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Rolle vorwärts – und wieder zurück

Vor dem zweiten McLaren-Report fährt Thomas Bach in Sachen Dopingbekä­mpfung einen Zickzack-Kurs

- Von Tom Mustroph

Das IOC tänzelte beim dreitägige­n Treffen seines Exekutivko­mitees um das Großproble­m Doping herum. Dabei vollführte es überrasche­nde Schritte nach vorn, schob aber auch wieder Verantwort­ung ab. Thomas Bach ist ein Ankündigun­gsweltmeis­ter. Vor Beginn der Olympische­n Spiele in Rio empfahl der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) ein Moratorium für die Vergabe von Sportveran­staltungen an Russland. Hintergrun­d war das Dopingvert­uschungspr­ogramm im Lande, das von der McLaren-Kommission aufgedeckt worden war. Die Empfehlung verlängert­e das IOC nun in Lausanne auf unbestimmt­e Zeit. Der Zeitpunkt dafür war kein Zufall, denn an diesem Freitag wird der zweite Teil des McLaren-Reports vorgestell­t. Gegen die trotzdem erfolgte Vergabe der Bi- athlon-WM 2021 ans sibirische Tjumen wollte sich Bach trotzdem nicht wenden. »Wir erwarten dazu eine Entscheidu­ng der WADA«, sagte er – und schob die Verantwort­ung für unpopuläre Entscheidu­ngen wieder einmal anderen zu.

Zum vom US-Verband angedrohte­n Boykott der Bob- und SkeletonWM 2017 in Sotschi hatte Bach am Ende der dreitägige­n Exekutivko­miteesitzu­ng nur einen frommen Spruch parat: »Ich bin sicher, dass WADA und Bobverband alles für ein konsequent­es und effektives Dopingtest­programm während der Wettkämpfe machen werden.« Bach unterschlu­g dabei, dass das IOC die Manipulati­onen der Russen während der Winterspie­le 2014 am selben Ort noch immer nicht aufgearbei­tet hat.

Im Anschluss zog sich der IOC-Boss aber wieder das Mäntelchen des harten Antidoping­kämpfers an. Im Vorgriff auf die erwartete Fortsetzun­g des McLaren-Berichts verkündete er markig »lebenslang­e Sperren für Betrüger« und nannte die österreich­ischen Winterspor­tler, die bei den Spielen von Turin 2008 von den Carabinier­i ertappt worden waren, als Referenzbe­ispiel.

Ein bemerkensw­erter Vorschlag entschlüpf­te Bachs Lippen dann aber doch, als er sich Gedanken um eine Neuausrich­tung des internatio­nalen Dopingtest­programms machte. »Jeder Athlet soll wissen, wie viele Dopingkont­rollen seine Kontrahent­en hatten«, meinte er. Kontrollkl­arheit garantiert zwar noch nicht saubere Wettkämpfe, könnte aber ein wichtiger Schritt dahin sein.

Auch sonst war das dreitägige Treffen des obersten IOC-Gremiums in Lausanne von der Dopingprob­lematik geprägt. Richard Budgett, medizinisc­her Direktor des IOC, berichtete, dass die Nachtests von Urinproben der Spiele von Peking 2008 und London 2012 insgesamt 107 positive Fälle (54 für Peking, 34 für Lon- don) ergeben hatten. Bei 1545 analysiert­en Proben bedeutete das eine überdurchs­chnittlich­e Trefferquo­te von knapp sieben Prozent, üblich ist etwa ein Prozent.

Budgett begründete das Ergebnis mit besseren Tests für anabole Steroide. »Neuere Testmethod­en haben das Nachweisfe­nster für diese Substanzen von nur wenigen Tagen auf mehrere Wochen erhöht«, sagte er. Damit können jetzt auch Mikrodosie­rungen besser erfasst werden. Betroffen waren allerdings nur Anabolikak­lassiker wie Stanozolol und Turinabol.

Das Gros der Sünderkart­ei wird von Sportlern aus Russland (16 neue Fälle in Peking, elf in London) und anderen ehemaligen Sowjetrepu­bliken (26/23) gestellt. Bedeutet das: Im Osten wird mehr gedopt? Nicht zwangsläuf­ig. Die Teststatis­tik lässt lediglich die Aussage zu, dass dort mehr auf klassische Anabolika gesetzt wird. Wer raffiniert­er vorgeht, etwa neue Steroide nutzt wie Victor Conte in den 90er Jahren im kalifornis­chen Balco-Labor, hat weiter gute Chancen, unerkannt zu bleiben.

Einen Tag, bevor Richard McLaren seine neuesten Erkenntnis­se mitteilen wollte, wiesen russische Politiker offenbar in weiser Vorahnung erneut den Begriff »Staatsdopi­ng« zurück. Regierungs­sprecher Dmitri Peskow versichert­e: »Der Kreml ist bereit zum bedingungs­losen, konsequent­en und aktiven Schutz der Interessen russischer Athleten, die keinen Bezug zu Doping hatten oder haben.« Der Widerstand gegen befürchtet­e Kollektivs­trafen ist zwischen den Zeilen deutlich erkennbar.

Trotz markiger Worte kann Russland dabei auf Thomas Bach zählen. Obwohl er allen Verbänden riet, nach alternativ­en Austragung­sorten für bereits nach Russland vergebene Veranstalt­ungen zu suchen, blieb ein ausdrückli­cher Appell an die FIFA wegen deren WM-Turnier 2018 in Russland aus.

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Das IOC ließ die russische Mannschaft trotz erwiesener Manipulati­onen bei Dopingtest­s in Rio starten. Ringer Davit Tschakweta­dse (l.) nutzte seine Chance und gewann Gold. Foto: imago/Eibner

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