nd.DerTag

Nicht nur reden, handeln!

- Von Hauslehrer­n, Philosophe­n und dem Gespenst des Atheismus Wer war's? Beim letzten Mal fragten wir nach dem Psychoanal­ytiker Sigmund Freud. Gewonnen haben: Teresa Kötzsch, Chemnitz, Friedeborg Stisser, Velden, Klaus-Peter Schuckies, Beetzendor­f. Die Eins

Er war das erste von acht Kindern eines Webers. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnis­sen, in denen es für Jungen und Mädchen eigentlich keine Bildungs- und Aufstiegsc­hancen gab. Doch er hatte Glück. Als er zehn Jahre alt war, traf er auf einen Freiherrn, dem er die Sonntagspr­edigt, die dieser versäumt hatte, Wort für Wort aus dem Gedächtnis wiedergab. Daraufhin beschloss der adlige Herr, den begabten Jungen unter seine Fittiche zu nehmen und schickte ihn auf eine nahe gelegene Lateinschu­le.

Später durfte er die renommiert­e Lehranstal­t in Schulpfort­a besuchen. Sechs Jahre blieb er dort, dann ging er nach Jena, um an der Universitä­t ein Theologies­tudium aufzunehme­n. Ein Jahr darauf wechselte er nach Leipzig. Da die Familie seines inzwischen verstorben­en Gönners ihm kein Geld mehr schickte, sah er sich genötigt, Privatunte­rricht zu geben und als Hauslehrer zu arbeiten. Doch diese Tätigkeit wurde nicht nur schlecht bezahlt, sondern war überdies so zeitrauben­d, dass er es nicht schaffte, sein Studium zum Abschluss zu brin- Der Preis für das aktuelle Rätsel ist das Buch »Das Leben verstehen« von Wilhelm Schmid. Einsendesc­hluss ist der 12.12. gen. Er verließ Leipzig und ging nach Zürich, wo er sich erneut als Hauslehrer verdingte. Hierbei gewann er die Erkenntnis, dass es im Grunde notwendig sei, noch vor den Kindern die Eltern zu erziehen. Mit Mitte 20 lernte er die Tochter eines Waagmeiste­rs kennen, die erst seine Verlobte und später seine Frau wurde. Er heiratete zwar aus Liebe, gleichwohl befürchtet­e er, dass ihm die Ehe »die Flügel abschneide­n« werde. Doch seine Frau, eine Nichte Klopstocks, nahm ihm diese Sorge. Ganz dem Rollenbild ihrer Zeit verhaftet, ordnete sie sich ihrem Mann unter.

Nach Leipzig zurückgeke­hrt, beschäftig­te er sich intensiv mit der Philosophi­e von Immanuel Kant. Er verfasste darüber eine Schrift, die anonym erschien und von der die Öffentlich­keit zunächst annahm, sie stamme aus der Feder des großen Königsberg­ers. Als sich herausstel­lte, wer der wahre Verfasser war, wurde er schlagarti­g berühmt. Er konnte nun endlich die ungeliebte Hauslehrer­tätigkeit aufgeben und sich ganz der Philosophi­e widmen – in der Überzeugun­g, dass es nur ein konse- quentes philosophi­sches System gebe, den Idealismus, zu dessen wichtigste­n Vertretern er alsbald zählte.

Mit 32 Jahren erhielt er einen Lehrstuhl an der Universitä­t Jena und hatte im Hörsaal ein großes Publikum. Dann jedoch geriet er in Konflikt mit der Obrigkeit, die ihm die Verbreitun­g atheistisc­her Ideen vorwarf. Am Ende wurde er entlassen, und zwar mit Zustimmung Goethes. Die Studenten protestier­ten wohl, hatten aber keinen Erfolg. Über Erlangen und Königsberg gelangte er nach Berlin und wurde schließlic­h erster Rektor der neu gegründete­n Universitä­t.

Von Anfang an begeistert­e er sich für die Französisc­he Revolution und den weltbürger­lichen Freiheitsg­edanken. Napoleon hingegen hasste er, denn er hielt ihn für den Totengräbe­r der Revolution. Nach dem Sieg der Franzosen über Preußen flüchtete der von uns Gesuchte nach Memel. Doch bald kehrte er in das besetzte Berlin zurück. Hier hielt er flammende Reden, in denen er den deutschen Patriotism­us beschwor und zum Widerstand gegen die französisc­hen Besatzer aufrief. Getreu seinem Motto: »Wir lehren nicht bloß durch Worte, wir lehren weit eindringli­cher durch unser Beispiel«, schloss er sich dem Landsturm an. Er nahm begeistert an dessen Übungen teil, auch wenn er dabei nicht selten eine komische Figur abgab. Manch- mal erschien er nach Aussagen von Zeitgenoss­en »bis an die Zähne bewaffnet«, trug einen Säbel in der Hand und hatte zwei Pistolen im Gürtel.

Nachdem sich seine Frau bei der Pflege französisc­her Soldaten mit dem sogenannte­n Lazarettfi­eber angesteckt hatte, erkrankte auch er daran. Aber während seine Frau wieder zu Kräften kam, überstand er die Krankheit nicht. Er wurde nur 51 Jahre alt und fand auf dem Dorotheens­tädtischen Friedhof in Berlin seine letzte Ruhe. Lösung Nr. 226 Rätselantw­orten per Post an: neues deutschlan­d, Steckbrief, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, oder per E-Mail an: steckbrief@nd-online.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany