Wo die Leoparden jagen
Obwohl die Türkei bekanntlich deutsche Panzer in Syrien einsetzt, will die Bundesregierung davon nichts wissen
Ein Abgeordneter erkundigt sich bei der Bundesregierung nach dem Einsatz deutscher Waffen in Syrien. Die Antwort ist verblüffend: Das Wirtschaftsministerium will darüber keine Erkenntnisse haben. Die beiden schriftlichen Anfragen waren von Michael Leutert eindeutig formuliert. Der Haushaltsexperte der Linksfraktion wollte wissen, welche Waffen und Waffensysteme deutscher Produktion oder aus dem Bestand der Bundeswehr von der Türkei in Nordsyrien eingesetzt werden. Vorsichtshalber fragte er auch nach dem Gerät, das die Bundesregierung aus ehemaligen NVA-Depots in die Türkei weitergereicht hatte. Das ist vermutlich bereits durch die Aufstandsbekämpfung gegen kurdische Kämpfer verschlissen, dennoch muss die Antwort der Bundesregierung verwundern: Die nämlich »hat keine eigenen Erkenntnisse über den Einsatz von Waffen und Waffensystemen deutscher Produktion im Rahmen der gegenwärtigen Militäroperation der türkischen Streitkräfte in Nordsyrien«. Das jedenfalls behauptete Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) in der Antwort vom 20. Januar im Namen des zuständigen Wirtschaftsministeriums.
Dass man dort das »nd« nicht liest, mag ja hinnehmbar zu sein. Doch auch zahlreiche andere Medien berichteten über den Abschuss von bis zu zwölf Leopard-2A4-Panzern bei Kämpfen um die Stadt al-Bab. Die ist ein idealer Ausgangspunkt für weitere Offensiven gegen Kurden weit im syrischen Kerngebiet. Ende Dezember tobten dort heftige Kämpfe. Dutzende türkische Soldaten und mit ihnen angreifende Kämpfer der Freien Syrischen Armee starben. Die Panzer aus Deutschland waren offenbar eine leichte Beute für die Schützen von Panzerabwehrraketen. Der erste Ab- schuss soll durch eine amerikanische TOW-2 erfolgt sein, zwei weitere durch Fagot- oder Kornet-Raketen sowjetischer Bauart. Gerüchte, dass auch deutsche Milan-Raketen – die von der Bundeswehr an kurdische Kämpfer ins nordirakische Erbil geliefert werden – gegen deutsche Leopard-Panzer erfolgreich waren, haben sich noch nicht bestätigt. Natürlich ließ es sich der Islamische Staat nicht nehmen, Bilder von den letztlich auch eroberten Panzern zu twittern. Schließlich galt der 62 Tonnen schwere deutsche »Leopard« von KraussMaffei Wegmann und Rheinmetall als eine Art Superpanzer.
Nach der Lieferung des Vorgängertyps Leopard 1 übergab die Bundesregierung vor rund zehn Jahren mindestens 354 Leopard A2 an das türkische Heer. Sie kamen aus Beständen der Bundeswehr, und ihr Verkauf füllte das Staatssäckel um einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Industrie verdient auch und noch immer fleißig an dem Deal, denn Ersatz- und Nachrüstteile werden ständig gebraucht.
Während man die Informationen vom Schlachtfeld im Verteidigungsministerium intern höchst interessiert und aufgeschreckt zur Kenntnis nahm – auch weil man gerade wegen der angeblichen Gefahr aus Russland dabei ist, ein neues Bataillon mit Leopard-Panzern aufzustellen – scheint die Bundesregierung die Verluste an von ihr geliefertem Wehrmaterial in Syrien nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Was verwundern muss, denn im vergangenen halben Jahr hat das Ministerium von Sigmar Gabriel (SPD) gerade erst der Lieferung von Ersatzteilen für gepanzerte Fahrzeuge im Wert von rund einer halben Million Euro an die an vielen Fronten aktive Türkei zugestimmt. Verkauft werden unter anderem Antriebsringe und Motorenteile für Leoparden. Problemlos, schließlich ist die Türkei ein NATO-Bündnispartner.