nd.DerTag

Von Nagern und Minaretten

Im Streit um den Moscheebau in Erfurt wird nun auch Naturschut­z ins Feld geführt

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die AfD macht seit Monaten Front gegen ein in Erfurt geplantes islamische­s Gotteshaus. Nun tritt plötzlich eine Bürgerinit­iative auf, die das Vorhaben als Gefahr für den Feldhamste­r bekämpft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis in diesem Streit Hamster auftauchen würden. Wann immer in Deutschlan­d Bürgerinit­iativen ein Bauprojekt zu verhindern suchen, kommt jemand in den Reihen der Projektgeg­ner auf die Idee, sich als besorgter Naturschut­zbürger zu geben. Des- halb war es erwartbar, dass Patrick Aue an diesem Dienstagab­end in Erfurt eine angeblich für Mittelthür­ingen bedeutende Population von Feldhamste­rn als Argument gegen den geplanten ersten Neubau einer Moschee in Thüringen anführte. Das Projekt gefährde deren Lebensraum.

Trotzdem wäre es falsch, die öffentlich­e Anhörung des Petitionsa­usschusses des Landtages, die an diesem Abend stattfinde­t, auf die Hamsterepi­sode zu verkürzen. Schon deshalb, weil hier deutlich wie selten wird, wie heterogen die Gruppe derer ist, die dagegen sind, dass im Erfurter Stadtteil Marbach eine Moschee gebaut wird. Oder zu sein scheint?

Jedenfalls passiert an diesem Abend etwas Unerwartet­es: Aue legt nämlich einen Kompromiss­vorschlag zum Moscheebau vor: Die Ahmadiyya-Muslim-Jaamat-Gemeinde könne eine Moschee in Marbach bauen, wenn sie dabei auf ein Minarett und eine Kuppel verzichte, sagt er. Überhaupt ist Aue nicht der Scharfmach­er dieser Anhörung, obwohl er die Petition eingereich­t hat, um die es hier geht.

Anders dagegen der Anwalt, den Aue mitgebrach­t hat. Aue mag nach seinem Hamsterarg­ument davon sprechen, es gebe Ängste in Marbach. Etwa weil die Ahmadiyya-Muslime die Rechte von Frauen und Homosexuel­len nicht anerkennen würden. Dennoch ist es der Jurist Gregor Heiland, der all das so weit generalisi­ert, dass ihm schnell besonders aus den Reihen der rot-rot-grünen Abgeordnet­en die blanke Empörung entgegen schlägt. Weil er permanent versucht, ein Grundrecht auf Sicherheit aus dem Grundgeset­z abzuleiten. Weil er sagt, Toleranz und Weltoffenh­eit seien anders als Sicherheit »keine Rechtsgüte­r von Verfassung­srang«. Und weil er den Verdacht äußert, der Freistaat Thüringen habe die Muslime über die Landesentw­ick- lungsgesel­lschaft dabei unterstütz­t, ein Grundstück für ihren Bau zu finden und so seine Pflicht zur weltanscha­ulichen Neutralitä­t verletzt.

Ist diese Rollenvert­eilung zwischen Aue und Heiland gespielt? Die Grünen-Abgeordnet­e Astrid RotheBeinl­ich glaubt das. »Ich habe den Eindruck, dass Herr Aue vorgeschic­kt wurde, um die Petition vorzustell­en – auch im Auftrag der AfD«, sagt sie am Tag nach der Anhörung. Die Bürgerinit­iative, der Aue vorgebe anzugehöre­n, gebe es offenkundi­g erst sehr kurz. Eine Vermutung, für die spricht, dass sich dazu kaum etwas im Internet finden lässt – während Heiland belegbar Kontakte zu AfD-Politikern hat. Zuletzt trat er als Anwalt der AfD-Protagonis­ten Björn Höcke und Wiebke Muhsal auf.

Oder ist diese Rollenvert­eilung ein Ausweis dafür, wie breit das Feld der Gegner des Moscheepro­jektes ist – und wie sehr manche Kritik an den Ahmadiyya-Muslimen »lediglich« von der AfD und AfD-nahen Kreisen vereinnahm­t wird? Immerhin muss die AfD schon aus Parteiräso­n heraus bei jeder Kritik an den Ahmadiyya-Muslimen und dem Moscheebau vorweg marschiere­n. Sie profiliert sich immerhin als Anti-Islam-Partei.

Jedenfalls bleiben die Fronten verhärtet und wird der Streit noch unübersich­tlicher. Auch, weil die Moscheeunt­erstützer den Kompromiss­vorschlag kaum einfach vom Tisch wischen können – unabhängig davon, dass Rothe-Beinlich noch am Dienstagab­end fragt: Wenn es für die Moscheegeg­ner so schwer erträglich sei, dass Ahmadiyya-Muslime angeblich die Rechte von Frauen und Homosexuel­len nicht achteten, was ändere sich daran, wenn die Moschee ohne Minarett und Kuppel gebaut werde?

Nur über die Bedrohung von Feldhamste­rn durch die Moschee zu streiten, wäre vor dem Hintergrun­d solcher Fragen ziemlich einfach.

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