Nicht nur reden, handeln!
Er war das erste von acht Kindern eines Webers. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, in denen es für Jungen und Mädchen eigentlich keine Bildungs- und Aufstiegschancen gab. Doch er hatte Glück. Als er zehn Jahre alt war, traf er auf einen Freiherrn, dem er die Sonntagspredigt, die dieser versäumt hatte, Wort für Wort aus dem Gedächtnis wiedergab. Daraufhin beschloss der adlige Herr, den begabten Jungen unter seine Fittiche zu nehmen und schickte ihn auf eine nahe gelegene Lateinschule.
Später durfte er die renommierte Lehranstalt in Schulpforta besuchen. Sechs Jahre blieb er dort, dann ging er nach Jena, um an der Universität ein Theologiestudium aufzunehmen. Ein Jahr darauf wechselte er nach Leipzig. Da die Familie seines inzwischen verstorbenen Gönners ihm kein Geld mehr schickte, sah er sich genötigt, Privatunterricht zu geben und als Hauslehrer zu arbeiten. Doch diese Tätigkeit wurde nicht nur schlecht bezahlt, sondern war überdies so zeitraubend, dass er es nicht schaffte, sein Studium zum Abschluss zu brin- Der Preis für das aktuelle Rätsel ist das Buch »Das Leben verstehen« von Wilhelm Schmid. Einsendeschluss ist der 12.12. gen. Er verließ Leipzig und ging nach Zürich, wo er sich erneut als Hauslehrer verdingte. Hierbei gewann er die Erkenntnis, dass es im Grunde notwendig sei, noch vor den Kindern die Eltern zu erziehen. Mit Mitte 20 lernte er die Tochter eines Waagmeisters kennen, die erst seine Verlobte und später seine Frau wurde. Er heiratete zwar aus Liebe, gleichwohl befürchtete er, dass ihm die Ehe »die Flügel abschneiden« werde. Doch seine Frau, eine Nichte Klopstocks, nahm ihm diese Sorge. Ganz dem Rollenbild ihrer Zeit verhaftet, ordnete sie sich ihrem Mann unter.
Nach Leipzig zurückgekehrt, beschäftigte er sich intensiv mit der Philosophie von Immanuel Kant. Er verfasste darüber eine Schrift, die anonym erschien und von der die Öffentlichkeit zunächst annahm, sie stamme aus der Feder des großen Königsbergers. Als sich herausstellte, wer der wahre Verfasser war, wurde er schlagartig berühmt. Er konnte nun endlich die ungeliebte Hauslehrertätigkeit aufgeben und sich ganz der Philosophie widmen – in der Überzeugung, dass es nur ein konse- quentes philosophisches System gebe, den Idealismus, zu dessen wichtigsten Vertretern er alsbald zählte.
Mit 32 Jahren erhielt er einen Lehrstuhl an der Universität Jena und hatte im Hörsaal ein großes Publikum. Dann jedoch geriet er in Konflikt mit der Obrigkeit, die ihm die Verbreitung atheistischer Ideen vorwarf. Am Ende wurde er entlassen, und zwar mit Zustimmung Goethes. Die Studenten protestierten wohl, hatten aber keinen Erfolg. Über Erlangen und Königsberg gelangte er nach Berlin und wurde schließlich erster Rektor der neu gegründeten Universität.
Von Anfang an begeisterte er sich für die Französische Revolution und den weltbürgerlichen Freiheitsgedanken. Napoleon hingegen hasste er, denn er hielt ihn für den Totengräber der Revolution. Nach dem Sieg der Franzosen über Preußen flüchtete der von uns Gesuchte nach Memel. Doch bald kehrte er in das besetzte Berlin zurück. Hier hielt er flammende Reden, in denen er den deutschen Patriotismus beschwor und zum Widerstand gegen die französischen Besatzer aufrief. Getreu seinem Motto: »Wir lehren nicht bloß durch Worte, wir lehren weit eindringlicher durch unser Beispiel«, schloss er sich dem Landsturm an. Er nahm begeistert an dessen Übungen teil, auch wenn er dabei nicht selten eine komische Figur abgab. Manch- mal erschien er nach Aussagen von Zeitgenossen »bis an die Zähne bewaffnet«, trug einen Säbel in der Hand und hatte zwei Pistolen im Gürtel.
Nachdem sich seine Frau bei der Pflege französischer Soldaten mit dem sogenannten Lazarettfieber angesteckt hatte, erkrankte auch er daran. Aber während seine Frau wieder zu Kräften kam, überstand er die Krankheit nicht. Er wurde nur 51 Jahre alt und fand auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin seine letzte Ruhe. Lösung Nr. 226 Rätselantworten per Post an: neues deutschland, Steckbrief, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, oder per E-Mail an: steckbrief@nd-online.de