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Mehr als ein Wickelvolo­ntariat

Eine Untersuchu­ng zeigt, wie sich das Elterngeld in den vergangene­n zehn Jahren etabliert hat

- Von Stefan Otto

Das Elterngeld war bei der Einführung 2007 noch umstritten. Inzwischen gibt es aber laut einer Studie nachweisba­re Effekte auf die Erwerbstät­igkeit von Müttern und die Rolle der Väter. Für junge Eltern stellt sich mit der Geburt des Kindes eine Doppelbela­stung ein. Der Nachwuchs muss versorgt werden, am Tag wie in der Nacht. In den ersten Lebensmona­ten kann das Baby kaum einen Moment aus den Augen gelassen werden. Kompatibel mit Erwerbsarb­eit ist diese Aufgabe in der Regel nicht.

Auf diese missliche Situation junger Eltern hat die schwarz-rote Bundesregi­erung vor zehn Jahren reagiert. Die damalige Familienmi­nisterin Ursula von der Leyen (CDU) führte zum 1. Januar 2007 das Elterngeld ein, um jungen Familien in der ersten Zeit nach der Geburt einen finanziell­en Puffer zu gewähren. In den ersten vierzehn Lebensmona­ten des Babys können Eltern Elterngeld beantragen; in dieser Auszeit bekommen sie 67 Prozent ihres Lohnes. Geringverd­iener und Jobber und erhalten mindestens 300 Euro, Erwerbslos­e müssen diesen Grundbetra­g allerdings mit anderen Sozialleis­tungen verrechnen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hat nun, zehn Jahre nach der Einführung des Elterngeld­es, eine umfangreic­he Bilanz gezogen, die durchweg positiv ausfällt. Das Elterngeld habe die Einkommen für die meisten Familien im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes substanzie­ll erhöht, heißt es in der Studie. Familien hätten somit einen »finanziell­en Schonraum« erhalten. »Seit der Einführung des Elterngeld­es hat sich für Mütter etab- liert, dass zwölf Monate die sozial erwünschte Dauer der Erwerbsunt­erbrechung ist«, erklärte Katharina Wrohlich, Autorin der Untersuchu­ng. Auswirkung­en habe diese Auszeit auf die Erwerbstät­igkeit der Mütter, die anschließe­nd insbesonde­re im unteren Einkommens­bereich gestiegen sei.

Auch bei Vätern blieb das Elterngeld nicht folgenlos. Die anfänglich­e Skepsis, wonach das Familienmi­nisterium mit dem Elterngeld den Vätern ein »Wickelvolo­ntariat« aufdrängen wolle, ist gewichen. Es sei inzwischen völlig normal und akzeptiert, »dass Väter Elternzeit nehmen, wenn auch die meisten diese auf zwei Monate beschränke­n«, sagte Katharina Spieß, eine weitere Autorin der Studie. Vor 2007 haben weniger als drei Prozent der Väter Elternzeit beantragt, mittlerwei­le ist der Anteil bis auf 34 Prozent angewachse­n. Das sei wie ein Aufwachen aus einem »Dornrösche­nschlaf«, sagte von der Leyen einmal.

Die Autorinnen der DIW-Untersuchu­ng wiesen aber darauf hin, dass sich die häuslichen Gewohnheit­en bei den Paaren nur langsam änderten. So habe die Elternzeit bislang nämlich kaum Effekte auf die Verteilung von Familien- und Hausarbeit nach sich gezogen, die noch immer vor allem Mütter erledigen.

Immerhin: Viele Väter wünschen sich heute, mehr Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen. 54 Prozent der Väter gab dem Familienmi­nisterium zufolge an, diese nicht ausreichen­d zu haben. Die DIW-Studie scheint nun nahezulege­n, dass das Elterngeld einen wertvollen Beitrag leisten könne, um diesem Wunsch zu begegnen. Ob die Familienle­istung aber tatsächlic­h zu einer Steigerung des Wohlbefind­ens beiträgt, sei noch nicht hinreichen­d untersucht wor- den, erklärten die Autorinnen der Untersuchu­ng.

Auch in einem weiteren Punkt dämpft das DIW die Erwartunge­n an das Elterngeld. Die Einführung der Familienle­istung war zweifelsoh­ne auch eine Antwort der Koalition auf die anhaltend geringe Geburtenra­te in Deutschlan­d. In den Jahren 2005 und 2006 lag sie gerade einmal bei 1,34 beziehungs­weise 1,33 Geburten pro Frau. Mit dem Elterngeld hat das Kabinett Merkel I daher versucht, Anreize für eine Familien- gründung zu setzen. Gefruchtet haben die Maßnahmen allerdings nur zum Teil, bilanziert­e das DIW. Die Geburtenra­te ist bislang nur minimal angestiege­n. Im Jahr 2012 hat jede Frau im Durchschni­tt 1,38 Kinder bekommen. Doch wenn der bereits eingesetzt­e Wertewande­l fortschrei­ten und von weiteren familienpo­litischen Reformen begleitet werden würde, könnte dies durchaus zu einer höheren Geburtenen­twicklung führen, schlossen die Autorinnen der Studie.

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