Von Nagern und Minaretten
Im Streit um den Moscheebau in Erfurt wird nun auch Naturschutz ins Feld geführt
Die AfD macht seit Monaten Front gegen ein in Erfurt geplantes islamisches Gotteshaus. Nun tritt plötzlich eine Bürgerinitiative auf, die das Vorhaben als Gefahr für den Feldhamster bekämpft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis in diesem Streit Hamster auftauchen würden. Wann immer in Deutschland Bürgerinitiativen ein Bauprojekt zu verhindern suchen, kommt jemand in den Reihen der Projektgegner auf die Idee, sich als besorgter Naturschutzbürger zu geben. Des- halb war es erwartbar, dass Patrick Aue an diesem Dienstagabend in Erfurt eine angeblich für Mittelthüringen bedeutende Population von Feldhamstern als Argument gegen den geplanten ersten Neubau einer Moschee in Thüringen anführte. Das Projekt gefährde deren Lebensraum.
Trotzdem wäre es falsch, die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses des Landtages, die an diesem Abend stattfindet, auf die Hamsterepisode zu verkürzen. Schon deshalb, weil hier deutlich wie selten wird, wie heterogen die Gruppe derer ist, die dagegen sind, dass im Erfurter Stadtteil Marbach eine Moschee gebaut wird. Oder zu sein scheint?
Jedenfalls passiert an diesem Abend etwas Unerwartetes: Aue legt nämlich einen Kompromissvorschlag zum Moscheebau vor: Die Ahmadiyya-Muslim-Jaamat-Gemeinde könne eine Moschee in Marbach bauen, wenn sie dabei auf ein Minarett und eine Kuppel verzichte, sagt er. Überhaupt ist Aue nicht der Scharfmacher dieser Anhörung, obwohl er die Petition eingereicht hat, um die es hier geht.
Anders dagegen der Anwalt, den Aue mitgebracht hat. Aue mag nach seinem Hamsterargument davon sprechen, es gebe Ängste in Marbach. Etwa weil die Ahmadiyya-Muslime die Rechte von Frauen und Homosexuellen nicht anerkennen würden. Dennoch ist es der Jurist Gregor Heiland, der all das so weit generalisiert, dass ihm schnell besonders aus den Reihen der rot-rot-grünen Abgeordneten die blanke Empörung entgegen schlägt. Weil er permanent versucht, ein Grundrecht auf Sicherheit aus dem Grundgesetz abzuleiten. Weil er sagt, Toleranz und Weltoffenheit seien anders als Sicherheit »keine Rechtsgüter von Verfassungsrang«. Und weil er den Verdacht äußert, der Freistaat Thüringen habe die Muslime über die Landesentwick- lungsgesellschaft dabei unterstützt, ein Grundstück für ihren Bau zu finden und so seine Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität verletzt.
Ist diese Rollenverteilung zwischen Aue und Heiland gespielt? Die Grünen-Abgeordnete Astrid RotheBeinlich glaubt das. »Ich habe den Eindruck, dass Herr Aue vorgeschickt wurde, um die Petition vorzustellen – auch im Auftrag der AfD«, sagt sie am Tag nach der Anhörung. Die Bürgerinitiative, der Aue vorgebe anzugehören, gebe es offenkundig erst sehr kurz. Eine Vermutung, für die spricht, dass sich dazu kaum etwas im Internet finden lässt – während Heiland belegbar Kontakte zu AfD-Politikern hat. Zuletzt trat er als Anwalt der AfD-Protagonisten Björn Höcke und Wiebke Muhsal auf.
Oder ist diese Rollenverteilung ein Ausweis dafür, wie breit das Feld der Gegner des Moscheeprojektes ist – und wie sehr manche Kritik an den Ahmadiyya-Muslimen »lediglich« von der AfD und AfD-nahen Kreisen vereinnahmt wird? Immerhin muss die AfD schon aus Parteiräson heraus bei jeder Kritik an den Ahmadiyya-Muslimen und dem Moscheebau vorweg marschieren. Sie profiliert sich immerhin als Anti-Islam-Partei.
Jedenfalls bleiben die Fronten verhärtet und wird der Streit noch unübersichtlicher. Auch, weil die Moscheeunterstützer den Kompromissvorschlag kaum einfach vom Tisch wischen können – unabhängig davon, dass Rothe-Beinlich noch am Dienstagabend fragt: Wenn es für die Moscheegegner so schwer erträglich sei, dass Ahmadiyya-Muslime angeblich die Rechte von Frauen und Homosexuellen nicht achteten, was ändere sich daran, wenn die Moschee ohne Minarett und Kuppel gebaut werde?
Nur über die Bedrohung von Feldhamstern durch die Moschee zu streiten, wäre vor dem Hintergrund solcher Fragen ziemlich einfach.