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Kein Erbarmen für Geflüchtet­e

Protest und Appelle vor erster Sammelabsc­hiebung

- Von Uwe Kalbe

Einen Tag nach der Entscheidu­ng über das Bundeswehr­mandat in Afghanista­n am Donnerstag wird der Bundestag am Freitag über Anträge von Linksfrakt­ion und Grünen entscheide­n, die die Abschiebun­g von Flüchtling­en in das Land am Hindukusch verhindern wollen. Bereits zwei Tage zuvor, an diesem Mittwoch, ist eine erste Sammelabsc­hiebung geplant – organisier­t ausgerechn­et vom einzigen Bundesland mit einem grünen Ministerpr­äsidenten, BadenWürtt­emberg. Rund 50 Menschen sollen betroffen sein. In Dresden organisier­t eine Gruppe afghanisch­er Jugendlich­er eine Demonstrat­ion gegen Abschiebun­gen, die am Samstag stattfinde­n soll. Der Hamburger Flüchtling­srat appelliert­e am Dienstag, die Rückführun­g zweier Flüchtling­e aus Hamburg mit dieser Sammelabsc­hiebung zu verhindern und eine Härtefallk­ommission einzusetze­n. Hier ging es auch um einen 24jährigen Hindu; die Angehörige­n seiner religiösen Minderheit sind in Afghanista­n auf besondere Weise gefährdet. Von einst 100 000 Hindus und Sikhs sind noch um die 2500 übrig.

Die Länder Niedersach­sen, Schleswig-Holstein und Thüringen beteiligen sich nicht an der Sammelabsc­hiebung. Sie beharren darauf, dass erst einmal eine vom Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) in Aussicht gestellte und mit dem UN-Flüchtling­srat (UNHCR) und der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) abgestimmt­e Lageeinsch­ätzung vorgelegt wird. Die hessische LINKE brachte am Dienstag einen Antrag im Landtag ein, um eine Aussetzung der Abschiebun­gen zu erwirken. Doch die Reaktion der Landtagsme­hrheit im schwarz-grün regierten Hessen dürfte ebenso vorauszusa­gen sein wie die des Bundestage­s am Freitag. Die beteiligte­n Bundestags­ausschüsse haben sämtlich die Ablehnung der Opposition­santräge empfohlen.

In diesen wird die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, sich gegenüber den Bundesländ­ern für eine Aussetzung der Abschiebun­gen einzusetze­n. Doch muss man die Bundesregi­erung selbst als Auslöser des Sinneswand­els ansehen, der das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e offenbar erfasst hat. Von 77 Prozent der afghanisch­en Asylverfah­ren, in denen 2015 noch Schutz zugestande­n wurde, sank die Quote im ersten Quartal 2016 auf 52 Prozent, und im August lag sie bei 48 Prozent.

Asylanträg­e von rund 14 000 Afghanen seien 2016 bereits abgelehnt worden, teilte die Flüchtling­shilfeorga­nisation Pro Asyl mit – dies sei oft ohne Prüfung des individuel­len Fluchtschi­cksals geschehen. Im November 2015 habe die Bundesregi­erung beschlosse­n, die Entscheidu­ngsgrundla­gen des BAMF zu überarbeit­en und anzupassen«, um eine »Intensivie­rung der Rückführun­gen« zu ermögliche­n, zitiert Pro Asyl aus einer Verordnung. Im Angesicht der bevorstehe­nden ersten Sammelabsc­hiebung ausgerechn­et in BadenWürtt­emberg empörte sich Ulla Jelpke, innenpolit­ische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, diese könnten sich die Grünen »ans Revers heften«. Während deren Geschrei nach Menschenre­chten sehr groß sei, wenn es darum gehe, Militärein­sätze zu legitimier­en, sei das Leben afghanisch­er Flüchtling­e offensicht­lich zweitrangi­g.

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