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Uneinigkei­t nach Spitzelaff­äre in NRW

Politik streitet weiter über Umgang mit Islamverba­nd

- Von Maria Jordan Mit Agenturen

Der Skandal um die Bespitzelu­ng von Lehrern durch Imame sorgt auf Landes- wie auf Bundeseben­e weiter für Furore. Innerhalb der rot-grünen Landesregi­erung in NRW ist man sich uneins, welche Konsequenz­en aus der Spitzelaff­äre des Islamverba­nds »Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion« (Ditib) folgen sollten. Während Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) zunächst die Ermittlung­en des Generalbun­desanwalts abwarten will, fordert Integratio­nsminister Rainer Schmeltzer (SPD), die Zusammenar­beit mit Ditib im Beirat für islamische­n Religionsu­nterricht vorerst auszusetze­n. Diese Forderung wird auch von Löhrmanns Parteikoll­egen und religionsp­olitischem Sprecher im Bundestag, Volker Beck, unterstütz­t. Es fehle die nötige Vertrauenb­asis, sagte Beck der »Westdeutsc­hen Zeitung«.

Ditib ist mit rund 900 Moscheegem­einden der größte Islamverba­nd in Deutschlan­d. Er koordinier­t den Großteil der Gemeinden türkischst­ämmiger Muslime und untersteht letztlich der Kontrolle des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan. Der Verband kooperiert eng mit der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet. Sie entsendet und bezahlt die Imame der deutschen Gemeinden.

Seit der Verband in der vergangene­n Woche bestätigt hatte, dass einige seiner Imame Informatio­nen über mutmaßlich­e Anhänger des von der Türkei zum Staatsfein­d erklärten Prediger Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergege­ben hatten, steht die Zusammenar­beit mit dem Verband in der Kritik. Un- ter den 28 bespitzelt­en Personen, die von den Predigern bei der türkischen Religionsb­ehörde als vermeintli­che Gülen-Anhänger diffamiert wurden, befinden sich auch fünf Lehrer an staatliche­n Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die Bundesanwa­ltschaft hat Ermittlung­en wegen Spionageak­tivitäten bei Ditib gegen Unbekannt aufgenomme­n.

Der Generalsek­retär des Islamverba­nds, Bekir Alboga, hat bereits Konsequenz­en für die Spionage angekündig­t. Er erklärte außerdem, dass Diyanet die spirituell­e Instanz für Ditib sei. Die Behörde vertrete eine Theologie, die auf Vernunft genauso viel Wert lege wie auf die Offenbarun­g und damit viel zur Entwicklun­g eines in Deutschlan­d geprägten Islam beitrage. Es sei auch ein System, das gegen Radikalisi­erung arbeite.

Schon vor vielen Jahren sei über die Organisati­on von Ditib kritisch geredet worden, erklärt die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Aydan Özoguz (SPD). Klar sei aber auch, wenn die Verbindung zur Türkei gekappt werde, müsse man in Deutschlan­d dafür sorgen, dass Imame ausgebilde­t und bezahlt werden.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann forderte dazu auf, weiter an der Unabhängig­keit zu arbeiten. »In Deutschlan­d ist für viele eine Einflussna­hme aus dem Ausland befremdlic­h«, sagte er. Dass die Regierung von Erdoğan Inhalte des Religionsu­nterrichts in Deutschlan­d bestimmen könnte, löse Unbehagen aus. Oppermann rief die Muslime daher zur Diskussion über eine repräsenta­tive Organisati­on auf. »Mit einer klaren Interessen­vertretung kann der Islam in Deutschlan­d mit einer stärkeren Stimme sprechen«, sagte er.

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