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Mit Diät und Liebe

Marco Koch schwimmt schon über eine Nebenstrec­ke zu WM-Gold auf der Kurzbahn

- Von Jörg Soldwisch, Windsor SID/nd

Mit seinem überrasche­nden Sieg über 100 Meter bei der KurzbahnWM hat Marco Koch seine starke Form bestätigt. Der Erfolg nährt aber auch die Zweifel, ob seine Olympiavor­bereitung optimal war.

Gold beim »Aufwärmen«: Auch mit ein wenig Abstand konnte Deutschlan­ds Vorschwimm­er Marco Koch seinen WM-Triumph auf der Nebenstrec­ke kaum fassen. »Ich habe es eigentlich fürs Aufwärmen genutzt. Wir hatten sogar überlegt, mich abzumelden, um mich für morgen zu schonen. Und jetzt gewinne ich – das ist witzig«, sagte der 26-Jährige nach seinem etwas überrasche­nden Sieg über 100 Meter Brust bei den Kurzbahn-Weltmeiste­rschaften in Windsor.

Das Ziel des Weltmeiste­rs bei den Titelkämpf­en auf der 25-Meter-Bahn in Kanada war eigentlich Gold über die doppelte Distanz in der Nacht zu Freitag (nach Redaktions­schluss). Hier will er auch seinen vor zweieinhal­b Wochen bei den Deutschen Meistersch­aften in Berlin aufgestell­ten Weltrekord angreifen. »In dieser Form traue ich ihm alles zu«, sagte Bundestrai­ner Henning Lambertz.

Koch dominiert wieder die Weltspitze – nur leider vier Monate zu spät. Nach der Olympiaent­täuschung mit Platz sieben in Rio präsentier­t sich der Darmstädte­r nun in überragend­er Form und schlanker denn je. Mit einer Radikalkur hatte Koch, der wegen seiner im Vergleich zu anderen Schwimmern wenig austrainie­rten Figur in den Boulevardm­edien reichlich Spott geerntet hatte (»Dickes Problem für das deutsche Schwimmen«), nach Rio zwischenze­itlich 13 Kilogramm abgenommen.

Einen direkten Zusammenha­ng zu seinen jüngsten Erfolgen lässt Koch zumindest öffentlich nicht gelten. Doch seine Trainer deuten an, dass Marco Koch, Weltmeiste­r die Diät noch vor Rio wohl keine schlechte Idee gewesen wäre. »Hinterher ist man immer schlauer«, sagte Heimtraine­r Alexander Kreisel. Bundestrai­ner Lambertz ergänzte: »Er war in Rio körperlich nicht in bester Form. Es war vielleicht eine Addition von vielen Dingen: zurücklieg­ende Virusinfek­te, Schulterpr­obleme – und dann ein paar überflüssi­ge Pfunde mitgeschle­ppt.«

Doch Kochs starke Form ist nicht nur mit dem geringeren Gewicht zu erklären. Er hat die Kurzbahnsa­ison im Winter schon immer ernst genommen, weil hier nach den Saisonhöhe­punkten im Sommer auch viel Geld verdient werden kann. Möglicherw­eise verleiht ihm auch die Liebe Flügel. Freundin Reva Foos ist als Freistilsc­hwimmerin erstmals bei einer großen Meistersch­aft mit dabei. »Marco ist also auch ein bisschen abgelenkt, muss nicht immer allein auf seinem Zimmerchen hocken«, sagte Lambertz.

Im 100-Meter-Rennen war Koch jedoch fokussiert, mit seiner Siegerzeit von 56,77 Sekunden verpasste er seinen deutschen Rekord nur um zwei Hundertste­l. Die Sprinter Wladimir Morosov (Russland) und Fabio Scozzoli (Italien) hatten auf den Plätzen zwei und drei keine Chance. Koch hatte sie stärker eingeschät­zt und wirkte daher beim verhaltene­n Jubel im Wasser auch eher ungläubig als euphorisch. »Natürlich freue ich mich«, sagte Koch später, »aber es ist irgendwie anders.«

Schon den Vorlauf und das Halbfinale hatte Koch gewonnen – und danach die Favoritenr­olle weit von sich geschoben. Die Konkurrenz pokere nur, behauptete Koch: »Ich glaube, die anderen verarschen mich hier.« Doch in Wirklichke­it war keiner stärker als Koch.

»Wir hatten überlegt, mich abzumelden, um mich zu schonen. Und jetzt gewinne ich – das ist witzig.«

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Foto: dpa/Bernd Thissen

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