Gruevski will es wieder wissen
Mazedonien wählt und hofft auf ein Ende der Manipulationen durch die Regierungspartei
Im dritten Anlauf soll in Mazedonien am Sonntag endlich ein neues Parlament gewählt werden. Manipulationen sind kaum auszuschließen. Die Ära Gruevski neigt sich wohl dennoch dem Ende entgegen. Neon-Weihnachtssterne leuchten über dem Rathausplatz von Demir Hisar, einer knapp 10 000 Einwohner zählenden Stadt im Südwesten Mazedoniens. Frostig hat sich die Dunkelheit über die schneebedeckten Gipfel der Umgebung gesenkt. Von eifrigen Helfern der Regierungspartei VMRO-DPME ausgeschenkter Tee wärmt die klammen Hände der rund 500 Schaulustigen. Die Regierungspartei trägt den unhandlichen Namen Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPME). »Mazedonien lebe frei«, brummen zwei rotbäckige Rentner den letzten Vers der von einer Opernsängerin angestimmten Nationalhymne inbrünstig mit.
Wahlkampf in einem Krisenland. Der Dorftratsch scheint vielen interessanter als die Botschaften der Stimmenjäger am Rednerpult. Endlich kündigt eine Hymne den hohen Gast aus Skopje an. Bengalische Feuerfackeln tauchen die Menge in ein rotes Licht. Wie ein Boxer schreitet der mächtigste Mann im Balkanstaat mit erhobenen Armen durch das Spalier der aufgereihten Honoratioren. Für ihre »Lügen« werde die Opposition bei den Parlamentswahlen die »verdiente« Quittung erhalten, verkündet Ministerpräsident und Parteichef Nikola Gruevski: »Wir werden einen historischen Sieg erringen.«
Mit langen Zahlenkolonnen sucht Gruevski in Demir Hisar die Erfolge seiner Regentschaft ins rechte Licht zu setzen. Doch ob es die frostigen Temperaturen oder die langatmigen Ausführungen sind: Schon vor deren Ende hat sich das Publikum um mehr als die Hälfte gelichtet.
Im dritten Anlauf in diesem Jahr sollen auf Vermittlung der EU am Sonntag endlich vorgezogene Parlamentswahlen steigen. Erneute Manipulationen sind kaum auszuschließen, ein Ende der seit über zwei Jahren anhaltenden Krise ist nicht in Sicht. Doch ob Sieg oder Niederlage: Das Ende der Ära Gruevski dämmert wohl heran. Denn nicht nur für die westliche Länder – und Geldgeber –, sondern auch für die eigene Partei ist er zur Belastung geworden.
Von normalen politischen Akteuren könne keine Rede sein, sagt der Publizist Sasho Ordanoski in Skopje: »In Mazedonien haben wir keine Demokratie, sondern es mit der Mafia zu tun.« Es sei weltweit ohne Beispiel, dass die Bevölkerung eines Staates dank der Veröffentlichung von 430 abgehörten Telefonaten genau verfolgen konnte, wie ihre höchsten Repräsentanten die Verfälschung von Wahlen absprachen, Medien gefügig machten, sich illegal bereicherten, Korruptionsgelder erpressten, Oppositionelle verhaften oder deren Eigentum zerstören ließen. Trotzdem sitze die Führungsriege weiter fest im Sattel. Seit dem Sommer 2015 währte der Verhandlungsmarathon zwischen EU, Regierung und Opposition über die Bedingungen zur Durchführung vorgezogener Wahlen.
Vor Jahresfrist wurde auf Druck Brüssels eine Sonderstaatsanwaltschaft eingesetzt, die die Hintergründe der in den Gesprächsmitschnitten enthüllten Verbrechen ermitteln soll. 30 000 »Phantomwähler« hätten aus den Wahllisten getilgt werden können, zudem seien dort die Namen der Wahlberechtigten nun mit Fotos versehen, begründet Radmila Shekerinska, die Vizechefin der Sozialdemokratische Liga Mazedoniens, warum die Opposition nun für die Wahlen ist.