Das mit der Zinserhöhung ist nicht so leicht
Schon vor der Finanzkrise sanken die Sätze – das viele Privatvermögen sorgt für ein Überangebot an Kapital
Die US-amerikanische Notenbank dürfte heute ihren Leitzins erstmals wieder spürbar anheben, erwarten Beobachter. Eine Grußbotschaft auch an die neuen Machthaber in Washington, die die Fed gerne an die Kandare nehmen möchten.
Wenn die US-Notenbank tatsächlich an diesem Mittwoch ihren Leitzins anheben wird, dürfte das am langfristigen Trend nichts ändern. Schuld sein könnte der »tendenzielle Fall der Kreditrate«. Die Welt schaut heute wieder einmal nach Washington, genauer gesagt in die 20. Straße. Das dortige »Marriner S. Eccles Building«, ein vierstöckiger klassizistischer Bau aus den 1930er Jahren, ist die Zentrale des Federal Reserve Systems, die den Namen eines früheren Zentralbankchefs trägt. Immer noch beeinflusst die Fed mit ihren Entscheidungen weltweit Börsen, Banker und Regierungen.
Starinvestor und Clinton-Unterstützer Warren Buffett ist überzeugt, dass die Auswirkung des TrumpWahlsieges auf die Börsen überschätzt wird. Die wirtschaftliche Zukunft der USA sieht er positiv, sagte er im Fernsehsender CNN. In einem ist sich Buffett mit anderen Experten einig: Die Notenbank ist ziemlich nahe dran, die Ziele ihrer Niedrigzinspolitik zu erreichen. Daher könne sie ihre die Konjunktur stimulierende Geldpolitik schrittweise zurückfahren, sprich: nach und nach die Zinsen erhöhen. Von der Fed selbst kamen schon im November solche Töne: Die US-Wirtschaft sei für Zinserhöhungen gerüstet, wird Vizechef Stanley Fischer zitiert. Die Argumente für solche Schritte seien »ziemlich stark«.
In dieser Woche wird eine Vielzahl wichtiger Konjunkturdaten veröffentlicht, welche die Notenbanker bei ihrer Entscheidung berücksichtigen: Einzelhandelsumsätze, Industrieproduktion und Entwicklung der Preise. Für das Federal Reserve System, das aus einem Dutzend regionaler Notenbanken besteht, sind solche volkswirtschaftlichen Kennzahlen von entscheidender Bedeutung. Anders als bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gehören in den USA neben der Preisstabilität auch die Ankurbelung der Wirtschaft und Vollbeschäftigung zu den Zielen der Geldpolitik.
Die neuesten Konjunkturdaten dürften Fed-Chefin Janet Yellen die gewünschte Erhöhung der Leitzinsen erlauben – endlich. Mit höheren Zinssätzen will sie möglichen Finanzblasen zuvorkommen und verhindern, dass der Aufschwung der Wirtschaft heiß läuft. Dabei soll die Zinserhö- hung aber nicht so drastisch ausfallen, dass sie die Wirtschaft schockt.
Eine Zinsanhebung von 0,25 auf 0,75 Prozent gilt den Analysten der NordLB »als noch sicherer als eine zukünftige Präsidentschaft Donald Trumps«. Dies teilt die Mehrheit der internationalen Bankanalysten. 2017 dürften weitere Zinsschritte folgen.
Seit der Finanzkrise hatte die USNotenbanken ihren Leitzins von über fünf auf null Prozent fallen lassen. Im Dezember vor einem Jahr wagte Yellen dann mit einer kleinen Zinserhöhung die Kehrtwende, was Devisenabstürze in Schwellen- und Entwicklungsländern auslöste. Seither rechnen »die Märkte« immer wieder mit einem größeren Schritt nach oben, wozu es bisher nicht kam. Dieser wird nun für Mittwochabend, zur »Tagesschau«-Zeit in Deutschland, erwartet.
Das könnte die Akteure auf den Finanzmärkten zumindest ein wenig beruhigen. Diese sind nicht allein durch Trump-Wahl, Brexit und Chinas nachlassende Wachstumsraten verunsichert. Zu niedrige Zinssätze gelten unter Ökonomen nämlich als gefährlich. Großanleger erhalten dann Kredite fast zum Nulltarif; das gepumpte Geld wird in Wertpapiere und Immobilien angelegt, was die Preise für Häuser und die Aktienkurse in lichte Höhen treibt.
Doch ob die Fed wirklich das Ende der Niedrigzinsphase einläutet, bezweifelt mancher Beobachter. So hält man in der EZB die niedrigen Zinssätze nur teilweise für ein zyklisches, vorübergehendes Phänomen. »Wir beobachten, dass die Zinsen bereits seit einigen Jahrzehnten sinken – und zwar weltweit«, sagte EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger kürzlich vor Bankern und Unternehmern in München. Verursacht werde das durch strukturelle, also langfristige Entwicklungen. Als Beispiel nennt Lautenschläger, die auch unter linken Ökonomen einen guten Ruf genießt, die Demografie: »Alternde Gesellschaften sparen mehr, das Angebot an Ersparnissen steigt, der Zins sinkt.«
Was die einzige Frau im sechsköpfigen Führungsgremium der EZB nicht erwähnt, ist der seit Jahrzehnten wachsende Reichtum in Teilen der Gesellschaft. Das Finanzvermögen stieg laut der Berater von McKinsey seit 1990 um 1775 Prozent auf die unvorstellbare Summe von umgerechnet über 200 Billionen Euro. Dieses »überflüssige« Geld wird nicht in- vestiert, sondern auf den Finanzmärkten angelegt. Das globale Angebot an Ersparnissen steigt dadurch noch stärker, was den Zins drückt.
Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik verweist zudem auf den »tendenziellen Fall der Profitrate«. Langfristig müssten Gewinne aus Geldanlagen den Gewinnen aus Investitionen in Maschinen, Fabriken und Büros entsprechen. Da die Gewinne im Verhältnis zum »realen« Kapitaleinsatz sinken, müsste auch der Zinssatz fallen, so die Argumentation. Dies würde erklären, warum ein altes ökonomisches Gesetz spätestens seit der Finanzkrise außer Kraft zu sein scheint: Der langfristige Zinssatz ist niedriger als der kurzfristige.
Eine kräftige Leitzinserhöhung durch die Fed könnte die Expansion der Finanzmärkte zwar nicht aufhalten, aber bremsen. Diese schädigt das Wirtschaftswachstum, hat die OECD in einer Studie festgestellt. Ob die Zinserhöhung die US-Konjunktur ausbremst, wird auch von Entscheidungen des neuen Präsidenten abhängen. Donald Trump wird im Januar zum 58. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. In Washington, unweit der Fed-Zentrale.
Die Notenbank ist ziemlich nahe dran, die Ziele ihrer Niedrigzinspolitik zu erreichen. Daher könne sie ihre die Konjunktur stimulierende Geldpolitik schrittweise zurückfahren, sprich: nach und nach die Zinsen erhöhen.