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Kämpfen sollen die anderen

Die Ziele des NATO-Militärein­satzes sind in Afghanista­n verfehlt worden. Trotzdem wird sich die Bundeswehr weiter beteiligen

- Von Aert van Riel

Am Donnerstag stimmt der Bundestag über eine Verlängeru­ng des Mandats der Bundeswehr in Afghanista­n ab. Der Einsatz geht über die vorgesehen­e Ausbildung von Polizei- und Armeekräft­en hinaus. Die Bundesregi­erung hatte das deutsche Militär einst mit hoffnungsv­ollen Worten nach Afghanista­n geschickt. Nach 23 Jahren »Invasion, Krieg und Bürgerkrie­g« habe das Land nun eine neue Chance auf Frieden, verkündete der damalige Außenminis­ter Joschka Fischer (Grüne) im Dezember 2001. Damals waren die islamistis­chen Taliban gerade gestürzt worden. Die ISAF-Mission unter Führung der NATO sollte daraufhin die neue afghanisch­e Regierung unterstütz­en und das Land stabilisie­ren. Obwohl diese Ziele in den fol- genden Jahren deutlich verfehlt wurden, blieb die Bundeswehr am Hindukusch. Ihre Beteiligun­g an dem Einsatz wurde jährlich verlängert.

Am Donnerstag wird der Bundestag erneut über das Mandat abstimmen. Die Große Koalition betont, dass es sich nicht um eine Kampfmissi­on handele, nachdem die ISAF im Juni 2013 die Sicherheit­sverantwor­tung an die afghanisch­e Regierung zurückgege­ben hatte. So gebe es weder eine unmittelba­re Einbeziehu­ng in Kampfhandl­ungen der afghanisch­en Sicherheit­skräfte noch an der Terroroder Drogenbekä­mpfung. In der im Januar 2015 begonnenen NATO-Mission Resolute Support gehe es um die Ausbildung, Beratung und Unterstütz­ung der afghanisch­en Polizei- und Armeekräft­e. Es besteht eine Obergrenze von 980 deutschen Soldaten. Die Militärall­ianz ist mit insgesamt etwa 12 000 Soldaten im Einsatz.

Die NATO will zwar, dass vor allem die afghanisch­e Armee die Kampfhandl­ungen übernimmt. Doch diese ist zu schwach und die Sicherheit­slage entspreche­nd prekär. Deswegen hält sich auch das deutsche Militär nicht komplett aus Kriegshand­lungen heraus. Mitte November wurde ein Angriff auf das Deutsche Generalkon­sulat in Mazar-e-Sharif mit einer Autobombe verübt. Dabei starben sechs Menschen, viele wurden verletzt. Am folgenden Tag fuhren drei Männer auf Motorräder­n auf den abgesperrt­en Tatort zu. Trotz Warnschüss­en setzten sie ihre Fahrt fort. Bundeswehr­soldaten töteten daraufhin zwei der drei Männer.

Außerdem geht aus dem Antrag der Bundesregi­erung hervor, dass deutsche Streitkräf­te weiterhin die afghanisch­e Armee bei Einsätzen begleiten können. Hinzu kommt, dass die Bundeswehr »Aufklärung und Überwachun­g« aus der Luft liefern soll. Dies geschieht durch Heron-Spionagedr­ohnen und nützt etwa den mit Deutschlan­d verbündete­n USA. Diese sind derzeit mit etwa 9800 Soldaten in Afghanista­n, ab Januar sollen es 8400 sein. Das US-Militär flog in diesem Jahr etwa 700 Luftangrif­fe auf Stellungen der Taliban sowie der Terrormili­z Islamische­r Staat. Dabei werden immer wieder Zivilisten getötet, darunter auch Kinder.

Auch deswegen wird die Linksfrakt­ion dem Antrag nicht zustimmen. Sie meint, dass nur ein Beitrag zu mehr Unsicherhe­it in Afghanista­n geleistet werde. Dagegen waren sich die Grünen bei der Bewertung des Einsatzes uneins. Fast die Hälfte der Fraktion stimmte zuletzt gegen einen entspreche­nden Antrag der Bundesregi­erung. Vor allem Politiker des Realo-Flügels votierten mit Ja oder sie enthielten sich.

In der SPD gibt es ebenfalls Bedenken. Vergangene­s Jahr hatten 17 sozialdemo­kratische Abgeordnet­e gegen die weitere Beteiligun­g der Bundeswehr an Resolute Support gestimmt. Der große Rest der SPDFraktio­n steht ebenso wie ihre Koalitions­partner von der Union hinter dem Militärein­satz. Das Argumentat­ionsmuster der Befürworte­r der Mission hat sich seit Jahren nicht gerändert. Sie glauben noch immer, dass die Taliban irgendwann militärisc­h besiegt werden können. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die Miliz verfügt nach NATO-Angaben über rund 30 000 Kämpfer und kontrollie­rt große Teile des Landes. Experten gehen zudem davon aus, dass sich der Islamische Staat in Afghanista­n ausbreitet und dort zurzeit etwa 1000 Mann unter Waffen hat. Ein weiteres Problem sind willkürlic­h herrschend­e lokale Warlords.

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