UNDOGMATISCH
Unter einem Dogma versteht das griechische Wörterbuch eine Meinung, einen Lehrsatz, eine Verordnung oder einen Beschluss, der oder die Anspruch auf Wahrheit erhebt und nicht ohne Weiteres hinterfragt werden darf. Und weil das so schrecklich nach Kirche oder Wolfgang Schäuble klingt, ist »undogmatisch« ein absolutes MustHave im Bewegungsalltag. Selbst wenn Sie also der Ansicht sein sollten, dass ein Glas Milch am Morgen den Tatbestand des Profitierens von Zwangsarbeit erfüllt und das Lagern von bei Penny, Lidl, Aldi oder Netto erstandenen Gurken im gemeinsamen Kühlschrank einen Vergiftungsangriff darstellt; wenn Sie meinen, dass das Tragen von Stöckelschuhen Kollaboration mit dem Weltpatriarchat ist oder dass, wer »Das Kapital« oder die »Dialektik der Aufklärung« nicht auswendig kann bzw. die falsche Fußballmannschaft mag, zu Meinungsäußerungen über den Kapitalismus, zur amerikanischen Mondlandung oder zum Nahostkonflikt prinzipiell nicht berechtigt ist bzw. zum strukturellen Antisemitismus neigt, dann sollten Sie sich doch unbedingt und immer möglichst »undogmatisch« geben. Und wenn Ihnen das dann doch zu weit geht, sei als Alternative »unorthodox« empfohlen. Anders als »undogmatisch« ist das kein durch 40 Jahre linker Niederlagen sakrosankter Begriff, klingt aber trotzdem irgendwie offen und interessant.