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Der Strukturwa­ndel kann warten

Bundesregi­erung gibt veranschla­gte Gelder für Braunkohle­regionen nicht frei – es fehlt ein Konzept dafür

- Von Kurt Stenger

Der Braunkohle­ausstieg könnte für einige Regionen schmerzhaf­t werden, wenn der Strukturwa­ndel nicht rechtzeiti­g eingeleite­t wird. Aber die Bundesregi­erung hat es mit Hilfen für die Neuausrich­tung nicht eilig. Die Tage der Braunkohle­förderung und -verstromun­g in Deutschlan­d sind gezählt. Auch wenn sich die Bundesregi­erung noch vor einem Zeitplan drückt – früher oder später kommt der Ausstieg. Da im Osten ausgerechn­et struktursc­hwache Regionen in der Lausitz und in Mitteldeut­schland wirtschaft­lich stark betroffen sein werden, müsste längst der Strukturwa­ndel eingeleite­t sein. Doch das würde kosten: Laut Schätzunge­n werden jährlich rund 250 Millionen Euro benötigt, um den Umbruch zu unterstütz­en und sozial abzusicher­n.

Das können Brandenbur­g, Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht allein stemmen, der Bund ist gefragt. Tatsächlic­h ist im Haushalt für 2016 im Etat des Energie- und Klimafonds erstmals der Posten »Förderung von Maßnahmen zur Strukturan­passung in Braunkohle­bergbaureg­ionen« aufgeführt und mit vier Millionen Euro angesetzt. Dumm nur, dass bisher kein Geld fließt. Im September teilte die Regierung mit, dies liege daran, dass der Klimaschut­zplan 2050 noch nicht beschlosse­n sei. Erst dann werde geprüft, inwieweit etwaige Maßnahmen in das Gesamtkonz­ept für alle Braunkohle­bergbaureg­ionen einbezogen werden könnten.

Die dringend benötigten Hilfen lagen also wegen des monatelang­en in- ternen Gerangels einzelner Ministerie­n quasi auf Eis. Mitte November hat das Kabinett den Klimaschut­zplan nun verabschie­det – doch bei diesen Fördermitt­eln tut sich immer noch nichts: Erforderli­ch seien »umfassende Vorarbeite­n für die Konzeption der Richtlinie zur Ausgestalt­ung des Programms«, die noch nicht abgeschlos­sen seien, teilte Wirtschaft­sstaatssek­retärin Brigitte Zypries in der dem »nd« vorliegend­en Antwort auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion im Bundestag mit. Zu klären sei, wer bei der Projektför­derung antragsber­echtigt ist, was gefördert werden soll und wer in den Prozess einzubezie­hen ist.

Auch wenn man sich in den vielen Monaten noch gar keine Gedanken über das Programm gemacht hat – um schöne Worte ist die Regierung nicht verlegen: »Ziel ist es, in den betroffene­n Regionen konkrete Zukunftspe­rspektiven zu eröffnen, bevor konkrete Entscheidu­ngen für den schrittwei­sen Rückzug aus der Braunkohle­wirtschaft erfolgen können«, schreibt Zypries. »Dafür bedarf es einer regionalun­d industriep­olitischen Strategie, die den Strukturwa­ndel aktiv gestaltet und die Unternehme­n und ihre Arbeitskrä­fte bei der Anpassung an neue regionale Strukturen unterstütz­t.« Immerhin an einer Stelle wird sie kon- kret: Bisher nicht geflossene Mittel werden zum Jahresende nicht verfallen, sondern bleiben zusätzlich zu den bis 2020 vorgesehen weiteren vier Millionen Euro jährlich erhalten.

Die klimapolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, ist trotzdem sauer und erklärt: »wieder ein verlorenes Jahr für den Strukturwa­ndel«. Nicht einmal für diese kleine Summe gebe es einen Verwendung­splan.

Das ist umso problemati­scher, als sich die Kommunen in der Lausitz in diesem Jahr mit erhebliche­n Rückzahlun­gsfor de run genVatten falls für geleistete Gewerbeste­uer vorauszahl­ungen konfrontie­rt sehen. Der Konzern begründet dies mit Verlusten im Braunkohle geschäft 2015. Allein auf die Stadt Cottbus kämen laut Medienberi­chten rund vier Millionen Euro zu. Brandenbur­gs Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE) forderte bereits vom Bund eine Kompensati­on für die Steuerausf­älle. Hier wirdZypri es ganz deutlich :» Die angesproch­ene Kompensati­onspf licht des Bundes besteht nicht.« Formal ist dies gewiss korrekt, in der Sache aber zumindest ignorant.

Auch bei anderen Summen schiebt die Regierung die Verantwort­ung weiter: Ab 2017 sollen im Rahmen der Gemeinscha­ft s aufgabe» Verbesseru­ng der regionalen Wirtschaft­sstruktur «7,3 Millionen Euro in ein Projekt zurEnt wicklung neuer Perspektiv­en fü reine länderüb ergreifend­e Regional entwicklun­g inder Lausitz fließen. W annes losgeht, ist laut Bundesregi­erung ebenfalls völlig unklar: Die Durchführu­ng liege »ausschließ­lich bei den Ländern«.

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Foto: dpa

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