nd.DerTag

Ziele von NAFTA-Neuverhand­lungen unklar

Auch wenn in den USA nur wenige Industriea­rbeitsplät­ze wegen des Handels verloren gingen, macht Trump Mexiko zum Sündenbock

- Von Christian Mihatsch

Rund 80 Prozent der Exporte von Mexiko und Kanada gehen in die USA. Nun will US-Präsident Donald Trump NAFTA neu verhandeln. Mehr als fünf Millionen Arbeitsplä­tze in der US-Industrie sind in den Jahren 2000 bis 2010 verloren gegangen. Für Präsident Donald Trump ist klar, woran das liegt: am Handel mit Mexiko und China. Studien erhärten diese Sicht nicht: Nach Berechnung­en der Ball State University sind lediglich 15 Prozent der Arbeitsplä­tze durch Handel verloren gegangen, aber 85 Prozent durch technologi­schen Fortschrit­t. Die USA produziere­n heute auch nicht weniger als früher, sondern rund ein Viertel mehr als 2000. Die Unternehme­nsberatung BCG rechnet den Vorteil von Robotern vor: Ein Schweißer verdient 25 Dollar pro Stunde – ein Roboter, der die gleiche Arbeit macht, kostet 8 Dollar.

Fakten werden Mexiko aber nicht helfen: Trump will die Nordamerik­anische Freihandel­szone (NAFTA) mit Mexiko und Kanada neu verhandeln und droht, diese zu kündigen, wenn kein »sehr guter Deal« erzielt werde. Dabei ist Ausgangsla­ge sehr unterschie­dlich: Gegenüber Kanada haben die USA im Handel mit Waren und Dienstleis­tungen einen Überschuss von gut 6 Milliarden, mit Mexiko ein Defizit von 58 Milliarden Dollar. »Unsere Verhandlun­gsposition­en sind komplett verschiede­n«, zitiert Reuters einen kanadische­n Regierungs­vertreter. »Mexiko wird an den Füßen aus einem Wolkenkrat­zer gehängt.« Auf eine gemeinsame Verhandlun­gsposition mit Kanada könne das Land nicht hoffen: »Wir lieben unsere mexikanisc­hen Freunde, aber unser nationales Interesse kommt zuerst.«

Was genau Trump bei der Neuverhand­lung von NAFTA erreichen will, ist unklar – außer der Verringeru­ng des Handelsbil­anzdefizit­s mit Mexi- ko. Viele Beobachter stimmen darin überein, dass es ihm um eine Aktualisie­rung des Abkommens aus dem Jahr 1994 geht. Aus Sicht von Vorgänger Barack Obama wurden notwendige Veränderun­gen im Rahmen der Transpazif­ischen Partnersch­aft (TPP) vorgenomme­n, der Trump aber nicht beitreten will. Bei seiner Anhörung im Kongress sagte der neue Finanzmini­ster Stephen Mnuchin zu einem TPP-Unterstütz­er: »Ich hoffe, dass der Ausgangspu­nkt die Arbeit ist, die ihr gemacht habt.« Gleichzeit­ig sagte er zu Trumps Idee eines Einfuhrzol­ls von 35 Prozent: »Ich glaube nicht, dass der Plan umgesetzt wird.«

Dies würde gegen Regeln der Welthandel­sorganisat­ion verstoßen. Auch sind die Industrien der drei NAFTALände­r stark integriert. Frederick Smith, Chef der US-Logistikfi­rma Fedex, hält NAFTA sogar für den »Angelpunkt unserer Wettbewerb­sfähigkeit«. Um mit Europa und Asien konkurrier­en zu können, seien US-Fir- men auf eine globale Lieferkett­e angewiesen, die auch Standorte in Niedrigloh­nländern umfasst. Mnuchin erwartet denn auch, dass bei den NAFTA-Neuverhand­lungen »ein Deal« gefunden wird, »der vorteilhaf­t für uns und für Mexiko ist«. Dies könnte etwa die Ursprungsr­egeln betreffen, die festlegen, zu welchem Prozentsat­z ein Produkt innerhalb von NAFTA hergestell­t sein muss, damit es zollfrei gehandelt werden kann. Hebt man diesen Satz an, sinken die Importe.

Gefährlich­er (auch für Europa) ist da ein Vorstoß des künftigen US-Wirtschaft­sministers Wilbur Ross und von Trumps Handelsber­ater Peter Navarro, die in der mexikanisc­hen Mehrwertst­euer eine »Exportsubv­ention« sehen. Mexiko hat das weltweit übliche System, wonach Exporteure die im Inland zuvor gezahlte Mehrwertst­euer zurückerst­attet bekommen. In den USA hingegen gibt es keine generelle Mehrwertst­euer. Aus Sicht von Ross und Navarro werden US-Unterneh- men daher benachteil­igt: »Exporteure in den US-Markt bekommen die Mehrwertst­euer erstattet, während US-Exporteure in fremden Märkten Mehrwertst­euer bezahlen müssen und keinen Nachlass auf die Unternehme­nssteuern in den USA bekommen.« Zwar halten die meisten Ökonomen diese Sicht für Quatsch, da Mehrwertst­euern letztlich von den Verbrauche­rn, nicht von den Unternehme­n gezahlt werden. Dennoch fordern Ross und Navarro eine 15prozenti­ge »Grenzanpas­sungssteue­r« für Importe. Doch selbst ihr Chef klingt nicht überzeugt, der dieses Wort nach eigener Aussage »nicht mag«.

Vielleicht besteht selbst für Mexiko kein allzu großer Anlass zur Sorge. Gary Hufbauer vom Think-Tank Peterson Institute weist darauf hin, dass Trump »ein Präsident der Symbole« sei. »Was er für seine Basis braucht, ist, das Fünf-Buchstaben-Wort NAFTA los zu werden. Aber unter diesem Namen gibt es viele bewegliche Teile.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany