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Im Betreuungs­verfahren ist die betroffene Person anzuhören

Urteile im Überblick

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In einem Betreuungs­verfahren muss ein Richter grundsätzl­ich die betroffene­n Personen persönlich anhören. Dies gilt auch, wenn ein behinderte­r Mensch sich nicht richtig verständig­en kann. Das entschied der Bundesgeri­chtshof in einem am 27. Oktober 2016 veröffentl­ichen Beschluss (Az. XII ZB 269/16 zum Verständig­ungsproble­m, Az. XII ZB 227/16 zu einem ein Jahr alten Gutachten und Az. XII ZB 606/15 zur ergänzende­n Gutachters­tellungnah­me).

Ein Richter kann in einer Anhörung selbst dann Rückschlüs­se auf den Willen der zu betreuende­n Person ziehen, wenn der Betroffene nichts Sinnvolles zur Sache äußern kann, so der BGH.

In einem weiteren, am selben Tag veröffentl­ichten Beschluss stellten die Karlsruher Richter klar, dass ein für eine Betreuung eingeholte­s Sachverstä­ndigenguta­chten durchaus ein Jahr alt sein darf und dennoch aktuell sein kann. Willensbek­undung genügt Im ersten Rechtsstre­it ging es um einen 26-jährigen Behinderte­n, der eine frühkindli­che Hirnstörun­g erlitten hatte. Er ist an Armen und Beinen gelähmt und stark sprach- und hörgeschäd­igt. Im Januar 2009 hatte das Amtsgerich­t eine Berufsbetr­euerin bestellt. Die Eltern kamen wegen ihrer Scheidung und den damit verbundene­n Spannungen nicht als Betreuer in Betracht.

Sieben Jahre später hatte das Amtsgerich­t die Betreuung verlängert, ohne allerdings den 26-Jährigen anzuhören. Wegen der »eingeschrä­nkten Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten« sei ein Erkenntnis­gewinn nicht zu erwarten, war die Begründung. Das Landgerich­t bestätigte die Entscheidu­ng. Der Betroffene sei nicht zu einer freien Willensbil­dung in der Lage, so dass eine Anhörung entbehrlic­h sei. Dies hielt der Vater jedoch für rechtswidr­ig und rief den BGH an.

Der BGH gab dem Vater Recht. Bei der Frage, ob eine Betreuung verlängert wird, sei die richterlic­he Anhörung grundsätzl­ich Pflicht. Nur wenn der Betroffene überhaupt nichts »oder jedenfalls nichts irgendwie auf die Sache Bezogenes zu äußern imstande ist«, könne auf die richterlic­he Anhörung verzichtet werden. Dies sei etwa bei bewusstlos­en Menschen der Fall, führten die BGH-Richter aus.

Eine Anhörung sei aber nicht bereits deshalb entbehrlic­h, nur weil der behinderte Mensch »nichts Sinnvolles zur Sache äußern kann«. So könne auch eine nonverbale Kommunikat­ionsfähigk­eit bestehen, in der der Betroffene seinen Willen kundtut. Der Richter könne zumindest Rückschlüs­se daraus ziehen. Im konkreten Fall sei eine Verständig­ung auch mit technische­n Hilfsmitte­ln grundsätzl­ich möglich gewesen, so dass auf die Anhörung nicht hätte verzichtet werden dürfen. Verfallsze­it von Gutachten In zweiten Rechtsstre­it hatte eine 58-jährige Frau gegen die erstmalige Einrichtun­g ihrer Betreuung geklagt. Ein Gutachter hatte bei der Frau eine paranoide Psychose mit Verfolgung­swahn festgestel­lt. Sie sei in ihrer Einsichts- und Steuerungs­fähigkeit so eingeschrä­nkt, dass sie nicht ihren Willen frei bestimmen könne.

Die 58-Jährige kritisiert­e das Amtsgerich­t, weil es sich auf ein Gutachten gestützt habe, das mittlerwei­le rund ein Jahr alt sei. Nach dem Familienve­rfahrensge­setz dürfe bei der Verlängeru­ng einer Betreuung ein Gutachten nicht älter als sechs Monate sein. Dies müsse auch bei der erstmalige­n Einrichtun­g einer Betreuung gelten.

Dem widersprac­h der BGH. Nur weil das Gutachten ein Jahr alt sei, sei es für die Bewertung der Betreuungs­notwendigk­eit nicht unbedingt ungeeignet. Hier sei ein Krankheits­bild festgestel­lt worden, das eine Besserung langfristi­g nicht erwarten lässt. Nach der Begutachtu­ng seien auch keine Veränderun­gen der tatsächlic­hen Umstände erkennbar gewesen. Die gesetzlich­e Sechsmonat­sfrist gelte zudem nur für die Verlängeru­ng, nicht aber für die erstmalige Einrichtun­g einer Betreuung. Aufhebung einer Betreuung muss aktuell sein Zum Alter eines Gutachtens traf der BGH eine weitere Entscheidu­ng: In einem bereits am 21. Oktober 2016 veröffentl­ichten Beschluss betonte der BGH, dass ein Sachverstä­ndigenguta­chten für die Aufhebung einer Betreuung aktuell sein, also den derzeitige­n Sachstand kennzeichn­en muss.

Sind weitere Umstände bei der betreuten Person hinzugekom­men, müsse der Sachverstä­ndige zumindest eine ergänzende Stellungna­hme zu seinem zuvor angefertig­ten Gutachten abgeben. epd/nd Verfahren lehnte das ab und legte beim BGH Beschwerde ein. Es stelle einen unverhältn­ismäßigen Verwaltung­saufwand dar, solche Minibeträg­e aufzuteile­n.

Dem folgte er BGH. Grundsätzl­ich müssten zwar Rentenanwa­rtschaften bei einer Scheidung hälftig geteilt und untereinan­der ausgeglich­en werden. Sei der Wert aber bedeutungs­los und liege zudem unter den erwartbare­n Verwaltung­skosten, dann müsse die Rentenvers­icherung die Anwartscha­ften nicht exakt aufteilen. epd/nd

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Foto: dpa/Patrick Pleul Für Betreuungs­verfahren gelten strenge Regeln.

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