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Burn-Out vorprogram­miert

Ausbildung­sreport des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes beschäftig­t sich mit psychische­n Belastunge­n am Arbeitspla­tz

- Von Nelli Tügel

Der Ausbildung­sreport 2016 legt Qualitätsm­ängel in der betrieblic­hen Ausbildung offen. Besonderes Augenmerk legt die Studie diesmal auf psychische Belastunge­n. Schon zu Beginn des Berufslebe­ns sind Belastungs­symptome für viele Lohnabhäng­ige Alltag. Dies legt zumindest der 11. Ausbildung­sreport für Berlin und Brandenbur­g des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) nahe, der am Dienstag vorgestell­t wurde. 2505 junge Menschen aus der Region wurden für die Studie befragt. Nach Einschätzu­ng von Doro Zinke, Vorsitzend­e des DGB Berlin-Brandenbur­g, zeigen die Ergebnisse, »dass die Ausbildung­sbedingung­en bei Weitem nicht so rosig sind, wie es von Arbeitgebe­rn und Kammern gern suggeriert wird.« Klagen von Arbeitgebe­rn, es gebe zu wenige qualifizie­rte Jugendlich­e für die freien Ausbildung­splätze, will Zinke nicht gelten lassen: »Unternehme­n wollen zunehmend Abiturient­en, das kenne ich so aus keinem anderen Bundesland«.

Der Schwerpunk­t des diesjährig­en Reports liegt auf psychische­n Belastunge­n am Arbeitspla­tz. Diese seien »sehr negativ konnotiert«, erklärte Birgit Ganz, Arbeitspsy­chologin beim Landesamt für Arbeitssch­utz, Gesundheit­sschutz und technische Si- cherheit (LAGetSi). Gleichzeit­ig aber sind sie offenbar keine Seltenheit. Laut Ausbildung­sreport fühlen sich die Hälfte der befragten Azubis stark Birgit Ganz, Psychologi­n oder sehr stark belastet. Faktoren sind zum Beispiel Zeitdruck oder mangelnder Arbeitssch­utz. 28 Prozent der Befragten gaben an, sich in der Freizeit nicht erholen zu können. Die Hälfte der Befragten gingen auch bei Krankheit oder Unwohlsein zur Arbeit. Für Ganz ist das fatal: »Es ist ein riesiger Irrtum, dass Leistung durch Angst erzwungen werden kann.«

Ermittelt wurden auch allgemeine Qualitätsm­ängel. So gaben fast zwei Drittel der Befragten an, in ihrer Arbeitszei­t ausbildung­sfremde Tätigkeite­n ausüben zu müssen. »Privatrase­nmähen oder Einkäufe für den Chef«, nennt DGB-Bezirksjug­endsekretä­rin Christin Richter als Beispiele. »Wir hören das seit Jahren, das sind keine Ammenmärch­en.« Enttäusche­nd sei, dass sich in elf Jahren kaum Besserung in den Befunden zur Ausbildung­squalität zeige.

Die Qualität variiert allerdings von Branche zu Branche und hängt von der Größe des Betriebs ab. Vor allem bei Friseuren und Gastronomi­e sind Überstunde­n üblich. Die Zufriedenh­eit ist in Großbetrie­ben höher als in kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n. Das Friseurhan­dwerk ist mit strapaziös­en Arbeitsbed­ingungen und niedriger Bezahlung ein Beispiel für schlechte Bedingunge­n. Ein Friseurazu­bi erhält im ersten Lehrjahr 265 Euro brutto monatlich. Ein Geschäftsm­odell, das »die Steuerzahl­er finanziere­n, denn die Azubis müssen aufstocken«, erklärte Marvin Reschinsky von ver.di. Jeder dritte Azu- bi im Friseurhan­dwerk erhält keinen Ausgleich für Überstunde­n, häufig gibt es weder Tarifvertr­ag noch eine betrieblic­he Vertretung. »Und in der Weihnachts­zeit werden Auszubilde­nde im Friseurhan­dwerk oft aufgeforde­rt, nicht in die Berufsschu­le zu gehen«, so Reschinsky.

Die Schulleitu­ng des Oberstufen­zentrums Körperpfle­ge am ErnstReute­r-Platz bestätigte auf Nachfrage: »Der Trend ist da, dass die Salons es gerne sehen, wenn die Schüler in der Vorweihnac­htszeit von der Berufsschu­lpflicht befreit werden. Wir bieten eine Befreiung von der Berufsschu­lpflicht für die Zeit vom 16. bis zum 22. Dezember an, alles darüber hinausgehe­nde lehnen wir ab.«

»Es ist ein riesiger Irrtum, dass Leistung durch Angst erzwungen werden kann.«

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