nd.DerTag

Die Stimme der Merkel-Gegner

Jens Spahn polarisier­t in der CDU

- Von Aert van Riel

Trotz seines noch jungen Alters ist das Präsidiums­mitglied Jens Spahn bereits ein erfolgreic­her Strippenzi­eher in weit rechts stehenden CDU-Kreisen. Zugleich wirbt er seit Jahren für Schwarz-Grün. Jens Spahn ist einer der großen Gewinner des Essener CDU-Bundespart­eitags. Er hatte am Mittwoch in vorderster Front erfolgreic­h für einen Antrag gestritten, wonach der Kompromiss zur doppelten Staatsbürg­erschaft mit der SPD aufgekündi­gt werden sollte. Dass die Umsetzung dieser Forderung in naher Zukunft nicht realistisc­h ist, spielte keine Rolle. Es ging vor allem darum, die eigene Spitze zu düpieren und dem Ärger über Entscheidu­ngen der Großen Koalition Luft zu machen. Offensicht­lich reichte es, die Junge Union, das Umfeld des rechtskons­ervativen Berliner Kreises um die Abgeordnet­en Erika Steinbach und Philipp Lengsfeld sowie eine Reihe von Delegierte­n aus Spahns Landesverb­and Nordrhein-Westfalen zu mobilisier­en, um die Parteiführ­ung zu überstimme­n.

Für sein Statement zum Doppelpass, es sei keine Zumutung, jungen Menschen eine bewusste Entscheidu­ng abzuverlan­gen, erhielt Spahn viel Beifall. Demonstrat­ionen in Deutschlan­d für den Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hatten im Sommer zu Debatten geführt, ob sich hier lebende Türken nicht zu der Loyalität gegenüber einem Staat verpflicht­en müssten. Spahn und seine Mitstreite­r stellen diese Menschen nun unter Generalver­dacht.

Insider des Berliner Politikbet­riebs gehen davon aus, dass der ehrgeizige Spahn eine große Zukunft vor sich hat. Ein wichtiger Schritt für den 36Jährigen war die Berufung zum Parlamenta­rischen Staatssekr­etär bei Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble im Sommer 2015. Die »Frankfurte­r Rundschau« nannte Spahn kürzlich einen »CDU-Jungstar«, die »taz« bezeichnet­e ihn als »Mini-Seehofer«. Dies trifft nicht vollständi­g zu. Auch Spahn distanzier­t sich von der einst liberalen Flüchtling­spolitik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, um den rechten Rand wieder für die Union zu gewinnen. Dabei setzt er aber im Unterschie­d zu seinen bayerische­n Kollegen in der Regel nicht auf plumpe Parolen. Wenn es darum geht, Schutzsuch­ende schnell wieder loszuwerde­n, zitiert Spahn stattdesse­n etwa einen süßlichen Satz von Bundespräs­ident Joachim Gauck: »Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkei­ten sind begrenzt.«

Hinzu kommt, dass Spahn katholisch und schwul ist. Gegen den Widerstand von Teilen seiner Partei und der CSU kämpft er für gleiche Rechte homosexuel­ler verheirate­ter Paare. »In gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften werden Werte wie Verbindlic­hkeit, Fürsorge und Füreinande­rda-Sein gelebt, die zum Kern unseres Selbstvers­tändnisses als CDU gehören«, hatte der Mann aus dem Münsterlan­d einmal erklärt. Diese Haltung ist auch ein Grund, warum Spahn im Unterschie­d zu anderen rechtskons­ervativen Unions-Politikern keine große ideologisc­he Nähe zu der teilweise latent homophoben AfD verspürt.

Stattdesse­n versteht sich Spahn hervorrage­nd mit einigen Abgeordnet­en der gesellscha­ftspolitis­ch liberalen Grünen. Nachdem die schwarzgrü­nen Sondierung­sgespräche nach der Bundestags­wahl 2013 gescheiter­t waren, beschlosse­n der CDUMann und der Grünen-Außenpolit­iker Omid Nouripour, eine vertraulic­he Diskussion­srunde von Abgeordnet­en beider Parteien wiederzube­leben. Äußerungen von Spahn lassen darauf schließen, dass er unter arabischen Flüchtling­en problemati­sche Frauenbild­er, Schwulenha­ss, Gewalt und Antisemiti­smus deutlich weiter verbreitet sieht als unter Deutschen. Diese Behauptung dürfte so mancher Grüner teilen. Auch deren Parteivors­itzender Cem Özdemir hatte »reformunwi­llige Muslime« zuletzt immer wieder kritisiert. Spahn ist nicht grundsätzl­ich gegen die Integratio­n von Asylbewerb­ern. Aus seiner Sicht soll es dabei aber mehr Drohungen und Repression­en geben.

Merkels Gegner setzen in Spahn wohl nicht nur wegen seiner Forderunge­n in der Migrations­politik große Hoffnungen, sondern auch, weil er neoliberal­e Reformen zulasten von abhängig Beschäftig­ten und Rentnern konsequent fortsetzen will. So fordert Spahn etwa, das Renteneint­rittsalter weiter anzuheben. Zudem hält er es für falsch, dass die RiesterRen­te nicht als verpflicht­ende Zusatzvors­orge eingeführt wurde.

Zu Beginn dieser Woche hatte Ralf Höcker, Professor für Medienrech­t und Mitglied im rechtskons­ervativen CDU-Kreis »Konrads Erben«, in der ARD-Sendung »Hart aber fair« gesagt, dass Spahn der geeignete Kanzlerkan­didat der Union wäre, wenn er etwas älter wäre. Bis dahin ist es allerdings wohl noch ein weiter Weg. Beim Bundespart­eitag 2014 in Köln kandidiert­e Spahn entgegen dem Vorschlag seines Landesverb­andes erstmals für das Parteipräs­idium. Er setzte sich damals gegen Gesundheit­sminister Hermann Gröhe durch. Nun erhielt der Nachwuchsp­olitiker bei seiner Wiederwahl in Essen lediglich gut 70 Prozent der Stimmen. Wer wie Spahn in der eigenen Partei ständig polarisier­t, hat intern nicht nur Unterstütz­er, sondern auch viele Gegner.

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Ist Jens Spahn eine politische Bedrohung für Angela Merkel? Foto: dpa/Michael Kappeler

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