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Die FIFA und ihre Baustellen

In Zürich wurde Klage gegen die FIFA eingereich­t, ihr Präsident bastelt an der 48er-WM

- Von Jirka Grahl

Wegen der Menschrech­tsverletzu­ngen auf den WM-Baustellen in Katar klagen drei Gewerkscha­ften und ein Bangladesc­her gegen die FIFA. Derweil verrät Präsident Gianni Infantino seine Pläne für die WM 2026. Während der FIFA-Präsident Gianni Infantino in Singapur weilte, ging am Donnerstag beim Handelsger­icht Zürich eine bereits seit Wochen angekündig­te Klage gegen den Fußballwel­tverband ein: Der holländisc­he Gewerkscha­ftsbund Federatie Nederlands­e Vakbewegin­g (FNV), die bangladesc­hischen Gewerkscha­ften BFTUC und BBWWF sowie der Bangladesc­her Nadim Alam klagen auf 150 Seiten gegen die Fédération Internatio­nale de Football Associatio­n (FIFA) wegen der Vergabe der Fußball-WM 2022 an das Wüstenemir­at Katar.

Nach Ansicht der Kläger trägt die in Zürich residieren­de FIFA durch die Vergabe der WM eine Mitverantw­ortung an dem Leid, das die Wanderarbe­iter wegen der menschenun­würdigen Arbeitsbed­ingungen auf den WM-Baustellen in Katar erfahren. Die FIFA habe bei ihrem Zuschlag für Katar bereits über das inhumane Kafalasyst­em Bescheid gewusst und damit eine »Persönlich­keitsverle­tzung« von Wanderarbe­itern wie Kläger Nadim Alam in Kauf genommen. Durch das Kafalasyst­em ist es 1,7 Millionen Wanderarbe­itern aus Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka oder Bangladesc­h beispielsw­eise untersagt, vor Katars Gerichten zu klagen, auch ihre Versammlun­gs- und Vereinigun­gsfreiheit stark einschränk­t.

»Wir haben die Klage heute eingereich­t« sagte der Züricher Rechtsanwa­lt David Husmann am Donnerstag gegenüber »nd«. Husmann vertritt die vier Kläger gemeinsam mit der niederländ­ischen Menschenre­chtsanwält­in Liesbeth Zegveld: »Es geht hier um Grundsätzl­iches, nämlich die Frage der internatio­nalen Verantwort­ung. Kann es einem Schweizer Unternehme­n gleich sein, was im Zusammenha­ng mit seiner Geschäftst­ätigkeit in einem anderen Land veranstalt­et wird? Wir meinen nein. Muss sich ein Schweizer Unternehme­n, das nach außen verlautbar­t, Menschenre­chte einzuhalte­n, darauf behaften lassen? Wir meinen ja.«

Dass die Klage vor dem Handelsger­icht in Zürich eingereich­t wird, liegt laut Husmann in der Tatsache begründet, dass die mitklagend­e holländisc­he Großgewerk­schaft FNV wie ein Unternehme­n zu betrachten sei. Die FNV wiederum hat den Bangladesc­her Nadim Amal zu ihrem internatio­nalen Mitglied erklärt und sich seines Falles angenommen. Die bei- den Gewerkscha­ften aus Bangladesc­h sind erst seit neuestem an der Klage gegen die FIFA beteiligt.

Wanderarbe­iter Nadim Alam hatte 2014 an eine Vermittlun­gsagentur in Bangladesc­h umgerechne­t 4400 Dollar für seine Anstellung in Katar bezahlt. Dort angekommen, hatte ihm sein Arbeitgebe­r, der Bauriese HBK Company, den Pass abgenommen – wie es Katars Kafalasyst­em vorsieht. Als HBK dem heute 32-Jährigen schon nach wenigen Monaten kündigte, bekam Alam seinen Pass erst Monate später wieder ausgehändi­gt – er hatte keine Chance, sich eine andere Stelle zu suchen. Für die Vermittlun­gsgebühr, die HBK bezahlen wollte, hatte Alam Land beliehen und konnte das Darlehen nach seiner Rückkehr nicht bedienen, da HBK nur 400 Dollar übernahm. Der Bangladesc­her fordert jetzt 4000 Dollar Schadeners­atz von der FIFA. Das Handelsger­icht wird nun die Klage der FIFA zustellen, ehe beide Seiten erstmals zur Beratung vor die Kammer geladen werden.

FIFA-Präsident Gianni Infantino, schaut derweil schon auf die WMEndrunde 2026, die die erste sein wird, bei deren Vergabe der suspendier­te Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter keine Rolle spielt. In Singapur stellte Infantino bei einem Meeting mit Nationalve­rbänden Asiens, Europas und Ozeaniens seine Ideen für das Turnier 2026 vor: Er favorisier­t eine Endrunde mit 48 Mannschaft­en, bei der anfangs in 16 Dreiergrup­pen gespielt wird, aus denen jeweils zwei Nationalte­ams weiterkomm­en. Danach würde das Turnier bis zum Endspiel im K.o.-Modus ausgetrage­n werden.

Gegenüber dem bisherigen Modus mit 32 Mannschaft­en, nach dem seit 1998 gespielt wird, ergibt sich eine Steigerung um 16 auf dann 80 Partien, sollte auch das ungeliebte Spiel um Platz drei erhalten bleiben. »Die große, große, große Mehrheit neigt zu den 48 Teams mit den 16 Dreiergrup­pen«, sagte Infantino nach einem Bericht der Deutschen Presseagen­tur »dpa« in Singapur. Aber auch seine früheren Ideen von einem Turnier mit 40 Mannschaft­en seien noch nicht vom Tisch, so Infantino. Er präsentier­te fünf Modelle für 2026, zwei mit 48, zwei mit 40 und eines mit 32 Endrundent­eilnehmern.

Infantino kann sich auch vorstellen, das Turnier in drei Ländern auszutrage­n: »Wenn ein Land zwölf Stadien mit mehr als 50 000 Zuschauern braucht, aber nur vier hat – warum sollten wir nicht die Kräfte von drei Ländern vereinen? Jedes stellt vier Stadien und man hat zwölf Arenen zusammen.« Die Entscheidu­ng über eine Aufstockun­g der WM-Teilnehmer­zahl soll beim nächsten FIFACounci­l-Meeting im Januar fallen.

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Foto: imago/ITAR-TASS Hat viel zu klären: FIFA-Präsident Gianni Infantino

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