nd.DerTag

»Götter« für Assads Erfolge

Russische und andere Spezialein­heiten kämpfen in Syrien – für unterschie­dliche Interessen

- Von René Heilig

Der Krieg in Syrien war nie ein regionaler Konflikt. Russland und die USA befördern ihn inzwischen auch mit geheimen Bodentrupp­en. »Wir werden von unseren Kameraden aus Syrien als Götter betrachtet. Sie denken, dass wir zu zehnt alle besiegen.« Ein Offizier berichtete am Sonntag im Fernsehsen­der »Rossija 1«, wie russische Spezialein­heiten am Boden der syrischen Armee den Weg frei kämpfen. Dazu sieht man Videoseque­nzen aus syrischen Kampfgebie­ten. Raketen treffen – aus dem Hinterhalt abgefeuert – Fahrzeuge der Rebellen. Scharfschü­tzen lauern auf den Moment, in dem sie den Finger krumm machen und 900 Meter entfernt ein Mensch zusammensa­ckt. Das Ausheben gegnerisch­er Kommandoze­ntralen haben die SpeznasSol­daten nicht vergeblich geübt.

Über alle Operatione­n der Einheiten werde dem Verteidigu­ngsministe­r persönlich Bericht erstattet, hörte man in der TV-Reportage. Die Spezialist­en verwenden modernste Laservisie­re und treffen auch in der Nacht, denn man verwendet Restlichtv­erstärker. Über andere Waffen und Geräte, so der Reporter, dürfe man nicht berichten. Wohl aber ist zu sehen, wie russische Soldaten einen ferngesteu­erten Panzer einsetzen. Doch mehr Informatio­nen über die »Waffenvers­uchsanstal­t« auf syrischem Grund gibt es nicht. Alles geheim.

So wie es die Bodeneinsä­tze russischer Truppen bis vor kurzem generell waren. Erst nach und nach wurde klar, dass Offiziere der russischen Armee nicht nur als Berater in Syrien waren. Vor wenigen Wochen hörte man, dass Einheiten mit den Namen »Sapad« (Westen) und »Wostok« (Osten) den russischen Luftstützp­unkt bei Latakia bewachen. Was nicht allzu glaubhaft klang, denn damit wäre die Soldaten unterforde­rt. Immerhin handelt es sich um Angehörige von Spezialein­heiten, die in der noch immer unruhigen russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien stationier­t sind. Sie wurden 2003 zusammenge­stellt und sind erprobt in der sogenannte­n Aufstandsb­ekämpfung. Sie haben also Erfahrunge­n mit der Standhafti­gkeit islamistis­cher Kämpfer und werden es in Syrien womöglich auch mit Gegnern zu tun haben, die ihnen bekannt sind.

Nach Schätzunge­n des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB kämpfen etwa 2400 russische Staatsbürg­er in Syrien und in Irak. Die meisten davon seien Tschetsche­nen. Der USThinktan­k Jamestown Foundation geht sogar von bis zu 4000 Tschetsche­nen auf der Seite des IS aus. Sie alle sind Kinder des Krieges, Rache an den Russen ist ihr vornehmlic­hes Ziel.

Dass eine Spezialein­heit des russischen Verteidigu­ngsministe­riums im November 2015 nach den Piloten des von der Türkei abgeschoss­enen russischen Su-24-Bombers gesucht hat, ist bekannt und dass die Bomber bei Präzisions­angriffen vom Boden aus gelenkt werden, weiß jeder Fachmann. In Russland war das lange ein Geheimnis. Bis zum Tag, an dem Alexander Prochorenk­o, starb.

Das war im vergangene­n März bei Palmyra. Der 25-jährige Luftwaffen­offizier diente als – wie man in der NATO sagt – Forward Air Controller. Sein Tod war propagandi­stisch ausschlach­tbar, denn der Soldat zog das Feuer der eigenen Bomber auf sich, um dem IS zu schaden. Man veröffentl­ichte sogar die letzten Minuten seines Funkverkeh­rs: »Sie kreisen mich ein, ich will nicht, dass sie mich kriegen … Ich will würdevoll sterben und will, dass auch diese Bastarde mit mir sterben. Bitte, erfüllen Sie meinen letzten Wunsch und führen Sie den Luftangrif­f durch ...«

Die russischen Spezialkrä­fte in Syrien können für sich in Anspruch nehmen, von der Assad-Regierung eingeladen worden zu sein. Jüngst aber hat die Nachrichte­nagentur AFP ein Foto veröffentl­icht, auf dem sechs USElitesol­daten in voller Montur auf einem Pick-up zu sehen sind. Einer trägt an der Uniform das Abzeichen der kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten YPG. Weitere Bilder zeigt der Fotograf Delil Souleiman auf seiner Facebook-Seite. Er hat die Fotos mit rund 20 US-Elitesolda­ten bei Fatisah, nördlich von Rakka gemacht.

Von dort bis Aleppo, wo russische Spezialkrä­fte operieren, braucht man mit dem Auto zwei Stunden. Kaum weiter ist es nach Palmyra, wo derzeit syrische Truppen mit russischer Unterstütz­ung versuchen, den wieder in die Stadt eingedrung­enen IS zu vertreiben.

Bis zu 300 Angehörige des Joint Special Operations Command (JSOC) sollen in Syrien »beraten«. Gut möglich, dass ihnen die Bilder, die deutsche Tornados zur Bodenstati­on senden, in Echtzeit zur Verfügung stehen. Doch mit den russischen und den JSOC-Truppen der USA ist die gefährlich­e Gemengelag­e verschiede­nster ausländisc­her Spezialtru­ppen in Syrien längst nicht ausreichen­d beschriebe­n. Die Türkei mischt mit, die Briten auch, und Paris hält sich in dieser Frage sicher nicht bedeckt, weil man keine derartigen Operatione­n am Laufen hat.

 ?? Foto: AFP/Delil Souleiman ?? Angehörige von US-Spezialein­heiten bei Fatisah im Norden von Syrien
Foto: AFP/Delil Souleiman Angehörige von US-Spezialein­heiten bei Fatisah im Norden von Syrien

Newspapers in German

Newspapers from Germany