Wahlkampf unter Windrädern
In Schleswig-Holstein signalisiert die Landesregierung, auf Kritikern ihrer Energiepolitik zugehen zu wollen
Kaum fünf Monate bis zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein – und vor Ort wächst der Widerstand gegen die Regierungspläne in Sachen Windenergie. Kritiker initiierten gleich zwei Bürgerinitiativen. Der Ausbau der Windenergie und die damit verbundenen Standortdiskussionen zeichnen sich als eines der Hauptthemen für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai 2017 ab. In Kiel regiert derzeit eine Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Auch in dieser Woche steht das Thema während der dreitägigen Plenardebatte des Landtags auf der Tagesordnung. Alle Beteiligten stellen sich auf eine heftige Redeschlacht ein.
Zum einen geht es in einer Aktuellen Stunde um die von der Staatskanzlei vorgelegten Regionalentwicklungspläne zur Windkraft-Expansion. Ferner will die oppositionelle CDU erreichen, dass in Planungsgebieten mit fehlender Akzeptanz andere Standort-Alternativen aufgegriffen werden. Für letzteren Antrag findet die Union aber nur Zustimmung in den eigenen Reihen.
Brisanter erscheint der Widerstand gegen die landesplanerischen Vorgaben durch zwei Volksinitiativen, die schlussendlich sogar zu einem Volksentscheid führen könnten. Einmal werden Unterschriften für weitere Abstände von Windrädern gegenüber Wohngebäuden gesammelt: Vorangetrieben von der Bürgerinitiative »Gegenwind« soll der Abstand künftig mit der Formel »Höhe x 10« an die Höhe der Windanlage gekoppelt werden. Eine Regelung, wie sie seit Mitte November 2014 in Bayern praktiziert wird, bereits verfassungsrechtlich abgesegnet wurde und als faktische Bremse für den Windenergieausbau wirkt. Schleswig-Holsteins Vorgabe: Der Abstand zu geschlossenen Siedlungen beträgt 800 Meter, um Häuser im Außenbereich muss ein Radius von 400 Metern eingehalten werden.
Das »Netzwerk Bürgerinitiativen in Dithmarschen« hat mit Unterstützung der Piratenpartei eine zweite Volksinitiative mit dem Ziel auf den Weg gebracht, dass der Bürgerwille vor Ort gesetzliches Entscheidungskriterium für die Landesplanung wird. Mit beiden Volksinitiativen muss der Landtag sich beschäftigen, wenn binnen eines Jahres mindestens 20 000 Unterschriften zusammen gekommen sind. Der Versuch, es möglichst allen recht zu machen, ist bei diesem Thema zum Scheitern verurteilt. Dennoch verspricht die Landesregierung breite Beteiligungsmöglichkeiten im Prozess der weite- ren Windkraftplanung. Gegen die Ausweisung von Windeignungsflächen kann sechs Monate lang Einspruch eingelegt werden. Danach soll eine neuerliche Sondierung unter Berücksichtigung aller Einwände statt- finden. Daraus soll ein zweiter Entwurf entstehen, ehe im Sommer 2018 die Regionalpläne verbindlich werden sollen – es sei denn, einzelne Flächenausweisungen oder Nichtausweisungen werden beklagt.
Viele Planungsgegner haben Angst, dass von Windrotoren Gesundheitsgefahren durch den sogenannten Infraschall (Schallwellen unterhalb der menschlichen Hör- schwelle) ausgehen, eine Befürchtung, die das Kieler Umweltministerium unter dem Grünen-Politiker Robert Habeck nicht teilt. Widerstand kommt aktuell aber auch von Windenergie-Befürwortern. Windparkbetreiber befürchten, dass Ausbauvorhaben verlangsamt oder gar gestoppt werden. So gibt es einen Windpark und 25 Windräder in Kaiser Wilhelm Koog (Kreis Dithmarschen), der seit 20 Jahren in der windreichsten Region des Bundeslandes arbeitet. Doch dieser müsste in absehbarer Zeit verschwinden, weil er sich nur 800 Meter entfernt von der Küste befindet – und damit nach künftigen Planungskriterien 2200 Meter zu dicht an der Nordsee. Kein Einzelfall.
Rund 1200 bestehende Anlagen will die Regierung stilllegen. Die CDU dagegen will alle Altanlagen erhalten, gebe es dafür doch Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Bundesverband Windenergie geht noch weiter: Er fordert, dass allen bestehenden Windrädern ein Repowering, also ein Austausch gegen leistungsstärkere (und meist höhere) Windräder, erlaubt wird.
Die Regierung in Kiel hat sich zum Ziel gesetzt, aus den bisher sechs Gigawatt an Land produzierten Windstrom zehn Gigawatt zu machen. Dazu sollen bis 2025 zu den bestehenden 3100 Anlagen rund 500 neue Onshore-Anlagen in Betrieb genommen werden, verteilt auf Windeignungsflächen, die 1,98 Prozent der gesamten Landesfläche tangieren. Nur so könne bei Abschaltung sämtlichen Atomstroms die Energiewende in Schleswig-Holstein und Hamburg gelingen, bekräftigen Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Umweltminister Robert Habeck (Grüne) unisono.
Windparkbetreiber befürchten, dass Vorhaben verlangsamt oder gestoppt werden.