwar gehen Meinungsfo­rscher derzeit nicht davon aus, dass es eine Präsidenti­n Marine Le Pen geben wird. Auf jeden Fall aber zwingt sie mit ihren Erfolgen den anderen Parteien die Themen auf. »Sie und ihre Partei verpesten die gesamte politische Debatte«, meint der Frankreich-Wissenscha­ftler Frank Baasner.

Von den Erfolgen der Front National wollen inzwischen auch andere Rechtspoli­tikerInnen in Europa profitiere­n. Im Sommer, auf dem Höhepunkt der Führungskr­ise in der deutschen AfD, wurde Bundesspre­cherin Frauke Petry zur Audienz bei Marine Le Pen vorgelasse­n. »Die Chemie« habe gestimmt, so ein Beobachter. Und: Die Politikeri­nnen wollten das Gespräch fortsetzen und intensivie­ren. Auch der niederländ­ische Rechtspopu­list Geert Wilders und Österreich­s FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache suchten bereits den Schultersc­hluss mit Le Pen.

Fraglich bleibt indes auch, ob der Ausschluss von Vater Le Pen nicht doch auf die FN zurückschl­ägt. Zumal nur die Spitzenver­treter der Partei Kreide gefressen haben. An der Basis wird wenig auf diplomatis­ches Vorgehen gesetzt, da gilt Jean-Marie als Galionsfig­ur. Dessen Weggefährt­e Bruno Gollnisch, ein Widersache­r von Marine Le Pen, brachte es schon vor dem Urteil von Nanterre auf den Punkt: »Ich denke schon, dass die Front National ohne Jean-Marie Le Pen existieren kann, aber nicht gegen Jean-Marie Le Pen.«

Frankreich­s Medien haben die FN-Chefin schon längst aus der Schmuddele­cke geholt und selbst die großen TV-Sender bieten ihr reichlich Möglichkei­ten zur Verbreitun­g ihrer Ansichten. Was sie denn auch tut, in geschliffe­ner Sprache, eloquent, nett anzusehen in ihren bevorzugte­n Hosenanzüg­en.

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Foto: AFP/Geoffroy van der Hasselt

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