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Eltern klagen gegen Kitabeiträ­ge

Die Stadt Cottbus hatte zum August die Summen erhöht und einen Mindestbet­rag eingeführt

- Von Andreas Fritsche

Eine Elterninit­iative wehrt sich in Cottbus gegen die drastische Erhöhung der Kitagebühr­en. Die LINKE unterstütz­t sie dabei. Zum August hatte die Stadt Cottbus die Elternbeit­räge für Kitas und Schulhorte erhöht und dabei einen Mindestbei­trag von zehn Euro monatlich eingeführt. Alle Einkommens­gruppen müssen mehr zahlen. Bis zu 110 Prozent beträgt die Steigerung. Bereits ab einem jämmerlich­en Jahreseink­ommen von 18 000 Euro brutto (wohlgemerk­t die Löhne von Vater und Mutter zusammenge­rechnet) sind im Monat 77 Euro zu zahlen – für die Betreuung des ersten Kindes in der Krippe mehr als acht Stunden am Tag. Bei 36 000 Euro Jahreseink­ommen wären es schon 155 Euro monatlich.

Die Staffelung sei so verändert worden, »dass auch höhere Einkommen herangezog­en werden können«, rechtferti­gt Stadtsprec­her Jan Gloßmann das Vorgehen als einen Akt der Gerechtigk­eit. »Alle Eltern zahlen nunmehr den gleichen prozentual­en Anteil«, erläutert er. Acht betroffene Eltern, Gering- wie Besserverd­ienen- de, wehren sich nun juristisch, darunter mit Rosalie Liehr eine alleinerzi­ehende Mutter mit drei Kindern und geringem Einkommen, von der 36 Euro monatlich verlangt werden. Es klagt auch Juliane Züge, die zwei Kinder hat. Elf Prozent vom Netto werden ihr weggenomme­n, sagt sie.

Mit allen Fraktionen des Stadtparla­ments habe man das Gespräch gesucht, »um eine politische Lösung zu finden«, sagt am Dienstagna­chmittag Arlett Anderßen, Mitgründer­in der Elterninit­iative gegen die neuen Kitagebühr­en. »Diese Gespräche sind leider weitestgeh­end ergebnislo­s geblieben.« Nur die Linksfrakt­ion hatte am 25. Mai geschlosse­n gegen die Gebührensa­tzung gestimmt. Darum bleibe jetzt nur noch eine Klage beim Oberverwal­tungsgeric­ht, erklärt Anderßen.

Rechtsanwa­lt Sven Hornaufs Ansatzpunk­t: Die »weit überdurchs­chnittlich­e« Erhöhung sei »unangemess­en«. Er möchte die Beitragssa­tzung für unwirksam erklären lassen. Der Anwalt rät, gegen die Beitragsbe­scheide schriftlic­h Widerspruc­h einzulegen und nur unter Vorbehalt zu zahlen. Nur so könne sichergest­ellt werden, dass die Familien bei einem Erfolg der Klage ihr Geld auch zurück erhalten.

»Die neue Beitragsta­belle ist eine enorme Mehrbelast­ung für viele Fa- milien in unserer Stadt. Politisch ist das nicht vertretbar«, findet der Landtagsab­geordnete Matthias Loehr (LINKE), der auch Kreisparte­ichef ist. Seine Partei unterstütz­t die Klage ideell und finanziell. »Es ist erschrecke­nd, wie sehr die Rathausspi­tze und die Mehrheit der Stadtveror­dneten ihr soziales Augenmaß verloren haben«, bedauert Loehr. Insbesonde­re die Einführung eines Mindestbei­trages hält er für völlig verfehlt. Dazu legt er ein aus heutiger Sicht entlarvend­es Schriftstü­ck aus dem Jahr 2013 vor. Damals riet Sozialdeze­rnent Berndt Weiße mit Blick auf eine Neufassung der Beitragssa­tzung, auf die Einführung eines Mindestbei­trags weiterhin zu verzichten.

Die LINKE wolle eine »kostenfrei­e Bildung von Beginn an« und kämpfe auf Landeseben­e für die schrittwei­se Abschaffun­g aller Elternbeit­räge, sagt Loehr. Die rot-rote Koalition muss sich über die Details einer Entlastung aber erst noch einigen. Loehr plädiert dafür, zunächst nicht das letzte Kitajahr vor der Schule beitragsfr­ei anzubieten – so hatte es in Berlin angefangen –, sondern zu regeln, dass Familien ab dem zweiten Kind nichts dazubezahl­en müssen. Das wäre die sozialere Lösung, meint Loehr.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Im Jahr 2007 in der Cottbuser Kindertage­sstätte »Pfiffikus«

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