Uneinigkeit nach Spitzelaffäre in NRW
Politik streitet weiter über Umgang mit Islamverband
Der Skandal um die Bespitzelung von Lehrern durch Imame sorgt auf Landes- wie auf Bundesebene weiter für Furore. Innerhalb der rot-grünen Landesregierung in NRW ist man sich uneins, welche Konsequenzen aus der Spitzelaffäre des Islamverbands »Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion« (Ditib) folgen sollten. Während Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zunächst die Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten will, fordert Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD), die Zusammenarbeit mit Ditib im Beirat für islamischen Religionsunterricht vorerst auszusetzen. Diese Forderung wird auch von Löhrmanns Parteikollegen und religionspolitischem Sprecher im Bundestag, Volker Beck, unterstützt. Es fehle die nötige Vertrauenbasis, sagte Beck der »Westdeutschen Zeitung«.
Ditib ist mit rund 900 Moscheegemeinden der größte Islamverband in Deutschland. Er koordiniert den Großteil der Gemeinden türkischstämmiger Muslime und untersteht letztlich der Kontrolle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der Verband kooperiert eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Sie entsendet und bezahlt die Imame der deutschen Gemeinden.
Seit der Verband in der vergangenen Woche bestätigt hatte, dass einige seiner Imame Informationen über mutmaßliche Anhänger des von der Türkei zum Staatsfeind erklärten Prediger Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergegeben hatten, steht die Zusammenarbeit mit dem Verband in der Kritik. Un- ter den 28 bespitzelten Personen, die von den Predigern bei der türkischen Religionsbehörde als vermeintliche Gülen-Anhänger diffamiert wurden, befinden sich auch fünf Lehrer an staatlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen wegen Spionageaktivitäten bei Ditib gegen Unbekannt aufgenommen.
Der Generalsekretär des Islamverbands, Bekir Alboga, hat bereits Konsequenzen für die Spionage angekündigt. Er erklärte außerdem, dass Diyanet die spirituelle Instanz für Ditib sei. Die Behörde vertrete eine Theologie, die auf Vernunft genauso viel Wert lege wie auf die Offenbarung und damit viel zur Entwicklung eines in Deutschland geprägten Islam beitrage. Es sei auch ein System, das gegen Radikalisierung arbeite.
Schon vor vielen Jahren sei über die Organisation von Ditib kritisch geredet worden, erklärt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Klar sei aber auch, wenn die Verbindung zur Türkei gekappt werde, müsse man in Deutschland dafür sorgen, dass Imame ausgebildet und bezahlt werden.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte dazu auf, weiter an der Unabhängigkeit zu arbeiten. »In Deutschland ist für viele eine Einflussnahme aus dem Ausland befremdlich«, sagte er. Dass die Regierung von Erdoğan Inhalte des Religionsunterrichts in Deutschland bestimmen könnte, löse Unbehagen aus. Oppermann rief die Muslime daher zur Diskussion über eine repräsentative Organisation auf. »Mit einer klaren Interessenvertretung kann der Islam in Deutschland mit einer stärkeren Stimme sprechen«, sagte er.