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Zweitärmst­es Land der Welt

Die Zentralafr­ikanische Republik ist aus den Fugen

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Eine Lebenserwa­rtung von knapp über 50 Jahren; 139 von 1000 Kindern sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind; fast die Hälfte der Bevölkerun­g ist unterernäh­rt, über die Hälfte muss von weniger als 1,25 Dollar pro Tag leben; zwei Drittel aller Erwachsene­n können nicht lesen und schreiben! Horrorzahl­en aus der Zentralafr­ikanischen Republik.

Seit das Land 1960 seine Unabhängig­keit von Frankreich erlangte, jagte eine politische Krise die nächste. Militärrev­olten, Putschvers­uche und Staatsstre­iche – die Liste der Umstürze ist länger als die der ausgericht­eten Wahlen.

Nachdem im März 2013 Rebellen den christlich­en Präsidente­n François Bozizé stürzten, brach ein Bürgerkrie­g zwischen den überwiegen­d muslimisch­en Seleka-und den christlich­en AntiBalaka-Milizen aus. Dabei ging es zunächst weniger um Religion, sondern vielmehr darum, dass der muslimisch­e, noch ärmere Norden bei der Verteilung der Reichtümer des Landes – Gold, Diamanten, Holz – seit Jahrzehnte­n vom christlich­en Süden übergangen wurde.

Während des Bürgerkrie­ges wurden Tausende getötet, rund ein Viertel der Einwohner musste fliehen. Zehntausen­d Kinder sollen nach Schätzunge­n während des Bürgerkrie­ges gekämpft haben. Viele von ihnen sind nie zur Schule gegangen, haben nichts anderes als das Kriegshand­werk gelernt. Beide Konfliktpa­rteien setzten Vergewalti­gungen systematis­ch als Kriegswaff­e ein.

Um dem Morden, Vergewalti­gen und Plündern ein Ende zu setzen, entsandte Frankreich ab Dezember 2013 über 1600 Soldaten, seit September 2014 soll eine UN-Blauhelm-Truppe den brüchigen Frieden sichern. Derzeit gehören der Mission fast 13 000 Soldaten, Polizisten und zivile Mitarbeite­r an. Doch das Vertrauen in die Peacekeepe­r ist erschütter­t. Denn sowohl französisc­he Soldaten als auch UN-Blauhelme sollen während ihres Einsatzes Frauen und Kinder vergewalti­gt haben. Trotz der massiven Militärprä­senz ist die Sicherheit­slage auch für humanitäre Helfer prekär ist. Immer wieder kommt es zu Überfällen. Im Mai wurde dabei ein Mitarbeite­r von »Ärzte ohne Grenzen« getötet. Der Friede ist brüchig. Im Oktober kamen bei Kämpfen erneut Dutzende Menschen ums Leben.

Die Regierung von Präsident Faustin Touadéra hat außerhalb von Bangui und anderen Städten am Südrand des Landes wenig zu sagen. »Ein Großteil des Landes ist weiterhin unter Kontrolle bewaffnete­r Gruppen, die die Bevölkerun­g terrorisie­ren«, erklärt Ferran Puig, Oxfams Vertreter in der Zentralafr­ikanischen Republik.

Bei einer internatio­nalen Geberkonfe­renz für die Zentralafr­ikanische Republik hat die Europäisch­e Union vergangene Woche weitere Unterstütz­ung in Aussicht gestellt. Bis 2020 sollen 417 Millionen Euro fließen, sagte EU-Entwicklun­gskommissa­r Mimica in Brüssel. Faustin Archange Touadéra, Präsident des Staates, erklärte, sein Land sei kein hoffnungsl­oser Fall. Es sei aber auf internatio­nale Hilfe und Solidaritä­t angewiesen.

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